Mittwoch, 29. Dezember 2021

Matschackerlandung und Baumbergungsfrust

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T3440480
Frequenz: 405.3 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 28.12.2021 12:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe:
32912m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.26 m/s

Landegeschwindigkeit: 2.6 m/s
Landestelle: Gut Lanken LAT, LON:
q=53.54154,10.50984, Google Maps
Status: geborgen am 29.12.2021, 11:45 UT
Methode: Tawhiri-Prediction und Extrapolation nach Internetdaten

Die Mittagssonde aus Norderney sollte laut Vorhersage im Hamburger Westen landen. Das war gut, ich war gerade arbeitsbedingt in der Gegend unterwegs. Am Ende hatte sie einen hervorragenden Fallschirm, flog daher weiter und ging auf einem Acker bei Gut Lanken nördlich von Schwarzenbek nieder. Jürgen wohnt nicht weit entfernt und war zur Stelle. Er konnte trotz intensiver Suche keine Sonde entdecken. Es war aber auch schwierig, denn der hartgefrorene Acker war teilweise schneebeckt. Man kennt das: Weiße Sonde und weißer Schirm im Schnee - das wird untrivial. Leider hatte er auch kein Empfangsequipment dabei. Am Ende war er sicher: Die Sonde ist weg, da war jemand schneller.

Als am nächsten Morgen kommt mir die Sache komisch vor: Von unserer Whatsappgruppe war es keiner. Eingetragen hatte es auch keiner, das spräche gegen einen Sondenjäger namens Sven. RUSH (Rapid Unidentified Sonde Hunter) trägt zwar nie was ein, man hat aber auch länger nichts von seinen Aktivitäten bemerkt. Auch ist er mit dem Rad unterwegs, die Radwege waren gestern noch ziemlich vereist. Ich verorte ihn im Raum Geesthacht, und da war Jürgen im Zweifel viel schneller vor Ort. Jürgen ist allerdings ein erfahrener Kaltsondenjäger und übersieht so schnell nichts.

Könnte die Sonde etwas weiter geflogen sein und daher gar nicht auf dem Acker gelandet sein? Die Landegeschwindigkeit war mit 2.6m/s sehr langsam und schwankte recht stark von Frame zu Frame. Eine stumpfe Extrapolation mit 2.6m/s bringt die Landestelle etwas mehr Richtung Ackerrand, aber selbst mit 1.8m/s läge die Sonde noch eindeutig auf dem Acker. Aber die Schnurlänge beträgt ja 50 Meter. Wenn sie in der absoluten Endphase nur wenig langsamer gewesen ist,  liegt der  Fallschirm nicht, wie von Jürgen erwartet, auf dem Feld, sondern hängt in den Bäumen der Knicks links und rechts der Straße. Und wenn man das nicht erwartet, übersieht man es. Auf dem Acker ist dann nur eine weiße Sonde auf weißem Schnee, und die ist, wie gesagt, untrivial zu erspähen. 

Ich habe an der B207 weiter nördlich eh eine Kaltsonde im Wald, die nach dem Laubfall einen Besuch bekommen soll. Was spricht dagegen, mit dem Auto hinzufahren und vorher noch bei Gut Lanken vorbeizuschauen?

Ich parke das Auto nahe der Biogasanlage, denn die Straße Richtung Gut ist eine Eisbahn. Das von Jürgen erwähnte Maisstoppelfeld ist umgepflügt, aber gefroren. Der Schnee und das Eis sind aber weitesgehend aufgetaut. Ein Blick über den Knick lässt sofort einen kleinen gelben Fleck erkennen. Der Feldstecher zeigt: Das ist der DWD-Label, das meiste von der Sonde liegt aber gut getarnt hinter einem Erdwall. Gestern, wo das alles weiß war, hatte Jürgen kaum Chancen.

