Montag, 22. Januar 2024

Vier Sondenjäger lösen ein Sondenrätsel

Am 10.1. landet die Nachtsonde aus Schleswig direkt am Bahnhof Meeschensee auf freiem Feld. Direkt zur Landezeit fährt bei dem Schneewetter niemand hinterher, aber schon in den frühen Morgenstunden ist Patrick vor Ort. Er wohnt in der Gegend und möchte die Sonde noch vor der Arbeit mitnehmen. Aber zu seiner Verwunderung gibt es keinen Empfang. 

Nach Sonnenaufgang trifft Klaus vor Ort ein. Auf dem Acker findet er nichts. Aber auf der anderen Seite der AKN-Bahnlinie sieht er, wie Sven mit einer Stange den Fallschirm aus dem Baum holt. Sven scheint danach den Boden in der Umgebung der Landestelle abzusuchen. Sven ist nicht Mitglied unserer Whatsappgruppe, was etwas schade ist. Da er aber sehr gewissenhaft seine Funde in Radiosondy einzutragen pflegt, hat er die Sonde sicher auch nicht gefunden. 

Ich finde die Sache rätselhaft. Die Fallschirmposition passt überhaupt nicht zu der Prediction - sie ist viel zu weit stromabwärts. Hat da der große unbekannte Sondenabschneider noch vor allen anderen Kollegen zugeschlagen? Je mehr ich mich mit dem Fall befasse, umso realisitscher erscheint mir, dass die Sonde noch da ist.  Gerade vor ein paar Tagen habe ich ja gesehen, wie weit ein Fallschirm bei etwas Wind eine gelandete Sonde wie einen Schlitten über eine Schneefläche ziehen kann. Wenn das nicht nur über 30, sondern über 70 Meter funktioniert, kann das die Fallschirmposition erklären. Manchmal - wenn auch selten - geht so eine Sonde beim Aufprall aus, und angesichts der Lage des Schirms kann sogar ein Zug der AKN die Schnur vom Fallschirm getrennt haben.  Auch eine Baumreihe und eine Hochspannungsleitung könnten mitgespielt haben. Im weißen Schnee wird man eine weiße Sonde nicht so leicht sehen. Also beschließe ich eine Nachsuche am 22.1.2024, nachdem der Schnee geschmolzen ist und bevor die Äcker wieder matschig werden. Es macht zumindest Sinn die angedachten Hypothesen zu testen, und vielleicht hat man ja noch Glück, wer weiß?

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V0430542
Produktionsdatum: 2023-01-25
Frequenz: 402.5 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Schleswig (WMOID:10035)
Flugdatum: 10.01.2024 00:00Z
Track
wettersonde.net

Maximale Höhe:
31757m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 4.54m/s

Landegeschwindigkeit:
2.4m/s

Fundstelle: Meeschensee,
LAT, LON: 
53.75128,9.982787, Google Maps
Status: Stark zerstörte Sonde geborgen am 22.1.2024,15
:15 UT.
Methode:
Extrapolation aus Wettersonde-Daten
Besonderheit: Sonde wurde wahrscheinlich am Fallschirm durch den Schnee auf den Bahndamm  der AKN gezogen. Kein Empfang durch Patrick gegen 7:00. Fallschirmbergung am Vormittag des Flugtags durch Sven.

Ich verlasse die AKN eine Stunde vor Sonnenuntergang am Bahnhof Haslohfuhrt. Ein Weg führt von der K113 an den Gleisen entlang bis zu der Koppel, auf dem die Sonde gelandet sein soll. Zu meiner Freude ist es eine gut begehbare und leere Weide. An den Predictions liegt wie befürchtet nichts. Auch in der Baumreihe - hohe Eichen - an der die Sonde knapp vorbeigeschrammt sein könnte - hängt nichts. Also verfolge ich die mögliche Flug/Rutschbahn der Sonde in Richtung  der Bahnstrecke. Das würde ja auch besser zu der Fallschirmposition passen. Und ich werde sofort fündig.

 

Direkt meinerseits der Gleise liegen verstreut Teile der Styroporschalen, die Hauptplatine mit den Batterien, ein abgetrennter Sensorarm und weitere Kleinteile. Schnell ist alles zusammengesammelt. Gut, dass die Trümmer auf meine Seite der Gleise geschleudert wurden.


