Sonntag, 30. Juli 2023

13m Stange ist schon groß

 ... fährt allein fast bis Rostock, aber dazu gleich mehr

Am 25.7. fliegt eine Bergener Radiosonde bis Echem und landet dort am Rand des riesigen Golfplatzes Lüdersdorf. Mehrere Whatsapp-Gruppen-Teilnehmer planen und verwerfen eine Suche. Als sie am Samstag noch nicht geborgen ist, beschließe ich eine Fahrt.Leider könnte die Sonde mit Pech auf dem Golfplatzgelände liegen. Ein Scan der Umgebung auf meiner Locus-Karte zeigt aber auch noch eine bisher nicht gefundene Bergener Kaltsonde aus dem April im nahen Wald. Also gibt es einen guten Grund für eine Faltradtour nach Echem. 

Momentan erfordert die Anreise allerdings Überwindung: Seit 49-Euro-Ticket werden alle Regionalzüge, mit denen man mit Umsteigen auch Richtung Hannover, Ruhrgebiet oder Berlin vorstoßen kann, von Fernreisenden bevölkert. Die haben immer noch nicht begriffen, dass es für mannshohe Hartschalen-Rollenkoffer anders als im ICE keine Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Auch ist das U-und S-Bahn-System zu Sommerferienzeiten auf fast allen Strecken durch Ersatzverkehre unterbrochen. Mein S-Bahnhof vor der Tür ist gesperrt, und der Regionalzug nach Rostock fährt nur bis Schwaan - danach müssen die Fahrgäste in den Bus umsteigen.

Ich will ihn nur bis Büchen benutzen. Da er sich für Berlin-Touren eignet, befinden sich im Fahrradabteil 80 Monster-Rollenkoffer. Also bleibt kaum Platz für 4 Rollstühle, 6 Kinderwagen und 30 konventionelle Fahrräder neben ihren Besitzern. Ich ergatter einen Klappsitz und kann das Brompton und die Stange sozialverträglich vor den Knien lagern. Die Stange fliegt auf die (für normale Taschen ungeeignete, weil viel zu flache) Gepäckablage. Das ist schlau, denke ich.

Wie üblich versagt bereits auf dem Hauptbahnhof die gesamte Bordelektrik. 10 Minuten später kein Fortkommen, nur steigt mangels Klimaanlage die Temperatur auf 35 Grad. Da - ein lautes Brummen und ein kühler Schwall. Endlich können wir losfahren. 

In Bergedorf steigt eine bereits von der extrem fähigen Zugbegleiterin angekündigte weitere Rollstuhlfahrerin zu. Die parkt ihr Riesen-Trike mit echter Professionalität routiniert in die letzte Lücke ein, die sich durch weiteres Zusammenrücken ergibt. Ab Schwarzenbek weist die Zugbegleitung Fahrradfahrer ab. In Büchen muss ich mich zu dem Vorderausgang durchzwängen - der andere ist komplett blockiert. Der Zug nach Echem wartet sogar auf uns! Drüben merke ich, dass ich bei allem "entschuldigen Sie, darf ich da mal durch?" etwa Wesentliches  vergessen habe. Die GFK-Stange liegt warm und trocken  in der Gepäckablage und fährt jetzt ohne ihrem Besitzer nach Schwaan (MeckPomm). 

Was tun? Erstmal kann ich nur auf bodennahe Landestellen hoffen. In Echem geht es Richtung Golfplatz. Ich komme 200m weit. Dann geht ein massives Gewitter nieder mit Sturzfluten. Ich finde einen Unterstand unter einem Scheunendach noch im Dorf. Danach radel ich wirklich los. Es sind keine 2km.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U1240374
Produktionsdatum:
2022-03-22
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 25.7.2023 12:00Z
Track wettersonde
Maximale Höhe: 36490m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.89 m/s 
Landegeschwindigkeit: 6.6 m/s
ungefähre Landestelle: Echem,
LAT, LON:
53.328415,10.554874 Google Maps
Status:
Fallschirm bei 10.5555,53.3284, Sonde nicht gefunden
Methode: Extrapolation nach wettersonde.net-Daten. 


Ich finde einen Zugang zu der Landeregion. Der Golfplatz ist mit einem Zaun abgesperrt. Auf meiner Seite ein bunter Mix aus Wald und Gestrüpp. Drüben ist das Gestrüpp an einer Stelle massiv niedergetrampelt. War das ein anonymer Sondenjäger oder hat da ein Golfer einen Ball aus dem Rough befreit? Ein Weg geht nordwärts und erlaubt einen Blick auf den Golfplatz. Mit dem Fernglas entdecke ich drüben den Schirm im Baum. 