Der Rest der Arbeitshypothese bestätigt sich durch einen Blick von der Landestelle zum Knick ebenfalls:



Die Bergung der Sonde ist natürlich ziemlich einfach. Jetzt noch rasch den Schirm aus dem Baum holen und gut. Die Sachen sind in Reichweite meiner Stange, also wird das eine einfache Nummer. Interessant ist, dass sich der Abroller bereits von dem Ballon losgerissen hat. Beide Teile sind allerdings massiv im relativ knorrigen Geäst der Knickeiche verhakt. Weder kann ich den Abroller an der Schnur herausreißen. An dem Fallschirm beiße ich mir mit der Stange komplett die Zähne aus. Einmal kann ich zwar die Fallschirmschnur  einhaken. Da ich mit der Schnur-Haken Technik arbeite, kann ich dann an einer stabilen Leine statt an der Teleskopstange reißen, aber der Schirm geht bei aller Gewalt nicht los. Außer, dass ich den Haken kaputtmache, hat mein Reißen keinen Effekt. Inzwischen hat sich der gefrorene Acker in eine Matschhölle verwandelt - erstaunlich, wie schnell das geht. Irgendwann gebe ich genervt auf. Immerhin habe ich praktisch die gesamte Schnur geborgen.

Meine anschließende Suche nach einer Schleswiger Sonde nördlich von Mölln im Wald ist übrigens komplett erfolglos.Hier bin ich zum zweiten Mal. Das erste Mal konnte ich wegen des dichten Laubdach kaum etwas sehen. Dieses Mal ist der Wald noch total verschneit. Zwar kann ich gut die Zweige der z.T. extrem hohen Bäume durchsuchen, aber darin hängt kein weißer Schirm. Vielleicht liegen die Teile auch alle auf dem Boden. Wegen des verschneiten Waldbodens geht es mir möglicherweise so wie Jürgen gestern. Auch schwindet langsam das Tageslicht. Hier braucht man Sonnenschein, kein Laub und keinen Schnee, wenn da überhaupt noch etwas zu holen sein sollte. Vor dem Austreiben der Blätter muss ich wohl noch mal vorbeigucken.

Die Rückfahrt im Dunkeln ist phasenweise ein interessanter Blindflug durch such rasch verdichtenden  Nebel.

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Samstag, 18. Dezember 2021

Von Sophienthal nach Boize und zurück

Dieses Gebiet kenn sich seit meiner Jugend, als ich viel Ornithologie betrieben habe und Vogelstimmen auf Tonband aufgenommen habe. Das Gute: Direkt an der DDR-Grenze war das Ende der Welt, und da gab es keine Störgeräusche. Die Gegend östlich von Gudow war mein beliebtestes Revier. Es gab sogar Kraniche am Segrahner See. Die Ausschilderung war so, als gäbe es die Grenze nicht. "Zarrentin 6 km". Die Straße war aber merkwürdig schlecht, und bald stand man an einer Straßensperre. Eine kaputte Brücke ging über den Grenzgraben. "Halt Bachmitte Grenze" Drüben ging nach ein paar 100m Ödland die Straße weiter. Links der Straße ein Wachturm, vor dem ein Kolonnenweg abbog, auf dem Trabant-Geländewagen und Motorräder patrollierten.


Kurz vor der Grenze gab es auf West-Seite ein Dorf namens Sophienthal, und drüben konnte man aus der Feldmark ein noch kleineres, ähnliches  Dorf namens Boize sehen. So dicht an der Grenze war ich selten zugange, aber die Region ist mir vertraut. 

Die Bergener Morgensonde vom 8.12. landete in der Feldmark bei ...Boize (Mecklenburg). Die Morgensonde vom 9.12. landete direkt an der Straße nach Zarrentin gleich hinter Sophienthal (Schleswig-Holstein). Als die Sonden nach 10 Tagen noch immer nicht als geborgen gemeldet waren, habe ich meinen Samstagsausflug ins Landegebiet gemacht. Ich kenne noch den Parkplatz am Segrahner Wald. Von da aus geht es zu Fuß weiter, so wie damals. Kraniche wie damals - aber inzwischen sind sie keine Seltenheit mehr. Wacholderdrosseln in Schwärmen in der Luft. Gänse. Wow! Die Sonde West liegt gleich in der Nähe, wenn sie noch da ist. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
T1230406
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 09.12.2021 06:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe:33232m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.02 m/s 
Landegeschwindigkeit: 2.7 m/s
Landestelle: Sophienthal
, LAT, LON:
53.55825,10.81591 Google Maps
Status: geborgen18.12.2021, 
10:45 UT
Methode:
Tawhiri-Prediction aus Radiosondy.Info-Daten

Man muss nur zur Hauptstraße zurückgehen, links laufen, und dann sollte sie gleich vorne auf dem Feld liegen. Jawoll, Fallschirm und Sonde sind sofort auffällig zu sehen. Die Sonde liegt nur 5 Meter neben der (von mir gar nicht so genau eingschätzten) Prediction. Das ist ja heute einfach. 





