Montag, 18. März 2024

Sondenberger-Auflauf bei Meilsdorf

Eigentlich möchte ich am Sonntag nach der  AKM-Tagung, an der ich online teilnehme, den Nachmittag in Schmalenbeck verbringen. Die Schleswiger Mittagssonde soll westlich von Kaltenkirchen niedergehen, das passt nicht so ganz in den Plan. Die werden sich andere Sondenfreunde schnappen. Dann aber sehe ich, dass die Nachtsonde einen sehr guten Fallschirm hatte und bis nach Dannenberg schwebte - statt Lauenburg. Ich fütter den sondehub-Predictor mit den gleichen Daten. Und was soll ich sagen: Wenn auch die Mittagssonde so langsam heruntersinkt, liegt die Landestelle exakt IN Schmalenbeck. Also widme ich Schleswig 12Z etwas mehr Aufmerksamkeit.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
V2350922
Produktionsdatum: 2023-06-09
Frequenz: 402.5 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Schleswig (WMOID:10035)
Flugdatum: 17.03.2024 12:00Z
Track
wettersonde.net

Maximale Höhe:
31361m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.24m/s

Landegeschwindigkeit:
2.7m/s

Landestelle: Meilsdorf,
LAT, LON: 
53.621266,10.285766, Google Maps
Status:
komplett geborgen am 17.3.2024,14
:14 UT, Patrick, Arne, Axel, Anita, Hartwig....
Methode:
TTGO-Empfang bis zur Landung

Ich sitze noch in der U-Bahn, als der Ballon platzt. Zunächst sieht es nach Kaltenkirchen aus. Dann nach dem Duvenstedter Brook. Dann springt die Prognose weit nach Osten, nach Trittau. Wenn man berücksichtigt, dass die Prognosen in 13000m Höhe fast immer zu weit zielen, sitze ich in Schmalenbeck ziemlich gut!  Als die Prediction stabil im nur 5km entfernten Papendorf steht, fahre ich los. Es wird sowieso eine Zusammenrottung an der Landestelle geben. Da die Prediction über den gesamten Hamburger Nordwesten und Nordosten sprang, hat fast jeder Interesse angemeldet. 

In Siek angekommen, parke ich das Auto und gucke sicherheitshalber auf die Prediction. Sie springt jetzt zwischen Schmalenbeck - da komm ich gerade her -, der Siedlung am Hagen und dem U-Bahnhof Ahrensburg Ost hin- und her. Also bin ich in die falsche Richtung gefahren! Jürgen meint auf Whatsapp, dass sie mir aufs Haus fallen wird. Als ich dort bin - ist die Prediction an der 4. Achtertwiete in Schmalenbeck, 300m westlich meines Hauses. Als ich dort das Auto parke, liegt sie wieder Richtung Osten, zwischen Siek und Meilsdorf. Ich habe die Schnauze voll von diesem Hin- und Hergefahre. Jetzt geht es definitiv nach Meilsdorf. Die Kreuzung Drift/Alte Landstraße passt ziemlich gut. Vor Ort parkt in einer Feldeinfahrt ein Auto - Anita und Axel erwarten bereits die Landung direkt auf dem angrenzenden Acker. Ein Blick auf die RDZsonde-Prediction spricht für diese Theorie. Noch ein Auto hält. Arne und Patrick, beide sind scharf auf ihre erste Live-Landung! 

Die Sonde ist an uns vorbeigeflogen, soll aber laut Prediction umdrehen und uns vor die Füße fallen. Da sieht jemand einen weißen Punkt am Himmel - der DWD-Fallschirm. Die Sonde ist noch in 1km Entfernung - aber auf dem Weg zu uns - sie hält direkt auf uns zu. Arne macht ein sehr "dokumentarisches" Video, aus dem auch mit Bildverarbeitung nicht viel herauszuholen ist. Aber immerhin erkennt man den Fallschirm als weißen Punkt hinter einer Hochspannungsleitung.

Foto: Arne


Fallschirm, Ballonrest, Sonde sind im Feldstecher wirklich gut zu erkennen, zumal die Sonde sich rasch annähert. Die Flugrichtung stimmt!  Mitunter sieht man sogar die Schnur aufleuchten. Die wird doch wohl nicht etwa in der Hochspannungsleitung enden? 

Da nimmt aber leider die Fallgeschwindigkeit ein wenig zu, so dass die Sonde es nicht zu uns schaffen wird, sondern auf mitten einem sehr großen Rapsfeld landet. Das Feld ist für Stormarner Verhältnisse ziemlich groß. Egal von welcher Seite man kommt, sind es zur Einschlagstelle 400-500m. Wir sehen das Gespann hinter einem flachen Hügelzug verschwinden. Patrick rennt los, je nach Sportlichkeit hecheln wir anderen hinterher. Arne und ich erreichen die Landestelle ein paar Minuten nach ihm. Axel lässt seinen TTGO laufen und dokumentiert die Landung und die anschließende Bergung für wettersonde.net. Ganz Sondendeutschland kann live zugucken.