 

Die Schnur kann ich aber nicht ausmachen. Entweder ist das eine Beleuchtungsfrage oder sie ist schon zerrissen (worden?). Ich extrapoliere die vermutliche Landestelle, sie muss in unmittelbarer Nähe des Zauns liegen, nicht weit weg von der niedergetretenen Vegetation. Finden kann ich auch nach mehr als einer Stunde nichts. Möglichkeiten: unbekannter Sondenjäger oder Golfspieler. Oder sie ist gut versteckt im Baum oder Busch. Mit etwas mehr Zeit sollte man mal beim Golfplatz nachfragen und die Sache von der anderen Seite des Zauns erkunden.

Was mach ich wegen der Stange? Die viel zu hoch angebrachten und viel zu schmalen Gepäckablagen der Doppelstockwagen benutzt kein Mensch, also wird die Stange noch dort liegen. Normalerweise pendeln diese Züge zwischen Hamburg und dem Zielbahnhof hin und her. Ein Blick auf die Bahn-App verrät, wann der Zug in Schwaan ankommt und wann der vermutlich selbe Zug von Schwaan aus zurückfährt.  Ich finde heraus, wann der Zug in Büchen hält. Also radel ich nach Echem zurück. "Wer die Kraft nicht im Kopf hat, hat sie in den Beinen", sagte schon meine Oma. Dort nehme ich den Zug nach Büchen. Das hat mehr Erfolgsaussichten als ein Auftritt im Fundbüro nächste Woche.

Ich platziere mich an der passenden Stelle des Bahnsteigs, kämpfe mich durch die Volksmassen zu der Gepäckablage, schnapp mir die Stange und steige sofort wieder aus. Ausrüstung wieder komplett. Uff und yeah.


Natürlich sehe ich vom Zug nach Echem nur die Rücklichter. Aber 50min später fährt der nächste. Wieder auf dem Rad, passiere ich diesmal den Golfplatz und biege in Lüdersdorf nach Süden ab. Hinter dem Dorf Bockelkathen führt ein Waldweg direkt bis zur Landestelle.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T3010637
Produktionsdatum:
2021-07-26
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 23.4.2023 00:00Z
Track wettersonde
Maximale Höhe: 31767m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.08 m/s 
Landegeschwindigkeit: 7.8 m/s
ungefähre Landestelle: Brockelkathen,
LAT, LON:
53.29644,10.56865 Google Maps
Status: geborgen am 29.7.2023, 15:36UT, Waldlandung, vom Boden aufgelesen

Methode: Extrapolation nach wettersonde.net-Daten. 

Mein Fahrrad parke ich an einem Baum direkt an der Extrapolationslösung. Die Tawhiri-Prediction ist mit Sicherheit falsch. In den Kiefern und Lärchen östlich des Weges ist nichts Verdächtiges zu erkennen. Also gehe ich durch den Buchenwald zur letzten Position und zurück und lasse meine Blicke in alle Richtungen schweifen - nichts. Allerdings kann sich hier eine Sonde auch im Laubdach gut verstecken. Ein weiterer Check östlich: Nichts. Ein letzter Check unter den Buchen - diesmal mit Fokus auf den Boden: Da liegt etwas weißes unter den Farnen! 17m der abgerissenen Schnur liegen am Boden.



Basierend auf der nun bekannten Sondenposition versuche ich noch einmal, den Fallschirm zu erspähen, aber ohne Glück.

Auf dem Rückweg habe ich 3 Optionen: Zu der 15km entfernten frisch gelandeten Bergen-Sonde radeln, noch einmal beim Golfplatz nachforschen oder nach Hause fahren. Im Westen steht eine schwarze Wand, aus der Blitze zucken. Also geht es zurück nach Echem. Dort wird gebaut, und es gibt keine Unterstellmöglichkeit. Ein Wolkenbruch steht unmittelbar bevor. Also springe ich in den nächsten Zug, nach Lüneburg. Dort muss ich gottlob nicht eine Stunde warten, weil der verspätete Zug nach Harburg noch auf dem Bahnhof steht. Natürlich ist der krass überfüllt. Ich finde aber eine Nische für das Rad, einen Platz für Tasche und Stange auf der Gepäckablage und sogar weiter hinten einen Sitzplatz. Der Zug wird dann in Harburg ausgesetzt. Dort wieder katastrophale Zustände, als sich Volksmassen in die S-Bahn quetschen. Was mich langsam wirklich nervt: Der Zusammenbruch durch Überfüllung ist jetzt der neue Normalzustand im ÖPNV und nicht, wie früher, eine regelmäßig auftretende Ausnahmeerscheinung in Stoßzeiten oder bei Störungen. Man kann nicht durch Preissenkungen Menschenmassen in die Öffis locken und sie dort infrastrukturmäßig hängen lassen. Und man kann auch nicht in einer Touristenmagnetenstadt wie Hamburg in den Sommerferien 1/3 der U- und S-Bahnstrecken zu Baustellen erklären und stilllegen.

Mein Heim, die RS41

Als ich am Abend die Sonde zwecks Entfernung der Batterie öffne, stelle ich fest, dass sie bewohnt ist: Ein gut entwickeltes Ameisennest mit winzigen Arbeiterinnen,  Brut und geflügelten Exemplaren (wahrscheinlich Männchen und Königinnen). Sie neigen nicht dazu, das Nest zu verlassen.



Ich schließe das Heim wieder, packe die Sonde auf meinen Balkon. Nur eine oder zwei der winzigen Ameisen liefen draußen herum, die anderen blieben drinnen und zeigen ein sehr ruhiges Naturell. Inzwischen habe ich den Ameisen eine neue Heimat an passender Stelle improvisiert und sie dort angesiedelt, mal sehen, ob das klappt.

Ist schon erstaunlich: So eine Radiosonde bietet ein winziges Volumen, aber schon ist das für hinreichend kleine Waldbewohner als Behausung interessant. Nur sicher bis zum Besuch eines Kaltsondenjägers oder eines Wildschweins, aber bis dahin geschützt vor den Elementen, warm und trocken.

 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier

Sonntag, 23. Juli 2023

An der alten Salzstraße

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U1240605
Produktionsdatum:
2022-03-24
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 6.7.2023 12:00Z
Track wettersonde
Maximale Höhe: 33483m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.95 m/s 
Landegeschwindigkeit: 7.9 m/s
Landestelle:Uelzen,
LAT, LON:
53.01029,10.56936 Google Maps
Status:
Geborgen am 22.7.2023 13:36UT
Methode: Extrapolation nach wettersonde.net-Daten.

Diese Sonde landete nördlich von von Uelzen. Radiosondy verlor sie in 2370m Höhe. Wettersonde.net hatte sie bis 373m Höhe, bei recht starkem Wind. Die Tawhiri-Prediction funktionierte offenbar nicht, und offenbar fühlte sich niemand motiviert, die Sonde zu suchen.  Eine selbstgemachte einigermaßen verlässliche Extrapolation sah die Landestelle IM Elbe-Seitekanal, und zwar in unmittelbarer Nähe des Westufers. Da Extrapolationen gemeinhin zu weit zielen, vermutete ich sie eher weiter westlich. Hier verläuft neben dem Serviceweg eine Straße. Nicht irgendeine Straße, sondern die berühmte Alte Salzstraße. Auf Google Earth sieht der Wald westlich der Straße wie ein lockerer Kiefernwald aus. 

Am Samstag bin ich mal wieder mit Öffis und Faltrad unterwegs. Vom Hundertwasser-Bahnhof geht es stramm nordwärts zum Kanal. Die Landeregion liegt knapp südlich einer Kanalbrücke. 

Bei der nächsten Kanalbrücke 2km nördlich habe ich mal eine DFM09 aus dem Wasser gezogen, aber heute schwimmt nichts im Kanal. In den Büschen ist nichts zu sehen. Also muss man auf die Straße. Da ich zu faul zum Zurückradeln bin, trage ich das Fahrrad die Wartungstreppe am Brückenpfeiler rauf. Ich schließe es an einem Verkehrsschild an und mache mich zu Fuß auf den Weg. Auf Höhe der vermutlichen Flugbahn kann ich von der Salzstraße aus nichts in den Büschen erkennen. Der Wald auf der anderen Seite sieht erheblich unübersichtlicher aus als gedacht. Die Straße geht hier eine Rampe zur Brücke herauf, so dass der Waldboden tief unter mir liegt. Der Raum zwischen den Kiefern ist völlig mit undringlichem Laubbaum-Unterholz zugewachsen. Da runterzuklettern bin ich nicht motiviert, zumal eine erste Fernglasinspektion erfolglos ist. 


250m weiter südlich geht ein Weg von der Straße ab. Kann man vielleicht von hier in die Landeregion vorstoßen? Kann man nicht. Ich schlage mich 150m durch das Unterholz und stehe an einem Zaun. Die Sicht in Richtung Sondentrack ist Null.

Also zurück zur Straße, die immerhin einen Blick aus luftiger Höhe erlaubt. Auf Trackhöhe bleibe ich stehen und schaue ich noch einmal in den Wald. Da hängt ja an einer Kiefer direkt am Straßenrand ein kurzes Stück Schnur? Ein Blick ins Fernglas: Das Ding hat eine Art Öse und pendelt im Wind. Es ist relativ dick - Fallschirmschnur? Nach einiger Zeit verstehe ich: Das ist ein sehr schmaler Latex-Streifen. Dann ist der Ballonrest nicht weit. Ich kann ihn aber vorerst nicht entdecken.

In Flugrichtung steht eine Kiefer, und entdecke ich per Fernglas-Inspektion, dass eine Schnur herunterhängt. 


 


Sie verschwindet in dem undurchdringlichen Unterholz tief da unten. Genauere Fernglas-Inspektion aus verschiedenen Winkeln zeigt ganz am Boden ein weißes Etwas.  Ich entdecke durch Schnurverfolgung jetzt auch einen riesigen Ballonrest direkt über der Straßenböschung, völlig verhakt in den Kieferzweigen und recht weit oben. Mit der Stange komm ich da nicht heran.

Mehr muss ich nicht wissen. Also kletter ich die Böschung herunter. Direkt vor der Sonde stehe ich überraschend wieder vor diesem Zaun. Aber die Sonde liegt direkt an dem Zaun auf der anderen Seite und kann leicht geborgen werden. 


 

Der Aufkleber fehlt, und die Batterie ist leer. Leider reißt die Schnur beim Bergungsversuch relativ weit unten. 

Direkt an der Brücke befand sich noch ein Ballon, der gleich aus der Natur entfernt wurde.



Ich fahre noch zur Landestelle von T3020146. Ein Urwald, und leider nichts in der Nähe der Extrapolationslösung  zu entdecken. Vielleicht geht da was nach dem Laubfall. (Nachtrag: Es ging was)

Die Idee, einen Baumlander bei Bad Bevensen zu kontrollieren, gebe ich angesichts einer herannahenden Regenfront auf und radel nach Uelzen zurück.


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Mittwoch, 12. Juli 2023

Nicht verloren, nicht im Wasser und auch nicht im Müll

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U3370121
Produktionsdatum: 2022-08-14

Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill:
keiner
Startstation:
Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum:
11.7.2023 00:00Z
Track
wettersonde.net
Maximale Höhe:
31143 m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.23 m/s
Landegeschwindigkeit:
1.9m/s
Landestelle:
Wilster LAT, LON: 
53.92121,9.378833, Google Maps
Status:
  Dachlandung, Fallschirm am Boden. Geborgen von Grundstücksbesitzerin, die mir die Sonde überreichte.
Methode: Tawhiri-Prediction nach radiosondy-Daten 

 

Diese Sonde landete am 11.7.2023 mitten in Wilster. Als die Sonde am 12.7. noch nicht geborgen ist und ich unerwartet am Nachmittag etwas Zeit habe, mache ich mich auf den Weg. Viel Hoffnung habe ich nicht. Immerhin hatte Kurt die Sonde bis in 15m über Grund verfolgt, und es stimmen Tawhiri und Extrapolation fast exakt überein. Also ist die Landestelle recht genau bekannt. Bei einer Landung innerorts zählt eigentlich jede Minute. Aber auf Google Maps Satellitenansicht sehe ich ein paar Bäume und Büsche, wo Spaziergänger und gärtnernde Eigenheimer nicht so einfach rankommen. Vielleicht hat man am Folgetag noch eine gewisse Restchance. Wilster ist für mich ein neues Gebiet. Zwar liegt es seit ein paar Jahren innerhalb des HVV, ist aber weit entfernt. Seit Mai ist es aber auch in der Woche zuschlagfrei erreichbar mit dem Deutschlandticket. Also hin.