Auf dem matschigen Acker mag ich nicht zum Fallschirm laufen, also ziehe ich den Schirm und den minimalen Ballonrest zu mir. Die West-Sonde ist geborgen. Luftlinie zu Sonde Ost sind weniger als 2km. 

Erstmal die alte Grenze überqueren. 




Gleich vor den Eichen geht der damals schon erspähte Kolonnenweg in die grobe Richtung Sonde.

 

 



Ich komme an der Stelle vorbei, an der ein gewisser Frank Möller  und seine Freunde ihre Spezialleiter und Spezialsteigeisen bei ihrer Wanderung von Boize nach Sophienthal  zur Aufführung gebracht haben - sie hatten die Sachen da hinten in einem Schuppen in Boize angefertigt. Nur Wochen nach dieser damals vielbeachteten Aktion traf Frank Möller seine Freunde aus Boize in Mölln auf dem Marktplatz - der mit so viel Risiko und Hirnschmalz bezwungene Zaun war nämlich unerwartet verschwunden.

Der Grenzstreifen zwischen den im Osten riesigen Feldern und der Grenze sind naturbelassene Brache, heute Teil des "Grünen Bandes". Die Landestelle liegt auf einem der weitläufigen Flächen die der Kolonnenweg, der Grenze folgend, umrundet. Schwerer Lehmboden. Ich finde einen einigermaßen sinnvollen Zugang, wo ich zwischen Feldern und Gräben bis fast an die Position rankomme. Insgesamt gibt es hier aber keine der vielen Feldwege, die im Westen die Landschaft durchziehen, und die fast überall einen schnellen Zugang mit Fahrrädern oder zu Fuß erlauben. Tatsächlich kommt man hier nur auf der Straße und auf dem Lochplattenweg voran.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
T1230402
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 08.12.2021 06:00Z
Track radiosondy
Maximale Höhe:26192m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.02 m/s 
Landegeschwindigkeit: 9 m/s
Landestelle: Sophienthal
, LAT, LON:
53.5682,10.83960 Google Maps
Status: geborgen 18.12.2021, 
12:15 UT
Methode:
Tawhiri-Prediction aus Radiosondy.Info-Daten

Der furchtbare Radiosondy-Bot meinte zu der Sonde folgendes:

VERLOREN
0, 0AUTO STATUS: Probably lost in the water[BOT]AUTO-STATUS - 2021-12-08 07:10:30z

Das lag nur daran, dass die letzte Position der Sonde über einem kleinen Tümpel lag....

Die Landschaft ist recht hügelig. Man steht auf einem Hügel und meint, eine gute Rundumsicht zu haben, aber da liegt weit und breit nichts. Man unterschätzt die Wirkung von kleinen Erhebungen und Mulden. Eigentlich habe ich alles gesehen - offenbar ist diese Sonde weg. Ich will mich gerade nach links drehen, da erpähe ich  hinter dem Hügel ein extrem weißes, ziemlich riesiges Objekt - unverkennbar ein vollständiger Ballonrest. Der Ballon ist nur an einer Stelle aufgeplatzt und ansonsten komplett. Der Fallschirm ist darunter begraben. 


 







Die Ost-Sonde liegt 100m von der Prediction entfernt. Der Rucksack ist voll mit ziemlich verdrecktem Gummizeugs. Almählich geht es zurück, den langen verwundenen Grenzverlauf zur Straße. Insgesamt habe ich fast 10km zurückgelegt, obwohl die Sonden keine 2km auseinander lagen. Ich habe noch zwei Sonden auf der Liste. Eine könnte man auf dem Rückweg versuchen,  ein Baumlander, den ich im Laubdach bei einem anderen Besuch nicht finden konnte. Das erfordert noch etwas Tageslicht, aber ich könnte erst bei Sonnenuntergang dort ankommen. Also beschließe ich, dass 2 Sonden für heute genug sind, gehe zurück zum Auto und fahre heimwärts. 