Der Befestigungsmast der Sonde ist glatt abgetrennt und fehlt. Die Teile der Box sind einigermaßen vollständig und lassen sich wieder zusammenbauen, und die Batterien sind noch in der Halterung der Hauptplatine eingelegt. Nur der Drucksensor fehlt, wahrscheinlich liegt er noch im No-Go-Bereich auf den Gleisen. Allerdings lässt sich die Sonde nicht anschalten. 


 

Das Rätsel ist also gelöst, das wahrscheinlichste Szenario sieht so aus: 

10.1.24, 3:22: Sonde landet nahe der Prediction (sie stand am Ende nur 30m hoch). Der Fallschirm schleppt die Sonde über die verschneite Wiese, vermutlich bis auf das rechte Gleis und bleibt dann selbst in dem Baum auf der anderen Seite hängen. Gegen 5:06 zerstört die erste Bahn die Sonde, die Trümmer werden zurück in Richtung Wiese geschleudert. Gegen 7:00 hat Patrick natürlich keinen Empfang. Sven kann am Morgen den Fallschirm aus dem Baum ziehen, aber am Ende der Schnur ist keine Sonde. Und weder Klaus noch Sven haben eine nennenswerte Chancen, die weißen Trümmer im Schnee zu erspähen.

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Samstag, 13. Januar 2024

Bot-Flopp

Die Schleswiger Nachtsonde vom Donnerstag, den 11.1.2024 landet in Curslack in den Vier-und Marschlanden. Hier ist das Gelände auf Meereshöhe und sogar darunter. Der Nerv-Bot von Radiosondy, der sinnloserweise im Meer landende Radiosonden automatisch als "VERLOREN" markiert und damit die Liste der Statusänderungen in Radiosondy vollmüllt, lässt sich mal wieder foppen...

 
Wie kann so ein Bot auch mit der Beherrschung der Kunst des Deichbaus durch die örtliche Bevölkerung rechnen? Auch schon meine vorherige Schleswiger Radiosonde wurde aus dem gleichen Grund vom Bot als Wasserlandung annotiert. Übrigens passiert das auch, wenn sich die letzte Position über einem Gewässer befindet - und sei es nur ein kleiner Tümpel.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V0830086
Produktionsdatum: 2023-02-22
Frequenz: 402.5 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Schleswig (WMOID:10035)
Flugdatum: 11.01.2024 00:00Z
Track
Radiosondy

Maximale Höhe:
31841m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 4.61m/s

Landegeschwindigkeit:
11.4m/s

Landestelle: Curslack,
LAT, LON: 
53.44122,10.22717, Google Maps

Status:
komplett geborgen am 13.1.2024,8
:40 UT.
Methode:
Extrapolation aus Radiosondy-Daten

Trotz gut zugänglicher Landstelle auf einer Weide wird die Sonde am Flugtag nicht geborgen. Am Nachmittag des Folgetages hätte ich es knapp noch bei Tageslicht schaffen können, aber nicht unter den Bedingungen des Bahnstreiks. 

So kann ich erst am Samstag Morgen aufbrechen. Die S-Bahn bringt mich nach Bergedorf, der Bus nach Curslack(Haltestelle Heinrich-Stubbe-Weg). Von da sind es nur etwas mehr als 500m zur Landestelle. 

Gestern hätte man noch auf einem hartgefrorenen Boden von der Straße zur Sonde gelangen können, heute ist nach einer warmen Nacht der Boden sehr matschig. Der direkte Weg ist durch Wassergräben versperrt. Man kann am Rande der Nachbarkoppel zu der Weide, auf der die Sonde vermutlich liegt, vorstoßen. Der Weg ist bereits sehr matschig. Gut, dass ich Gummistiefel im Rucksack habe. 

Auf der Weide fällt sofort der Fallschirm auf. Der hat sich so verschnürt, dass er sich nicht öffnen konnte. Das erklärt die Einschlaggeschwindigkeit von 11m/s. 



Nicht weit entfernt bemerke ich jetzt auch die Sonde. Wegen der geringen Windgeschwindigkeit am Boden hat sich die Schnur nicht gestrafft. 



Ich packe alles ein und stapfe zurück zur Straße. Dort werden die Schuhe gewechselt. An der Haltstelle angekommen, kommt auch schon der Bus für die Heimfahrt. 