Ein letzter Check in Radiosondy. Nein, niemand hat sie als geborgen eingetragen, aber der Nerv-Bot hat seine eigene Meinung zu dem Thema:



 

Endlich mal ein positiver Effekt des Nerv-Bots: Der hält einem die Sondenjägerkonkurrenz vom Hals 😁. Aber im Ernst: Nirgendwo in der Gegend befindet sich eine nennenswerte Wasserfläche. Erst später dämmert mir, was der Grund ist: Das Terrain an der letzten Position hat eine Höhe von exakt 0 Metern. Das wird wohl von dem Bot getriggert haben. Mit uralten Bräuchen wie "Deichbau in der Wilstermarsch" muss so ein Bot ja nicht rechnen.

Es nervt nicht nur der Bot. Die Züge sind jetzt bereits am frühen Nachmittag komplett überfüllt. Ich quetsche mich in den Zug, finde aber eine Nische für mein Rad. Neben mir steht eine Kollegin mit ihrem zusammengeklappten 24"-Tern, sie und ihr Rad kriegen so manchen Knuff mit. Was die Leute anbelangt: Prinzip Sardinenbüchse. Und die Hauptverkehrzeit hat noch gar nicht begonnen.

Der ÖPNV im Hamburger Raum wird in den Sommerferien zunehmend disfunktionell. Mittlerweile haben Güterzüge vor den Regionalzügen Vorrang, was automatisch Verspätungen verursacht. Die letzten 10km musste ich aber dennoch nicht mit dem Faltrad zurücklegen, denn abnormerweise wartet der Anschlusszug in Itzehoe auf uns. Das weiß ich zu schätzen. Denn ich habe mit den durchziehenden recht massiven Schauern nicht gerechnet und keine Regenjacke dabei. In Wilster stelle ich mich vor dem Aufbruch ein paar Minuten unter. Das Rad habe ich nur für eine anschließend geplante Meteoritensuche in Elmshorn dabei, denn vom Bahnhof Wilster zur Landestelle der Sonde sind es nur 1200m.

Die vorhergesagte Landestelle befindet sich direkt an einem Fußweg, der sich zwischen Einzelhaus-Grundstücken hindurchschlängelt.  Ich habe insbesondere ein bestimtes Grundstück in Verdacht. Hohe Büsche flankieren hier den Weg, und ich habe gehofft, dass sich die Sonde darin verfangen haben könnte. Es ist aber nichts Verdächtiges zu entdecken. Aber auf dem ebenfalls nicht chancenlosen Nachbargrundstück gärtnert der Inhaber. Er meint:  "Nein, die Radiosonde ist bei meinen Nachbarn gelandet". Wow! Prediction power, as advertised. 

Der Eingang zu dem Haus liegt in der Parallelstraße. Dort laufen ein paar Leute herum. "Nein, wir sind nicht die Eigentümer, aber die Besitzerin ist da, klingeln Sie nur". Die Besitzerin  erweist sich als superfreundlich, stellt interessierte Fragen und ist natürlich erstaunt über meinen Informationsgrad. Sie hat doch gestern glatt vergessen, die Sonde in den Müll zu schmeißen, und schenkt mir das ganze Gespann.



 

Wieder mal ein Beispiel dafür, dass Operation Urban Rescue pünktliches Erscheinen und Bereitschaft zur Kommunikation erfordert.  Sie erzählt, dass der Schirm auf der anderen Straßenseite auf dem Rasen gelegen hat und sie daher die Sonde an der Schnur von ihrem Dach ziehen konnte. Ich hätte nicht gedacht, dass die Sonde so viel weiter fliegen würde. Aber eigentlich sollte man nicht unzufrieden sein, denn tatsächlich beträgt der Fehler der Prediction weniger als 25 Meter, was angesichts der sehr geringen Sinkgeschwindigkeit und der recht hohen Windgeschwindigkeit  gar nicht so schlecht ist.


Ich bedanke mich herzlich bei der netten Finderin und mache mich auf den Weg nach Elmshorn. Die Rückfahrt mit dem Zug ist problemlos (geht doch!). Als der Zug durch Elmshorn rumpelt, ist der Himmel schwarz. Die Regenradar-Vorhersage lässt für die kommenden Stunden einen Schauerkopf nach dem anderen über Elmshorn ziehen. Eine Meteoritensuche in strömendem Regen, noch dazu ohne Regenjacke, bringt keinen Spaß. Ich steige nicht aus, sondern kehre direkt nach Altona zurück. Das Umsteigen auf die S-Bahn für eine Station ist mir zu umständlich, ich fahre lieber im warmen Nieselregen zurück zu meiner Wohnung, mit dem guten Gefühl, dass sich in der Fronttasche eine nicht verlorene und auch nicht entsorgte Sonde befindet.


    

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