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Dienstag, 14. Dezember 2021

Irrational und instinktgesteuert im Beimoorwald

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T3310800

Frequenz: 405.3 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 14.12.2021 00:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe:
28512m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 4.76 m/s

Landegeschwindigkeit: 3.4 m/s
Landestelle: Beimoorwald LAT, LON: 53.687166,10.29967, Google Maps
Status: geborgen am 14.12.2021, 13:01 UT
Methode: Stangenbergung des Fallschirms und Ablassen der Sonde.

Der Beimoorwald ist ein mir seit Kindesbeinen vertrautes Stück Heimat. Radiosonden landen hier gerne einmal, und meistens bleiben sie in den hohen Bäumen hängen. Als die 0Z-Sonde aus Norderney direkt nördlich des Waldhauses landete, war ich in Hamburg. Ich wollte an dem Tag ohnehin nach Schmalenbeck fahren. Am Vormittag hatte da aber noch eine berufliche Zoom-Sitzung zu erledigen und kam daher erst am frühen Nachmittag los. Mittagessen wird überbewertet. Erst einmal schnell nachgucken, was die Sonde im Wald macht. Dann auf dem Rückweg ein paar  Vorräte in Großhansdorf einkaufen, das dürfte ja schnell gehen. Welch ein Irrtum. 

Das Auto parke ich am bekannten Platz südlich des Molchsteichs. Der Weg zur Landestelle ist mir absolut vertraut. Leider ist es eine in dem Wald eher untypische dichte Fichtenplantage mit 30m höhen Bäumen. Die Sonde hatte sich nach der Landung - Bernds Station in Oldesloe sei Dank - noch im APRS und in wettersonde.net verewigt. 

 


Daher ist die Landestelle exakt bekannt. Die Höhe über dem Boden soll ca. 30m betragen. Also im Wipfel eines der höheren Exemplare. Heute dürfte es sich darum drehen, die Lage zu erkunden - die Chancen auf eine Bergung sind eher mau. Aber wo hängt der weiße Kasten? Ich suche von allen Seiten die Landeregion ab. Wo man überhaupt mal in die Wipfel gucken kann, wird alles mit dem Fernglas inspiziert. Wo ein Stück des Himmels zu sehen ist, wird es nach der Schnur abgesucht. Nichts, nichts, nichts. Schnell noch mal checken, ob sie schon jemand eingetragen hat - Resultat negativ. Also ist sie noch da - ein Zufallsfinder wird hier nichts beschicken.

Vielleicht kommt man auf der Fallschirmseite weiter - die Bäume scheinen in Flugrichtung  lockerer zu stehen als an der Sondenposition. Ich tippe in die Geochache-Tools von Lokus den letzten Kurs der Sonde ein und lasse mir einen Punkt in 50m Entfernung ausgeben - Schnurlänge einer RS41. Ich gehe dort hin. Und EXAKT dort hängt der weiße DWD-Fallschirm 13 m hoch im Baum. Die erste Spur der Sonde! Aber wegen der dichten Bewaldung lässt sich die Schnur nicht zurück verfolgen.



Nun ist ja hochgradig unweise, an einem Fallschirm zu reißen, also suche ich, in Kenntnis der Geometrie, noch mal an der Landestelle. Aber nach einer weiteren halben Stunde Fernglasinspektion der Bäume gebe ich das auf. Warum rational handeln, wenn instinktgesteuert auch eine Option ist?

Also die 15m-Stange ausfahren und den Schirm angeln. Da ist kaum eine Kraft zu überwinden. Ich habe ohne nennenswerte Friktion den Schirm zu 2/3 heruntergefahren, da klötert es in Sondenrichtung. Ooops, vielleicht sollte man innehalten und da mal nachgucken? Stange an einen Stamm lehnen und auf zur Sondenposition! Da ist weiträumig NICHTS. Hmm. Ich habe sie doch eindeutig klappern gehört! Was tun? Instinktgesteuert und irrational die Stange ganz einfahren! Der Verstand sagt, dass man sie dadurch nur höher in den Baum zieht. Aber Unlogik gewinnt. Ich ziehe die Stange ganz ein. Immer noch gibt es keinen Widerstand. Ich schneide den Schirm ab - vielleicht kommt ja drüben die Sonde ganz runter. 

