Samstag, 5. November 2022

Auf dem Sofa zum Kriegsende...

 Seit Beginn der massiven Gaspreissteigerungen aufgrund des Ukraine-Krieges wird auch Helium immer teurer. Bergen erreichte früher oft Höhen von fast 40km, jetzt sind es eher 25. Und normalerweise starten 4 Sonden am Tag - daher ist Bergen im Raum Hamburg traditionell der häufigste Herkunftsort. Jetzt starten von diesem Platz nur noch 2 Stück. Und daher liegt für mich die letzte Auffindung einer Bergener Sonde schon länger zurück, wenn man mal von den jetzt aufgrund des Kriegs massenhaft startenden Manöver-DFMs absieht. Am 4.11. landet eine Sonde bei Wendhausen. Als sie am Samstagmorgen noch nicht geborgen ist, fahre ich früh morgens los.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
T2950452
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 04.11.2022 12:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe:
24797m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.14 m/s 
Landegeschwindigkeit: 3.5 m/s
Landestelle: Wendhausen
,
LAT, LON: 53.250216,10.575276 Google Maps
Status:
Geborgen am 5.11.2022, 7:11 UT
Methode: Tawhiri-Prediction nach Wettersonde.net-Daten. 

Bus und Bahn bringen mich und das Faltrad zu einer mir sehr vertrauten Haltestelle: Sülbeck, Bei den Eichen. Ich zähle nicht, wie oft ich dort ausgestiegen bin. Diesmal ignoriere ich die hartnäckig im Baum hängende DFM09 im nahen Wald -  ich war erst kürzlich da. Den Weg nach Wendhausen kenne ich. Gleich hinter dem Dorf sollte die Sonde auf dem Acker liegen. Da die Prediction sehr genau ist, sollte es keine Schwierigkeiten geben. Die Erwartung wird nicht enttäuscht:










 
 
Dieses Foto versprühe ich über die Whatsappgruppe. Sofort kommt folgende Antwort:

"Da liegt doch bestimmt noch was aufm Weg fürs „Sofa“ (Sondenfahrrad)"

Das hat Andreas ganz richtig vermutet. Wahrscheinlich war ihm klar, dass man für eine einfache Ackerbergung keine 14m-Stange ans "Sofa" schnallt. Also nehme ich auf der "Couch" Platz und strampel nach Wendisch-Evern. Dort sind Ende September zwei DFMs aus Putlos im Wald gelandet. Die eine der Landestellen liegt aber wahrscheinlich auf dem Gelände des örtlichen Schießplatzes. Die andere hat den Truppenübungsplatz knapp verfehlt; wahrscheinlich kann man da hin. Die ist das nächste Ziel:


Sondentyp: DFM09
SN:
 
19007836
Frequenz:
403.11 MHz
Timerkill: keiner
Startstation:
Putlos (Manöver, WMOID:-)
Flugdatum (Landezeit): 21.9.2022 10:29Z
Track radiosondy
Maximale Höhe:
18737m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.68 m/s 
Landegeschwindigkeit: 2.4 m/s
Landestelle: Wendisch Evern
,
LAT, LON: 53.20683,10.47669 Google Maps
Status:
Geborgen am 5.11.2022, 7:11 UT
Methode: Tawhiri-Prediction nach Wettersonde.net-Daten.



Je näher ich Wendisch-Evern komme, umso extremer wird die Geräuschkulisse, überwiegend Feuer aus Gewehren und Maschinenwaffen. Man könnte auf den Gedanken kommen, da würde der dritte Weltkrieg toben. Laut Karte geht genau am Rande des Platzes ein öffentlicher Weg vorbei. Ich könnte mir vorstellen, dass der heute doch gesperrt ist oder dass sogar Soldaten in dem Wald, in dem die Landestelle liegt, üben. Aber dem ist nicht so. Der Weg ist tatsächlich benutzbar, aber ohne Hörschutz ist das Geballer sehr extrem. Direkt am Weg beginnt linkerhand das Sperrgebiet, mit Schildern markiert und teilweise mit einem hohen Zaun abgesichert. Die Schützen sehe ich nicht, aber sie sind definitiv gleich hinter dem Zaun.


Der Wald rechterhand, in dem ich die Sonde vermute, ist allerdings, wie auf der Karte vermutet, frei zugänglich, und ich bin ganz froh, einen gewissen Abstand von der Front zu gewinnen. Das Rad wird angekettet, und bis zur Sonde ist es nicht weit. Plötzlich stehe ich vor zwei Schalen mit Mais am Boden. Und dann erst erkenne ich die Wildkamera... Bitte recht freundlich! Die Jäger dürften sich über ein seltenes Bilddokument eines gewöhnlichen Sondenjägers (mit kapitaler Stange!) in freier Wildbahn freuen.

Der Tawhiri-Prediction wird misstraut, die Extrapolation dürfte stimmen. Tatsächlich hängt da im Baum eine DFM09, ca. 8 Meter hoch. Der Fallschirm ist nicht zu erkennen.




Als ich sie mit der Stange herunterziehe, raschelt im Nachbarbaum der Schirm. Leider kann ich ihn nur ein paar Bäume weiterziehen, aber nicht an der Schnur ablassen. Der Versuch, die Reste mit Gewalt herunter zu bekommen, endet wie befürchtet mit Schnurriss.

 




Hier muss man wohl kapitulieren. Das hat ja an dieser Landestelle Tradition...Denn zurück auf dem Weg, der weiter direkt an der Grenze des Schießplatzes verläuft, stolpere ich über das hier...



 

 

Dort haben sich 1945 die deutschen Truppen in den Niederlanden, Norddeutschland und Dänemark dem britischen General Montgomery ergeben.  Der genaue Ort - von "Monty" liebevoll "Victory Hill" getauft,  befindet sich aber auf dem Truppenübungsplatz, der nur wenige Meter von dem Gedenkstein entfernt beginnt. In merkwürdigem Kontrast zu dem Motto der letzten Zeile erreicht drüben das Geballer einen weiteren Höhepunkt.  Wollen wir mal das beste hoffen....

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier