Sonntag, 23. Februar 2025

Zwei Sonden aus Hamburg

20.2.2025

 

Am Donnerstag startet die Uni-Hamburg unerwartet zwei Radiosonden. Zunächst ist der Urheber unklar, denn der Startplatz liegt auf dem Heiligengeistfeld - das ist der Austragungsort des Hamburger Doms. Momentan ist der Frühjahrsdom noch nicht aufgebaut, und somit ist das  Feld eine große freie Betonfläche. Diese günstige Gelegenheit ist wohl der Grund, warum die beiden Sonden dort gestartet sind. Ich habe den Startplatz nach dem zweiten Start aufgesucht, aber die Urheber der Sonden haben offenbar die Szene bereits verlassen. Seriennummern und Frequenz stimmen aber mit bisherigen Starts der UHH gut überein.



Die erste Sonde landet in der Feldmark bei Lübtheen. Das Signal kann vom Zernien-Tower noch nach der Landung empfangen werden. Interessant und befremdlich ist, dass die Sonde in den ersten Sekunden nach dem Aufschlag vom Boden aus sendet, um dann sich plötzlich in ca. 20m Höhe zu verlagern. Offenbar ist die Sonde vom Fallschirm in einen der Bäume eines direkt angrenzenden kleinen Wäldchens gezogen worden. Bermerkenswert ist auch die Verwendung eines Killtimers mit der asozialen Einstellung von 210 Minuten, die uns zunächst sehr verwirrt. Rückblickend wollten die Leute für den Fall eines Floaters den Betrieb der zweiten Sonde auf derselben Frequenz ermöglichen. 

Die zweite Sonde hat keinen Killtimer. Sie landet nicht weit entfernt von der ersten. Obwohl das Landegebiet ziemlich weit weg ist, bin ich neugierig. Die Sonden hat immerhin die mein Arbeitgeber gestartet. So plane eine Tour für den Samstag.

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V0810583 
Produktionsdatum:2023-02-20
Frequenz: 403.93 MHz
Timerkill:
210min

Startstation:
Uni Hamburg (Heiligengeistfeld
)
Flugdatum: 20
.2.2025 11:00Z
Track
wettersonde.net

Maximale Höhe:
18059m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.51 m/s

Landegeschwindigkeit:
2.9m/s

Fundstelle: Lübtheen,
LAT, LON:
53.3091,11.04341  Google Maps
Status: Baumlander in 20-25m Höhe

Methode:
Empfang und Decodierung des Sondensignals via Tower Zernien


22.2.2025 

Schlagartig ist das eisige Wetter mit Nachttemperaturen unter -10°C warmer Frühlingsluft gewichen, und auch Nebenstrecken sind nicht mehr überfroren. Ich starte die Radtour vom Bahnhof Pritzier, den ich bereits kenne. Es geht stramm südlich bis zu der Ost-spezifischen Ortsbezeichnung "Ausbau", dann über eine Nebenstraße westwärts. Hinter Brömsenberg brömse ich und fahre südwärts über einen auf den ersten 200m stark durch Waldmaschinen ruinierten Wirtschaftsweg. 800m von der Landstelle entfernt schließe ich mein Fahrrad an und es geht zu Fuß über einen Nebenweg direkt Richtung Sonde. Diese hängt laut Koordinaten am Südrand des Wäldchens. Der Baum ist eindeutig identifzierbar. Aber ich kann keine Sonde erkennen, und auch Schirm und Schnüre sind nicht zu sehen. Ich bin nach einiger Zeit fast sicher, dass hier jemand schneller war. 

Dafür entdecke ich eine Wildkamera. Hier empfiehlt sich freundliches Lächeln für ein schönes Porträt. 

Irgendwann erblicke ich dann doch die Sonde in dem Baum, leider deutlich mehr als 20m über dem Boden. 



 

Mit dem Fernglas entdecke ich die Schnur. Sie führt über die von der Wildkamera überwachte Fläche in luftiger Höhe in einen weiteren hohen Baum, in dem - ebenfalls sehr unauffällig und noch höher - Ballonrest und Fallschirm im Geäst verhakt sind.



Hier könnte man allenfalls mit dem Bigshot die Schnur überschießen, wobei unvermeidbar die Jäger die komplette Aktion auf Video bestaunen dürften. 

Auf dem Rückweg zum Rad ist der Himmel phasenweise voll mit ziehenden und laut rufenden Kranichen. 

Den schlammigen Wirtschaftsweg möchte ich nicht zurück fahren. Also geht es weiter nach Lübtheen, und von da aus auf dem Radweg nach Ausbau. Hier fahre ich dann Richtung Belsch, wo die zweite UHH-Sonde auf einem Acker niedergegangen ist.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
V0810580
Produktionsdatum:2023-02-20
Frequenz: 403.93 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Uni Hamburg (Heiligengeistfeld
)
Flugdatum: 20.2.2025
15:00Z
Track
wettersonde.net

Maximale Höhe:
21869m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.1 m/s

Landegeschwindigkeit:
6.8m/s

Fundstelle: Belsch,
LAT, LON: 
53.33443,11.20955  Google Maps
Status: Geborgen am 22.2.2025
, 15:10 UT

Methode:
Empfang und Decodierung des Sondensignals via Tower Zernien

Die letzten Koordinaten via Zernien-Tower waren auf Grasnarbenhöhe, so dass auch hier die Landestele exakt bekannt ist. Ich bin nach den Erfahrungen mit den Manöver-DFMs der letzten Zeit pessimistisch.  Aber schon aus großer Entfernung zeigt sich mal wieder, dass fröhlicher Optimismus besser für das Wohlbefinden ist. 

 

 













Die Bergung ist sehr simpel. Nicht weit entfernt liegt die Landestelle einer der Manöver-DFMs, D17053026 . Auch die ist per Tower genau lokalisiert. Ich checke die Position - natürlich ist die Sonde weg. 

Nun gilt es angesichts des schwindenden Tageslichts, den Heimweg anzutreten. Ich beschließe statt einer Rückfahrt nach Pritzier den kürzeren Tripp zum Bahnhof Hagenow Land. Offenbar fahren die Züge heute nicht stündlich, sondern wegen irgendwelcher Bauarbeiten nur alle 2 Stunden. Und ich mache einen Fehler: Ich nehme nicht die Route, die ich eigentlich ins Auge gefasst habe, sondern lasse mich von Locus Routenplanung überreden, eine 2km kürzere Strecke zu wählen. Die Hoffnung ist, dass ich so noch sicherer den nächsten Zug erwische und mir längliche Wartezeiten auf dem Bahnhof erspare. Die Route geht zwar durch den Wald, ist aber mit "ESR" markiert. Das steht für Elbetal-Schaalsee-Rundweg, eine bekannte empfohlene Radroute. 

 Schon die Strecke bis Redefin - einem irgendwie gearteten Pferdenarr-Treff mit Gutshaus-Flair - hat es in sich. Der Weg ist schlecht und mit kleinen Rädern kaum befahrbar, zumal man den matschigen Forstweg mit einer Flotte von SUVs teilt - offenbar die Pferdebesitzer. Die Verkehrsdichte wird direkt am Gut extrem, und auf dem gutseigenen Parkplatz ist die Blechlawine zu bestaunen. Hinter der B5 beginnt die ausgeschilderte Fahrradroute als schmale Kopfsteinpflasterstraße. Nicht aus Kaisers Zeiten, sondern noch vom alten Fritz. Und zwar die orginale Bausubstanz -  niemals ausgebessert. Mit 16-Zoll-Rädern kann man sie nicht befahren. Nach 300m Schieben wird es besser, weil rechts neben der "Straße" ein von anderen Fahradfahrern festgefahrener Pfad wieder Radfahren erlaubt.  Noch habe ich wenig Zeit verloren. Einigermaßen zügig geht des den nächsten halben Kilometer voran. Das ist auch gut so. Es ist Zeit, das Ziel zu erreichen. Es ist stockdunkel.

Dann aber mutiert die Strecke zu einem schlimmen Waldweg.  Jede Pad in Namibia ist besser. Wechselseitig: Steine, Schlaglöcher, Reste ehemaligen Kopfsteinpflasters (bronzezeitlich), flächendeckender Schlamm, feinster Sand. Fahren, schieben, fahren, schieben. Glücklicherweise besitze ich eine vernünftige Radbeleuchtung. Natürlich würden größere Räder helfen, aber auch mit meinem 28" Tourenrad könnte man das Zeugs nicht wirklich befahren. Teilweise käme man mit einem Mountainbike durch, aber nur mit ausreichend breiten Reifen. Das hier als Fahrradroute für Touristen zu empfehlen - ich weiß nicht... Ich muss jedenfalls sehr aufpassen mich nicht auf die Schnauze zu legen.