Ein kurzer Test. Da ist viel Reibung im System! Wenn man die Schnur loslässt, gleitet sie laaangsam nach oben. Noch einmal greifen, das ganze wiederholen. Diesmal gleitet da leider nichts. Vorsichtig an der Schnur ruckeln, vielleicht kann man den Widerstand überwinden? Zwei weitere Versuche - die Schnur bewegt sich nicht. Noch einmal ziehen und entspannen. Diesmal hat sich etwas verändert; man könnte sich einbilden, dass die Schnur mit ein paar Gramm nach oben zieht. . Mir fällt der blöde Spruch ein: "Man muss auch loslassen können". Also... diesmal bewegt sich die Schnur. Erst langsam, dann immer schneller werdend, flutscht sie aus meiner Reichweite. Drüben wieder dieses Klötern - diesmal lauter! Also laufe ich wieder zurück zur Sondenposition, wo ich die Sonde auf dem Boden erwarte. 

Sehr zu meiner Bestürzung liegt da .... nichts! Auch nicht im näheren Umkreis. Aber ich habe sie doch  klötern gehört! Frustriert wandere ich zurück zum Fallschirm. Kurz bevor ich da bin, liegt da etwas Weißes. Das kann sie nicht sein, sagt der Verstand. Denn das Objekt liegt nicht wirklich auf der Verbindungslinie APRS-Posittion-Fallschirm. Aber ich ändere meine Laufrichtung und werde nicht enttäuscht....



Der Sensor ist beschädigt, ansonsten ist sie in guter Verfassung. Nun wird alles zusammengepackt und fertig. Das Einziehen der Schnur auf der Sondenseite ist ebenfalls merkwürdig. Die Schnur lässt sich problemlos aufrollen. Das letzte Schnurstück verhakt sich dann aber hoch oben im Baum und kann nur mit extremer Gewalt nach unten befördert werden. Oben biegen sich die Zweige so sehr, dass ich fürchte, ich könnte sie abreißen.


Was ist da passiert? Zuerst habe ich Zweifel an der APRS-Position, aber die dürfte gestimmt haben. Die Sonde hing offensichtlich ca. 30m hoch an besagter Stelle und war nicht zu sehen. Offenbar war sie im Wipfel eines Baumes nur ganz lose verhakt. Jetzt zieh ich an der Schnur - die Sonde löst sich  und pendelt 35m weit in den nächsten Baum. Das erste Klötern! Dort angekommen, hätte man sie wahrscheinlich von unten auch sehen können - aber ich rechnete ja nicht damit, dass sie dort sein könnte. Beim weiteren Herunterziehen des Fallschirms habe ich die Sonde sicher 5m hoch gezogen und kann von Glück reden, dass ich sie da nicht in der Astgabel verklemmt habe. Nach dem Losruckeln fiel die Sonde dann wie erhofft herunter, bloß nicht da, wo ich sie vermutete. Das gab dann das zweite Klötern.

Der Verstand war jedenfalls diesmal für den Jagderfolg unerheblich und erlaubte allenfalls eine Rekonstruktion der instinktgesteuerten Abläufe. 

 

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Montag, 13. Dezember 2021

Sonden einsammeln und Brötchen kaufen ...


Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T3311657
Frequenz: 405.3 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 13.12.2021 00:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe: 31466m 
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.81 m/s
Landegeschwindigkeit: 4.8 m/s (0.5m/s nach Berührung der Bäume)
Landestelle: Hammah LAT, LON: 53.613,9.38687, Google Maps
Status: geborgen am 13.12.2021, 5:20 UT
Methode: Decodierung des Sondensignals (TTGO)

 

In meiner anfänglichen Sturm- und Drangzeit 2016/17 bin ich morgens gerne mal an den Rand der HVV-Erdscheibe gefahren, um vor dem Frühstück noch schnell eine Sonde einzusammeln. Im Winter war man dann im Dunkeln vor Ort. Heute war ich nachts in Hamburg, und die Mitternachtssonde aus Norderney landete direkt vor den Toren Hammahs bei Stade. Direkt an der Straße. Hin, einsammeln, zurück? Ja! Kurz in Whatsapp angefragt, ob noch jemand los will, und ab mit der ersten S-Bahn Richtung Stade. Leere S-Bahnen sind auch einigermaßen coronasicher. In Stade in den Regionalzug nach Cuxhaven. Und nach einer Station aussteigen in Hammah. Vom Bahnhof sind es nur 2km. Es pieselt unerwartet stark. 

Beim Aufbruch hatte ich mir noch überlegt, ob ich überhaupt ein Rad mitnehmen soll. Jetzt bin ich angesichts des Wetter und der kurzen Zeitskala ganz froh, dass es dabei ist. Eine Stange musste auch unbedingt mit, denn die Satellitenansicht zeigte Knickbäume direkt an der Straße, die die Sonde nur mit Glück überquert hatte. Wettersonde.net hatte einen Delay, sonst hätte ich gesehen, dass die Sonde den Knickbaum gestreift haben musste - Sinkgeschwindigkeit 0.5m/s beim letzten Datenpunkt.

Es geht 600m durchs nächtliche Dorf und dann rechts in die schnurgerade Straße "Osterheide". Bevor ich am Ortsausgang ins Dunkle eintauche ein Blick auf den TTGO. Ja, er empfängt das Signal. Die Sonde liegt noch dichter an der Straße als erwartet, und die GPS-Höhe deutet auf eine Lage auf dem Boden hin. Ich finde einen passenden Aufgang auf das Feld. 

Mit der Taschenlampe ist auf dem nassen Mais-Stoppelfeld verwirrenderweise keine Sonde zu sehen. Aber weiter weg glänzt im Lichtkegel  auffällig der weiße Fallschirm. Also rollen wir die Sache heute mal von der Schirmseite auf. 



 

Die Schnur am Abroller geht steil aufwärts, in Richtung auf eine knorrige alte Knickeiche. Ich wandere mit dem Schirm unter dem Arm Richtung Baum und finde die Sonde unter demselben.



 

 

Ich bin nicht sicher, ob die Sonde ursprünglich doch ein paar Meter hoch im Baum hing und ich sie jetzt erst heruntergelassen habe. Ich muss noch einmal schnell zum Rad zurück, ein Messer holen. Danach kann ich die Sonde abtrennen, die komplette Schnur aufwickeln und alles mitnehmen. 

Leider fährt mir in Hammah durch ein dummes Missgeschick der Zug nach Hause vor der Nase weg. Vorteil:  Ich hatte kurz vor dem Ziel im Augenwinkel einen Bäckerladen wahrgenommen, und der hat die Brötchen für das Nach-Sonden-Frühstück. Ein Schwätzchen am Tresen muss auch noch sein - man ist ja auf dem Dorf 😊

Zurück im Zug eine neue Erfahrung: Tatsächlich lässt sich der Schaffner nicht nur die Fahrkarten, sondern auch die Impfzertifikate zeigen 👍 Hätte man mit sowas im September  angefangen, wären wir jetzt in einer ganz anderen Lage. Jetzt aber muss man sich fragen, wie lange solche Sondenbergungsaktionen mit Öffis noch möglich und verantwortbar sind.

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Sonntag, 5. Dezember 2021

Endlich mal wieder!

Seit fast einem Monat habe ich keine einizige Radiosonde gesehen. Die Sonden machten immer einen großen Bogen um den Raum Hamburg, und allerlei berufliche Anspannung kam hinzu. Nach einem Orkan hätte man dringend mal ein paar Baumlander kontrollieren können. In der ersten Dezemberwoche landeten dann aber zwei Meppener Sonden in der Nordheide. Das wäre ja eigenlich was für Uli, aber der steckt im Umzugsstress. So blieben sie liegen. 

Am Samstag stehen zwei Varianten zur Debatte: Baumlandercheck im Raum Lüneburg oder ein Ausflug in die Nordheide. Die Meppener Sonden kann man beide bequem per Rad von den Stationen des "Heidesprinters" erreichen, und am Samstag gilt: "Freie Fahrt für freie Abokartenbesitzer". Da landet die Mitternachtssonde aus Norderney unweit der Heidesprinter-Station Wintermoor im Wald. Eine Heißsondenjagd wäre doch auch mal ganz schön. Noch vor 7:00 radel ich zum Bahnhof Ahrensburg und kann den schnellen Zug nach Hamburg erwischen. Von dort geht es über Buchholz nach Wintermoor. Das Faltrad wird aufgeklappt und los geht es zu dem kleinen Heidedorf Ehrhorn. Hier ist die Sonde in einem Nadelwald gelandet. An einer Fichte unweit der Prediction fixiere ich das Rad. 


