Montag, 26. Februar 2024

Sondenfund trotz Pessimismus

Allmählich wird es nötig, ein paar Baumhänger zu kontrollieren. Auch Kaltsonden, die in der Feldmark heruntergekommen sind, werden bald Opfer der Frühjahrsbestellung. Und da der coronabedingte allgemeine Run auf die Sonden nachgelassen hat, gibt es solche Kandidaten wieder, zumindest in manchen Regionen!

Am 25.2. unternehme ich so eine Tour in den südlichen Kreis Lüchow-Dannenberg. Bei einem langjährigen Baumlander im Wald bei Rätzlingen rechne ich fest damit, dass er inzwischen am Boden liegt. Bevor die Wildschweine daraus Kleinholz machen, ist ein Besuch längst überfällig. Auf dem Rückweg könnte man zwei weitere Kaltsonden kontrollieren.

Ich nehme also von Uelzen aus den "Landbus Lüchow" bis zur Haltestelle "Klein Malchau, Abzweig". Von dort bringt mich das Faltrad direkt zum primären Ziel der heutigen Tour

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T1320625
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 3:40 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Produktionsdatum:2021-03-30
Flugdatum: 11.6.2022 00:00Z
Track wettersonde
Maximale Höhe: 24015m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.85 m/s 
Landegeschwindigkeit: 4.1 m/s
Landestelle:Rätzlingen
LAT, LON:
52.97245,10.70309 Google Maps
Status: Baumlander, von unten sichtbar, ca. 17m hoch in einer Kiefer. Lokalisiert am 4.9.2022, Geborgen am 25.2.2024, unter dem Baum aufgelesen.

Methode: Tawhiri-Prediction nach wettersonde.net-Daten. 

Diese Bergener Sonde aus dem Jahr 2022 habe ich 3 Monate nach dem Flug als Kaltsonde lokalisieren können. Damals habe ich nur Fallschirm, Abroller und Ballonrest mit der Teleskopstange bergen können. Erstaunlicherweise hing die Sonde im Mai 2023 noch in der Kiefer. Danach habe ich es nicht geschafft die Landestelle zu kontrollieren. Der Weg über das Dorf Klein Malchau in den Wald kenne ich gut. Ein Pirschpfad führt direkt zur Landestelle, und meine Erwartungen werden nicht enttäuscht.



Der Sensor ist stark beschädigt, aber die Sonde lässt sich sogar einschalten.

Zurück auf der Bundesstraße geht es zurück nach Uelzen. Direkt am Weg liegen die Landestellen zweier Kaltsonden. Die sind allerdings eher nach dem Motto zu verstehen: "Wir haben nie an unserer Erfolglosigkeit gezweifelt". 

Da ist die Bergener Mittagssonde vom 1.8.2023,  T3020136 unweit der Straße gelandet. Die Prediction ist nicht allzu genau. Die Landeregion ist ein Mix aus Acker, Brachland, Knicks und Wald. Eine gewisse Restchance könnte es noch geben. Ich suche mehr als eine Stunde. Der Acker, auf dem die Sonde vermutlich niedergegangen ist, ist frisch umgepflügt. In den aussichtsreicheren Wald-und Brachlandgebieten kann ich auch nichts entdecken. Ich gebe auf.

Die nächste Landestelle ist 4km entfernt, was mit dem Rad leicht zu bewältigen ist. Meine Chancen sind dort allerdings ebenfalls sehr vermindert. 

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Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U3360668
Produktionsdatum: 2023-01-25
Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Norderney (WMOID:
10113)
Flugdatum: 
05.02.2024 00:00Z
Track
wettersonde.net/sondehub-Mix

Maximale Höhe:
19377m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.05 m/s

Landegeschwindigkeit:
9.2m/s

Fundstelle: Tatern,
LAT, LON: 
52.97308,10.62347, Google Maps
Status: Geborgen am 25.2.2024,15
:28 UT.
Methode:
Extrapolation aus Wettersonde-Daten

Der Sondenflug liegt 3 Wochen zurück. Die niedrigste registrierte Höhe lag bei 902m und stammte von Sondehub. Wettersonde.net hatte sie bis in 913m Höhe. Es wehte ein heftiger Wind, 89kmh. Die Sonde dürfte von dort aus noch etwa 2km geflogen sein, um dann bei dem Dorf Tatern niederzugehen. Sowohl Sondehub als auch Wettersonde.net hatten Tawhiri-Predictions. Da die Sinkgeschwindigkeit stark schwankte, liegen die Positionen fast 1000m auseinander, die eine westlich, die andere östlich des Dorfs. Die Extrapolationslösung, die bei dieser Endhöhe kaum stimmen dürfte, liegt bei den südlichen Häusern der Ansiedlung. Immerhin führt ein asphaltierter Feldweg genau an der vermuteten Flugrichtung entlang. Auch westlich des Dorfes gibt es Feldwege, auf denen man das Landegebiet erkunden können sollte.

Ich schiebe das Fahrrad den ganzen Weg entlang und lasse die Blicke schweifen. Ein Fernglas ist griffbereit. Die Koppeln sind abgeerntete Stoppelfelder bzw. noch nicht bestellt. Man hat von dem Weg aus immerhin einen guten weiträumigen Überblick; ein weißer Norderney-Fallschirm sollte auch aus der Distanz auffallen. Aber keine verdächtigen Objekte weit und breit. Im Dorf Tatern kann stehen etliche Bäume, in denen die Sonde hängen könnte. Ein Check mit dem Fernglas ist aber ergebnislos, aber da wird man vor Ort genauer nachgucken müssen. Schon kommt der Fahrweg, der vom Dorf nach Norden zur Bundesstraße führt, in Sichtweite. Links davon leuchtet aus der Ferne ein verdächtiger weißer Fleck auf einem unbestellten Acker! Eine Inspektion per Fernglas gibt keinen klaren Aufschluss. Von der Größe her könnte es eine RS41 sein - aber wo sind dann Ballonrest und Schirm? Ich schwinge mich aufs Rad und fahre hin. Beim Näherkommen erkenne ich einen weiteren weißen Fleck direkt am Wegrand, dessen langgestreckte Form aber leider keine Ähnlichkeit mit einem Fallschirm aufweist. Erst vor Ort begreife ich, dass es sich um den fast unbeschädigten Ballon handelt. Der weiße DWD-Schirm befindet sich noch originalverpackt in der Latex-Hülle. Ein Trecker ist am Wegrand über die Schnur gefahren und hat sie in die Erde gedrückt. Als ich sie aus dem Boden herausgeprökelt habe, ist der Rest einfach.












Nach dieser einfachen Bergung geht es die letzten Kilometer zurück nach Uelzen. Dort kenne ich inzwischen einen Fahrrad-Schleichweg, der sich zur Durchquerung der Stadt zum Bahnhof hervorragend eignet: Durch einen Tunnel wird der Elbe-Seitenkanal unterquert, und dann geht es, die Ilmenau entlang, durch Nebenstraßen zum Ziel.

Dort gibt es natürlich das übliche Bahnchaos. Der Zug ist wegen einer Polizeimaßnahme verspätet, wird auf ein anderes Gleis umgeleitet und fällt am Ende ohne weitere Bekanntmachung ganz aus. Der Folgezug ist krass überfüllt, erreicht aber pünktlich Hamburg.


Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier



Sonntag, 11. Februar 2024

Keine Meteoriten und keine Sonden

Am 20.1.2024 war ich auf einer Tagung von Planetenfotografen. Die eigentliche Sensation des Tages bekam ich nicht mit: Die Entdeckung eines Near Earth Objects (NEO) am Abend. Es bekam die Nummer 2024 BX1, und die erste Bahn zeigte, dass es am frühen Morgen in Deutschland aufschlagen würde. Eine Feuerkugel mit Ansage! Das Streufeld wurde rasch von dem tschechischen Experten Pavel Spurny berechnet und lag bei Ribbeck im Havelland. Genau: Das ist das Dorf mit dem Birnbaum.  Sehr bald werden etliche Meteoritensucher fündig. Am Wochenende plane ich eine Suche. Freunde von mir sind tatsächlich hingefahren und haben einiges an Trümmern mitbebracht. Ich kann am Ende nicht losfahren, da mich erstmals Covid erwischt hat - und zwar recht heftig. Eine Reihe anderer Teilnehmer des Planetentreffens testeten zeitgleich positiv. Erst am 10.2. sehe ich mich in der Lage, längere Wanderungen und Fahrradtouren zu bewältigen. 4 Tage vorher ist eine DFM09 aus Munster fast exakt auf der Zentrallinie der Streuellipse gelandet. Sie ist am Morgen noch nicht eingetragen. Also wird Radiosonden-Bergeausrüstung zusätzlich mitgenommen.

5:50: Ich schnappe mein Faltrad und steige am Bahnhof Königstraße in die S-Bahn. Der Wagen ist fast leer. Eine Station weiter: Reeperbahn. Der Wagen ist voll. "Digga, ich schwöööre. Willst Du Gras kaufen Bruder, ich hab was da....". Das ist um die Uhrzeit normal.

Die Bahn nach Rostock am Hauptbahnhof ist pünktlich, und problemlos erreiche ich über Schwerin den Bahnhof Paulinenaue im Havelland. Los geht es über "Bienenfarm, Flugplatz" nach Südosten. Die Strecke ist flach, der Weg ist gut. Aber auf den ersten Kilometern fühle ich mich stark eingerostet und komme nur langsam voran. So fit wie erhofft bin ich doch noch nicht! In Ribbeck ist ein kurzer Besuch beim Birnbaum in Ribbeck Pflicht...