Dann wird der Weg noch "etwas" schlechter, weil offenbar kürzlich allerlei Waldmaschinen darauf unterwegs waren. Linkerhand ist alles abgeholzt. Schieben ist jetzt nicht mehr möglich - da hilft nur Tragen. Irgendwo grunzt es im Dunklen. Erst auf dem letzten Drittel der Strecke durch den Wald kann man wieder teilweise fahren, allerdings nur im ersten Gang und mit einer Geschwindigkeit von 6-10 kmh. Irgendwann erreiche ich wieder Asphalt. Als ich in Hagenow-Land ankomme, ist mein Zug natürlich längst weg. Also warte ich dort 1.5 Stunden, bis die nächste Bahn nach Hamburg ankommt. An Bord feiern Rostock-Fans ihren Sieg über Dresden im friedlich-feucht-fröhlichen Stil. Gegen 22:30 bin ich wieder zuhause. 

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Donnerstag, 13. Februar 2025

Nachts bei Schneefall auf der Wiese

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V4740714
Frequenzen: 402.5 MHz
Timerkill: keine
Startstation:
Schleswig (WMOID:10035)
Produktionsdatum: 2023-11-23
Flugdatum: 13.2.2025 0Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe: 31953m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.93 m/s 
Landegeschwindigkeit: 4.0 m/s
Landestelle: Hammoor
LAT, LON:
53.7168,10.35027 Google Maps
Status: Geborgen am 13.2.2024, 4:41UT

Methode: Decodierung des Sondensignals per TTGO; RDZsonde.  
 

Diese Sonde landet am frühen Morgen bei Hammoor. Ich bin gerade in Schmalenbeck, knapp südlich der Landestelle. Mein Auto steht gerade nicht zur Verfügung, also wird das 28" Fahrrad aus der Garage geschoben. Die Luft ist eisig, aber mit enstprechenden Kaltklamotten ist das kein solches Problem. Nach 13 Fahrradkilometern bin ich am Ziel. Die Landestelle hat Bernd mit seinem Empfänger bei Oldesloe fast perfekt bestimmt - seine letzte Höhe lag nur knapp über dem Boden. Ein Empfang vor Ort wäre also entbehrlich. Dennoch starte ich meinen TTGO, und der bestätigt: Die Sonde sendet noch, und Bernds letzte Position liegt nur ca. 8m von der Landestelle entfernt. 

Also stapfe ich bei Dunkelheit und beginnendem Schneefall über die Wiese. Im Schein der Taschenlampe erscheint dann ein rundliches blaues Objekt - der Schirm. 

 



Die Sonde ist einfach einzusammeln, diese Bergung ist easy.







 Als ich das Fahrrad wieder erreiche, schneit es immer heftiger, und noch heftiger während der Rückfahrt. Allmählich bildet sich eine dünne Schneedecke. Jetzt gilt es, glatt nach Hause zu kommen - aber nicht zu glatt! Also muss ich ein wenig aufpassen: Vorausschauend fahren, im absoluten Bedarfsfall vorsichtig mit der Hinterradbremse arbeiten, sonst kann man rasch die Traktion verlieren. Die entgegenkommenden Autos schlingern zum Teil bedenklich. Andererseits darf ich aber auch nicht zu langsam fahren - denn die Schneedecke wird rasch dicker, und irgendwann sollte ich besser nach Hause kommen. Kurz vor dem Ziel, als ich sicher am Bahnhof Schmalenbeck vorbei radele, haben die Läden schon auf. Schnell ein paar Frühstücksbrötchen erstehen - zuhause gibt es dazu eine schöne große Tasse Kaffee. 


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Montag, 10. Februar 2025

Eine ungeplante Warmsondenjagd

Das Wetter am Sonntag lockt zu einer längeren Radtour. Ein gutes Ziel könnte eine Bergener Sonde bei Dannenberg abgeben. In der Region ist zwar ein großer Unbekannter aktiv, der aber von Baumlandungen abgeschreckt wird. Bei der Gelegenheit könnte man auch eine Manöver-DFM im Wald bei Hitzacker versuchen. Vielleicht ist die ja noch da? Also nehme ich mein Faltrad in die linke Hand, den Rucksack auf den Rücken, und die 14m-Teleskopstange über die Schulter und eile mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof. 