 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T3311656
Frequenz: 405.3 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 4.12.2021 00:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe: 29826m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.20 m/s
Landegeschwindigkeit: 7.4 m/s
Landestelle: Ehrhorn LAT, LON:
53.17678,9.89044, Google Maps
Status: Stangenbergung am 4.12.2021 8:47 UT

Methode: Decodierung des Sondensignals (TTGO)

Es ist diesig und will auch nach Sonnenaufgang nicht richtig hell werden. Die Radiosonde sendet einwandfrei und hängt offenbar hoch im Baum, wahrscheinlich in der Krone. Ich kann sie nicht entdecken. Ich beschließe eine kurze Erkundung in Flugrichtung. Da erkenne ich den Fallschirm, der 6-7 Meter hoch in einer Fichte hängt. Aber ohne Sichtung der Sonde mag ich nicht mit der Stange daran ziehen. 

Der TTGO meint, die Sonde hinge 16m hoch. Also nicht im Wipfel, sondern eher auf halber Höhe der Kiefern und Fichten. Wenn das stimmt, ist es  aber zu hoch für die Stange. Jetzt scanne ich noch einmal die infrage kommenden Bäume ab und konzentriere mich weniger auf die Wipfel. Tatsächlich, da hängt sie am Faden. 


 

Ich habe Glück. Die Terrainhöhe ist nach den Internetdaten überall gleich, aber in Wahrheit ist das Gelände recht hügelig. Ich stehe in einer Art Tal, mit Erdwällen links und rechts. Tatsächlich hängt die Sonde über so einem 6-7m hohen Erdwall. Also rauf. Die Stange reicht gerade aus. Die Sonde lässt sich komplett gewaltfrei nach unten befördern. 


 

Offenbar hat sich die Schnur so kurz nach der Landung noch nicht verhakt, und ich ziehe womöglich am anderen Ende den Schirm hoch. Ich kappe die Schnur, und tatsächlich raschelt es drüben umgehend. Der Schirm ist wieder in seine Ausgangsposition heruntergefallen. Mit der Stange kann ich ihn noch problemloser als die Sonde herunterziehen und somit das Gespann komplettt bergen. 

 


 

Nachdem alles verstaut ist: Ein Blick auf die Uhr. Die Züge in Wintermoor fahren alle Stunde. Wenn ich jetzt etwas sprinte, kann ich ihn noch erwischen und damit die Hälfte der Strecke zur nächsten Sonde sparen. Ich komme wenige Minuten vor dem Zug an und fahre eine Station nach Schneverdingen. Von hier sind es noch 10km mit dem Rad. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
S3140024
Frequenz:
405.1 MHz
Timerkill:
keiner
Startstation:
Meppen (WMOID:10304)
Flugdatum:
1.12.2021 9:00Z
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.50 m/s
Maximale Höhe: 23506 m
Landegeschwindigkeit: 9.00 m/s
Track  wettersonde
Landestelle: Lünzen bei Schneverdingen,
LAT, LON 
53.117778,9.664722
Google Maps
Status:
Geborgen am 4.12.2021, 10:39 UT
Methode:
Extrapolation nach Radiosondy-Daten

Die Landestelle ist eine großes Mais-Stoppelfeld. Allerdings hat der Sturm in dem Wäldchen, aus dessen Richtung die Radiosonde eingeschwebt ist, massiv gewütet und auch in dem Knick, der quer über das Feld verläuft. Offenbar haben die Bauern schon mit massiven Baumfällarbeiten mit schwerem Gerät begonnen. Die Auffahrt auf die Koppel ist kaum begeh- oder befahrbar.Wenn die man nicht dabei über die Sonde gestolpert sind. 