 

Foto: Patrick

 


Natürlich tragen wir uns wie üblich alle in Radiosondy ein. Und ein Gruppenbild reicht auch nicht:

Foto: Patrick


Foto: Patrick

Patrick ist immer noch euphorisch wegen seiner ersten Live-Landung. Die war zwar etwas "long distance"-mäßig, aber live is live. Und so lädt er uns zu einem Kaffee ein, in der Braaker Mühle, wo es einen langen Sondenjäger-Klönsnack vom Allerfeinsten gibt. 


Foto: Patrick



Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier





Freitag, 8. März 2024

Astrohardy ermittelt - der Fall der abgestürzten Sonde

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
V2930781
Produktionsdatum: 2023-07-19
Frequenz: 402.7 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Sasel
(WMOID:10141)
Flugdatum: 07.03.2024 (12:00Z), Startzeit 10:45UT, Landung 10:49UT(!!)
Track
sondehub.org            DWD

Maximale Höhe:
359.8m (!!)
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 3m/s

Landegeschwindigkeit:
-4.3m/s

Landestelle: Poppenbüttel
LAT, LON:
53.64814,10.09822, Google Maps
Status:
Geborgen am 7.3.2024, 13:36UT. Intakter Ballon mit Gasinhalt.

Methode:
Lokalisiert mit Sonden-GPS (TTGO, RDZsonde). Stangenbergung aus Eiche aus 10m Höhe

Gemeinhin startet Sasel Sonden nur am Mittwoch. So bin ich am Donnerstag sehr erstaunt über den Sondenstart um 10:45UT, den ich auf wettersonde.net eher beiläufig registriere. Ich will mit einer Prediction rasch feststellen, wo das ungefähre Zielgebiet ist - da sehe ich, dass die Sonde schon wieder im Abstieg begriffen ist. Tatsächlich erreicht sie nur eine GPS-Höhe von knapp 360 Metern und landet nach ca. 4 Minuten nur 854m vom Startplatz entfernt. 

Leider haben wir derzeit keine besonders gute Abdeckung des Hamburger Raums mit Empfangsstationen mehr. Um ein Haar wäre die Sonde komplett unbemerkt geblieben. Nur Bernd bei Oldesloe konnte Daten der Sonde in Wettersonde.net und Sondehub einspeisen. In Radiosondy.info kam die Sonde gar nicht vor. 

Natürlich wird die Lage in unserer Whatsappgruppe eifrig diskutiert. Ich kann mich nicht so schnell auf Arbeit loseisen und bin erstaunt, dass niemand bei der Landestelle vorbeiguckt. Wegen des Bahnstreiks muss ich auch erst einmal abchecken, ob man mit vertretbarem Aufwand nach Poppenbüttel kommt. Die Antwort: Die S-Bahn fährt diesmal tatsächlich im Rahmen des Notfallplans alle 20 Minuten dorthin. Am Ende fahre ich nach Hause und dann 20 Minuten später - mit einer 13m Stange und allerlei Bergegeraffel bewaffnet - los. Derweil wird der Fall der abgestürzten Sonde schon auf der wettersonde.net-Telegram-Gruppe eifrig diskutiert. Und der ziemlich einmalige Fall, dass nur ein einziger Funkamateur die Sonde den Flug dokumentierte, gibt zu allerlei Frotzeleien Anlass:

 

     

Für echte "Ermittlungen" muss man erstmal zum "Tatort" kommen. Vom Bahnhof Poppenbüttel sind es nur 800 Meter Fußweg. Eigentlich müsste der TTGO die Sonde bereits empfangen. Aber da ist nichts! Mit einem unguten Gefühl wandere ich los. Erst kurz vor dem Ziel lässt der TTGO doch noch Koordinaten sprudeln. Eine Überschlagsrechnung ergibt, dass die Sonde ca. 10 Meter über dem Boden hängen müsste. 

Die Landezone ist ein Wohngebiet mit Eigenheimbebauung. Ohne Kommunikation mit den Eigentümern geht da natürlich nichts. Bevor man irgendwo auf Verdacht klingelt, sollte man allerdings die Lage gut kennen. Von einem öffentlich begehbaren Fußweg aus ist die Sonde leicht zu entdecken. Sie hängt in einer Eiche, und die vermutete Bodenhöhe erweist sich als richtig.


Die Schnur müsste in luftiger Höhe über den Fußweg verlaufen, aber ich kann sie nicht ausmachen. Dann sehe ich sie aber auf dem Grundstück auf der anderen Seite des Weges hinter einer Hausecke verschwinden. 

Also wird geklingelt. Der Mann ist erst skeptisch und fragt mich, ob ich vom Wetterdienst sei und ich mich ausweisen könne. Diese Frage habe ich bei fast 500 Sonden bisher erst einmal gestellt bekommen. Wie üblich erkläre ich ihm, dass wir das rein hobbymäßig und u.a. aus Umweltschutzgründen tun. Seine Neugier ist geweckt, und er lässt mich ums Haus gehen. Ich kann mich vor Lachen kaum halten, was da unter dem Terrassentisch festgebenzelt ist...

...ein praktisch intakter Ballon mit Gasfüllung. Drinnen ist der Fallschirm fühlbar. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet.