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Mittwoch, 10. Januar 2024

Fährtensuche im Winter Wonderland

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V0550962
Produktionsdatum: 2023-02-03
Frequenz: 402.5 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Schleswig (WMOID:10035)
Flugdatum: 08.01.2024 00:00Z
Track
wettersonde.net/sondehob.org Mix

Maximale Höhe:
33146m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 4.65m/s

Landegeschwindigkeit:
2.2m/s

Landestelle: Holm,
LAT, LON:
53.63412,9.655674, Google Maps
Fundstelle: Holm, LAT,LON: 53.633917,9.655547, Google Maps

Status:
komplett geborgen am 9.1.2024,15
:02 UT.
Methode:
Extrapolation aus Sondehub-Daten
Besonderheit: Sonde wurde am Fallschirm durch den Schnee gezogen

Im Januar 2024 kommt es zu einer kompletten Wetterumstellung: Das warme Regenwetter, welches die Äcker massiv aufgeweicht und überschwemmt hat, weicht einer klirrend kalten Hochdrucklage. Die Äcker sind eingeschneit und hart gefroren. Die Radiosonden machen mal was anderes als heftige Strecke in den Osten! Die Schleswiger Sonde vom 8.1. landet nach einem Zickzackflug über Schleswig-Holstein zwischen Heist und Holm - nördlich von Wedel. Am 9.1. ist die Sonde noch nicht geborgen. Etwas Zeit ist am Nachmittag vorhanden.  Eine Radtour ist mir zu gefährlich, zumal natürlich die Wirtschaftswege komplett überfroren sind. Die Anreise muss mit S-Bahn, Bus und zu Fuß erfolgen, und zwar heute. Denn ab morgen ist das alles zu weselsky

Die Frage ist, wie man an die Landestelle herankommt und wo die überhaupt liegt. Das ist entscheidend, denn die Marsch wird von tiefen Gräben durchzogen und benachbarte Koppeln haben daher ganz unterschiedliche Zugangswege. Da die Sonde einen hervorragenden Fallschirm hatte und der Wind heftig blies, ist die Prediction recht unsicher. Glücklicherweise sehe ich, dass Sondhub die Sonde etwas tiefer herunter verfolgt hat. Auch bemerke ich, dass die Tawhiri-Prediction viel weiter zielt als die Extrapolationen. Das ist ein sicheres Zeichen, dass die Tawhiri-Prediction daneben liegt. Mit diesen Informationen kann ich die Landstelle ganz gut eingrenzen. Zu mehr als 80% liegt sie auf der Koppel, auf die der Wirtschaftsweg, der laut Open Streetmap Zippelhornweg heißt, zielt. Und da kann man ja mal nachgucken.

Alles ist extrem verschneit, und je weiter man kommt, umso winterlicher ist die Landschaft. 

 




Der Weg endet auf einer Marschwiese, die komplett überfroren ist. Natürlich ist es schwer, eine weiße Sonde mit weißem Schirm auf einem verschneiten Untergrund auszumachen. Immerhin hat es nach der Landung nicht mehr nennenswert geschneit. Die Koppel wird am Ende von Gräben eingegrenzt. Ich suche meine Koppel und die Nachbarfelder mit einem Fernglas ab. Zunächst kann ich nichts entdecken, aber dann sehe ich eine Schnur an einem Zaun drüben auf der Nachbarkoppel, direkt am Graben. Es sind Fallschirmleinen. Ein Graben versperrt den Zugang. Den Fallschirm kann ich von meiner Position nicht erkennen, aber da liegt der Abroller. Die Sonde sollte dann aber, setzt man eine 50m lange Schnur voraus, auf "meiner" Koppel liegen. Ja, und da erstreckt sie sich ja auch über den Graben. Die Sonde ist von Rauhreif überzuckert und dadurch sehr gut getarnt. Ich bin tatsächlich vorhin direkt daran vorbei gelaufen, ohne etwas zu bemerken.




Man sieht deutlich, dass der Fallschirm die Sonde über den Schnee gezogen hat. Allmählich wird der Sondenjäger zum Spurenleser. So sieht also die Fährte einer RS41 aus! 

Die Spur ist erstaunliche 25m lang, am anderen Ende kann man die ursprüngliche Landestelle der Sonde klar identifizieren

 






Ich ziehe an der Schnur und kann den Fallschirm am anderen Ende frei bekommen und über den Acker, zwei Zäune und einen Graben auf meine Seite des Nils befördern. 




Mit der Sonde im Rucksack stapfe ich bei Sonnenuntergang zurück.



Von der Bushaltestelle "Holm Hörnstraße" geht es problemlos über Wedel heimwärts.

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