 


Für diese Theorie spricht, dass mit dem Fernglas in der fraglichen Richtung nichts erkennbar ist. Erst einmal wird meine Aufmerksamkeit durch etwas anderes abgelenkt: Da hängt an einem 40cm langen Mais-Stopplel ein Mittelspecht und hackt darauf rum, als wäre es ein Baum. Fast lächerlich wirkt das; ich frage mich wirklich, ob es in den Stoppeln leckere Insekten gibt - im Dezember. Am Himmel fliegen Kraniche, und irgendwo muss es dem Geräuschpegel nach einen bei durchziehenden Enten und Gänsen populären Rastplatz geben.

Ich laufe auf die extrapolierte Position zu und werde überrascht. Exakt auf der Prediction liegt - keine Sonde. Aber ein roter Schirm. Der Rest ist einfach.


 





Zurück in Schneverdingen wird es unerwartet hektisch. Eine Mitreisende  fragt mich, ob der Zug nach Hamburg wirklich auf diesem Gleis fährt. Ich werde unsicher. Die HVV-App zeigt keine Gleisangabe. Die App war vor dem letzten Update  so gut, dann wurde das Design komplett geändert auf  Kosten der Funktionalität. Der Aushang zeigt: Ooops, der Zug fährt auf dem Gegengleis, und zwar  in 2 Minuten!! Und mir ist klar, was unser Problem ist: Die Schranken! Die senken sich, als wir in letzter Sekunde noch durchflutschen. Da kommt auch der Zug und droht gleich abzufahren. Sprint mit FFP2-Maske, dabei ein Faltrad tragend, ist keine gute Idee. Irgendwie lernt man dabei, dass Menschen für sowas Sauerstoff brauchen. Auch hier flutschen wir noch in letzter Sekunde durch die sich schon schließenden Türen.

Ich wollte eigentlich in Holm-Seppensen aussteigen, aber bemerke auf dem Weg durch Kartenstudium, dass die Station Büsenbachtal geeigneter ist. Nach 5km Radtour schließe ich das Rad an ein Verkehrsschild und stratze am Rand eines Zwischensaat-Feldes an einem Bauernhof vorbei.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
S3130493
Frequenz:
404.5 MHz
Timerkill:
keiner
Startstation:
Meppen (WMOID:10304)
Flugdatum:
1.12.2021 11:00Z
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.38 m/s
Maximale Höhe: 19342 m
Landegeschwindigkeit: 7.40 m/s
Track  radiosondy
Landestelle: Höpen,
LAT, LON 
53.273851,9.933779 Google Maps
Status:
Geborgen am 4.12.2021, 13:19 UT
Methode:
Tawhiri-Prediction nach Radiosondy-Daten


Die Sonde soll auf der anderen Seite des Knickwalls liegen und versteckt sich ziemlich in dem Grünzeugs. Irgendwann bemerke ich die Schnur. Erst einmal gehe ich, wie üblich, Richtung Schirm, um die Schnur auf der Spule aufwickeln zu können. Sehr zu meiner Bestürzung endet die Schnur im Nichts! 

Was ist das? Treibt jetzt auch in der Nordheide ein Schnurabschneider sein Unwesen? Nein! Da hinten geht die Schnur weiter. Aber auch auch dieses Stück ist nur wenige Meter lang. Insgsamt ist sie in 4 Stücke zerrisen, aber alles ist noch da. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass der Sturm das angerichtet hat. Wahrscheinlicher ist wohl, dass ein Tier, z.B. ein Reh, sich in der Schnur verwickelt hat, sie aber zerreißen konnte.

Fast immer rollt sich die Schnur bei Meppener Sonden nur teilweise ab.








 

Nach der Bergung fieber ich über Whatsapp mit, wie Arne die Norderney-Mittagssonde nach ihrer Landung mitten in Hamburg aus einem Baum zieht. Genau wie ihre direkte Vorgängerin soll sie auch 16m über dem Boden hängen, ist aber dann doch erreichbar.

Ich hatte noch erwogen, einen langjährigen Baumlander im Klecker Wald zu checken, aber den könnte ich erst bei Dunkelheit erreichen. Auch sind es endlich mal wieder über 40km Strecke - es reicht. So geht es zurück nach Büsenbachtal, wo der Heidesprinter wieder - wie immer heute - zeitnah eintrudelt.


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