Leider wird die Hoffnung, dass sich die Sonde drüben sich mit der Schnur ablassen ließe, enttäuscht. Die Schnur geht nämlich über einen riesigen Nadelbaum und die Reibung an den Nadeln ist zu groß. Also schneide ich die Schnur durch.

Inzwischen kommt auch die Frau des Eigentümers dazu. Auch sie macht einen interessierten Eindruck. Sie schafft es, durch massives Winken ihre Nachbarn von dem Sonden-Grundstück herbeizurufen. Wieder die Frage nach meiner offiziellen Legimitation, dann auch hier zunehmendes Auftauen nach ein paar Erklärungen meinerseits. Die beiden Bewohner sind im Homeoffice eingespannt und erleichtert, dass ich meine, dass ich die Sonde auch ohne ihre Hilfe herunterbekommen dürfte. Die knappen 10 Meter sollten kein nennenswertes Problem für meine Teleskopstange darstellen. 

Das ganze erweist sich dann doch als etwas schwieriger als gedacht. Die Sonde liegt fast an dem Eichenstamm auf, und es erfordert etwas Konzentration, die Schnur und nicht die feinen reisigartigen Zweige der Eiche einzuhaken.




 Am Ende gelingt es aber doch:




Die LED an der Sonde leuchtet noch! Das bedeutet, dass die Flughöhe nicht ausgereicht hat, dass die Sonde ihren Start registriert hat! Da die Sonde erst nach einem eindeutigen Start ihre Sendeleistung heraufregelt, erklärt das auch das relativ schwache Signal. Inzwischen hat der alte gelbe DWD-Info-Label auch schon einen antiken Flair.

 


Die Grundstücksbesitzer erzählen mir, dass der Ballon ursprünglich auffällig an einem Baum auf dem Nachbargrundstück hing. Die Leute haben dann den Ballon heruntergeholt, auf ihre Terrasse getragen und dort wohl mit der Schnur an ein Stuhlbein geknotet. Dabei haben sie die Sonde einige Meter nach oben gezogen, aber glücklicherweise nicht zu hoch. Die Inhaber des Sondengrundstücks haben die Sonde im Baum entdeckt und sogar den DWD in Frankfurt angerufen (aber da niemandem mit Wettersondenahnung an den Hörer bekommen). Sie haben es auch mit dem Wiedereintritt einiger ISS-Teile, der durch die Medien ging, in Verbindung gebracht. Jetzt sind sie sehr froh, dass sie von dem obskuren Besucher eine  Aufklärung des an sich harmlosen Sachverhalts erhalten.  

Die "Ermittlungen"  konnten dank einer Öffentlichkeitsfahndung ("RS41 ungelöst") erfolgreich abgeschlossen werden. Zwar konnte nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, was den Absturz der Sonde bewirkt hat, aber ein "Abschuss" kann wegen der völlig unverletzten Ballonhülle eindeutig ausgeschlossen werden 😁.




Das ganze erinnert mich sehr stark an eine andere Saseler Sonde, P2611286, die 2020 ebenfalls gleich nach dem Start herunterkam. Sie schaffte aber immerhin eine doppelt so weite Strecke und erreichte 745m Höhe. Sie war übrigens die erste Sonde, die ich mit einem TTGO erbeutete - diese kleinen Helfer waren damals noch brandneu. Auch war dieser Ballon ganz normal geplatzt, nur eben in 1700m Höhe.

Dann war da noch P2531126, eine Saseler Sonde aus dem Jahr 2019. Die erreichte immerhin 2900m Höhe und landete nach einem kurzen Flug in Hamburg-Berne. Ich war ca. eine Stunde danach vor Ort, wo nichts mehr sendete und nichts mehr zu finden war. Es gibt Hinweise dafür, dass hier ebenfalls ein intakter Ballon heruntergekommen ist.

Übrigens erfolgte heute in Sasel umgehend ein Nachstart. Diesmal wurde eine Sasel-typische Höhe von 25km erreicht. Und Axel konnte auch diese Sonde in der Wedeler Marsch bergen. Er musste dazu breite Gräben überwinden und erhielt dazu wertvolle Hinweise von Ortskundigen aus unserer Whatappgruppe. 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier

Nachtrag: Bernd machte mich freundlicherweise darauf aufmerksam, dass der DWD die Sonde natürlich auch empfangen und die Daten auf der Rasomon-Seite bereitgestellt hat. Der Empfang der DWD-Sonden geschieht ausschließlich von der Startstation aus, die ja in diesem Fall nicht einmal einen Kilometer  von der Landestelle entfernt lag. Und daher haben sie sogar Positionen der Sonde im Baum erfasst (Track: hier). Sie haben den Empfang um 10:53UT, also 4 Minuten nach der Landung, abgeschaltet.
Rasomon hat einen Fehler in der Koordinatenaufbereitung, der sich im Laufe des Sondenfluges 
aufsummiert und bei einem normalen Sondenflug zu massiven Positionsfehlern führt (bis zu mehreren Kilometern). Das macht die Seite für den Sondenjäger unattraktiv. Im vorliegenden Fall eines kurzen Hopsers ist der Fehler aber noch nicht relevant.