 




Am Birnbaum sehe ich zwei Leute mit ihren Tern-Falträdern. Offenbar ist meine Methode der Anreise nicht mehr so ganz ungewöhnlich. Mich zieht es dann in den Wald südlich des Dorfs. Dort sollen die schwereren Trümmer - und ein paar Tage später die DFM - niedergegangen sein. Bisher waren die Meteoritensucher dort aber relativ erfolglos. Und die Radiosondensucher haben von der DFM offenbar keine Notiz genommen.

Sondentyp: DFM09
SN:
19007888
Produktionsdatum: 2019
Frequenz:
403.09 MHz
Timerkill:
keiner
Startstation:
Munster Süd (Manöver)
Flugdatum:
6.2.2024 8:13Z (Landung)
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.53 m/s
Maximale Höhe:
17069m
Landegeschwindigkeit:
5.5m/s
Track  wettersonde-radiosondy-Mix
Landestelle: Ribbeck,
LAT, LON 
52.61647,12.74231 Google Maps
Status:
Baumlander, von unten sichtbar, lokalisiert 10.2.2024, 10:39UT

Es stellt sich rasch heraus, dass Radiosonden- und Meteoritenjagd im Wald unvereinbar sind. Bei ersterer guckt man in die Baumwipfel, bei letzterer auf den Boden. Zunächst kann ich die Sonde nicht finden. Ich setze noch einmal an und gehe die Strecke von der letzten Position bis zur Extrapolationslösung ab. Dann sehe ich sie! Leider hängt die Sonde mehr als 20 Meter hoch in einer Kiefer - die 10m Stange habe ich umsonst mitgeschleppt.


Ich verfolge die Sondenschnur von Baum zu Baum mit dem Fernglas und kann nach einigem Gesuche auch den Fallschirm und den Abroller entdecken - noch höher im Baum. Hier kann man mit meinen heutigen Mitteln nur aufgeben. Auch möchte ich die verbleibende Zeit bis Sonnenuntergang mit Meteoritensuche füllen.

Ich suche noch ein wenig im Wald nach Meteoriten, aber erfolglos. Hier werden die Steine unter dem Laub liegen - Gegenden mit festem Boden sind rar. Ich beschließe einen Ortswechsel in die freie Feldmark, wo bisher die meisten Funde gemacht wurden. 

Auf der B5 radel ich Richtung Berge und komme gut voran. Links sind am Feldrand die beiden Tern-Falträder geparkt. Was tun die Besitzer? Meteoriten suchen! Mir ist das aber zu weit weg von der Zentrallinie. Südlich von Berge erscheint mir das Gelände besser; auch haben hier Freunde etwas gefunden. 

Tatsächlich: Auf der Weide ist das Gras extrem kurz und der Boden extrem fest. Was ich auch sehe? Am Fahrweg stehen 20 Autos aus Bayern, Polen und anderen entlegenen Regionen Europas. Und nach der Anzahl der auf dem freien Feld erkennbaren Sucher zu urteilen, ist jedes der Autos mit durchschittlich drei Menschen besetzt. Einer der Sucher zeigt mir sogar einen Meteoriten: Silbrig feinkörnige Matrix, auf der Gegenseite ein Stück Schmelzkruste - hübsches Stück! Der Gute ist aber auch seit 2 Wochen ganztägig in der Region unterwegs. 

Ich suche die Wiesen ab. Im Gegensatz zu den Kollegen mag ich nicht auf frisch angelegten Getreidefeldern herumlaufen. Auf den Weiden war vor 2 Wochen ein Meteorit sehr auffällig, aber das ist alles jetzt völlig intensiv abgesucht, und man muss schon sehr viel Glück haben, heute noch etwas zu finden. Ich laufe angestrengt stundenlang herum - erfolglos. 

 




 

Bei schwindendem Sonnenlicht geht es mit dem Rad Richtung Paulinenaue. Anders als heute Morgen fühle ich mich nicht mehr eingerostet und gleite mühelos dahin. Die Tour war glaube ich ganz gut geeignet, um nach Covid wieder in Schwung zu kommen.

In Schwerin erreiche ich den Anschlusszug nach Hamburg nur durch kreatives Umsteigen. Dort ist das Sitzabteil des Fahrradwagens von Mitmenschen bevölkert, die das Ding flugs zu einem Partywagen umdefiniert haben und verschiedene Formen von Mucke über blecherne Handylautsprecher abstrahlen. Es wird bereits heftig getanzt. Nur wenn "Mama" auftaucht (so nennen sie die Zugbegleitung), verhalten sie sich zurückhaltender. Sie wollen zu einem "psychodelischen Event" in einem entsprechenden Club in Hamburg, und geeignete Präparate machen schon jetzt die Runde. Einer der Typen hustet so wie ich letzte Woche. Kurz vor Hamburg machen sie den Eindruck, dass sie schon vor der eigentlichen Party stolz auf ihr mächtig erweitertes Bewusstsein sein können. Fragt sich nur, ob sie diesen Pace bis zum Eingang des Clubs durchhalten. Das ist um diese Uhrzeit normal. 

Ob die Freizeit- Party und Eventindustrie die Menschen glücklicher macht?


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