Da der Anschluss der Wendlandbahn in Lüneburg knapp ist, nehme ich lieber den etwas früher fahrenden Bummelzug. Und? Der fährt heute nur bis Winsen. Grund ist eine Baustelle. Also warte ich eine halbe Stunde auf die schnelle Verbindung. Im Zug vergleiche ich die Apps: Die HVV-App hat kein Problem mit der angedachten Verbindung. Die DB-App aber schon! Der Wendlandzug fällt nämlich offenbar aus. Es gibt einen Ersatzbus! Der braucht bis Dannenberg deutlich länger. Ich checke die Rückfahrt. Wie Bahn fährt ja der Ersatzbus nur 4mal am Tag. Kurz vor 13:00 werde ich in Dannenberg sein. Wenn man den Ersatzbus um 16:00 - was bei 20km Strecke und möglichen aufwändigen Baumbergungsverzögerungen sportlich wäre - nicht mehr erreicht, kann man immer noch den Bus um 19:00 nehmen. Dann fiele man mitten in eine Vollsperrung der Bahnstrecke Lüneburg-Hamburg und wäre erst kurz vor Mitternacht daheim. Das zeigt diesmal nur die HVV-App. So eine Odyssee hat mit einer entspannten Radtour nichts zu tun.

Also bleibe ich in Lüneburg an Bord und disponiere um. Ich werde in Uelzen in die Bahn Richtung Magdeburg steigen, in Wieren den Zug verlassen und dann schnell die Bergen-Sonde von heute Nacht einsammeln. Das ist zwar keine längere Radtour, aber immerhin sinnvoller als eine sofortige Heimfahrt. Kurz vor Uelzen ein schneller Check in Radiosondy: DG5SUX hat die Sonde vor ein paar Minuten geborgen.

Was mach ich angesichts der Lage jenseits der HVV-Erdscheibe? Im Zug bleiben. Ich könnte weiter südlich im Wald nach zwei weiteren Manöversonde suchen. Zwar ist die Chance gering, denn bisher hatte ich angesichts der Aktivitäten eines nicht eintragenden Kollegen viel Pech. Aber sofort umkehren mag ich auch nicht wirklich. 

Also steige ich in Suderburg aus und radele los. Die Strecke geht für norddeutsche Verhältnisse stark bergauf, und ich muss ziemlich strampeln. Nach ca. 12km erreiche ich den Wald bei Breitenhees, in dem D18083547 gelandet ist. Immerhin waren die über den Tower in Zernien empfangenen Positionen recht bodennah - was im Hinblick auf den großen Unbekannten gar nicht so gut ist. Ich checke die Stelle: Wie üblich findet sich keine Spur der Sonde. 

Was tun? Gleich zu D1802299 weiterfahren und mich noch einmal frustrieren lassen? Ich gucke unentschlossen auf wettersonde.net. Da schwebt doch tatsächlich im Raum Unterlüss die Bergener Mittagssonde am Himmel! Sie dürfte keine 8km von mir entfernt im Wald niedergehen. Ich plane schnell eine Route auf Locus. Ich muss einfach nur den Waldweg weiterfahren, an dem mein Rad gerade parkt und wäre dann in Hösseringen. Dort links abbiegen, in den Wald vorstoßen und nach 10km Fahrerei die Sonde abgreifen. Das ist doch ein Plan! Mal etwas anderes als der bisherige ÖPNV-Kaltsonden-Frust! Los geht es! 

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
U3410090
Produktionsdatum: 2022-08-22
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill:
5h:00m

Startstation:
Bergen
(WMOID:
10238)
Flugdatum: 09.02.2025 (12:00Z)
Track
wettersonde.net und Sondehub

Maximale Höhe:
26322m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.01m/s

Landegeschwindigkeit:
3.7m/s

Landestelle: Unterlüß,
LAT, LON:
52.83649,10.36764 Google Maps
Status:
Geborgen am 09.02.2025 16:20UT
Methode:
Decodierung des Sondensignals per TTGO (RDZsonde). Komplexe Stangenbergung


Die Strecke bis Hösseringen ist ein gut befahrbarer Waldweg, zu dem man sogar links und rechts eine schmale, aber feste Spur für die Radfahrer angelegt hat. Auch geht es erholsam bergab. Hinter Hösseringen verlaufen die Waldwege in den durch Brandschutzschneisen, die man nach der Feuer von 1975 angelegt hat. 


 

Irgendwann schalte ich den TTGO an und habe sofort Empfang. Die Sonde sollte laut Karte in ca. 12m Höhe direkt am Wegrand baumeln. Vor Ort ist der Befund leider ernüchternd. Der große Unbekannte, den ich vor Ort gerne getroffen und in unsere Whatsappruppe eingeladen hätte, hat heute offenbar etwas anderes vor. Zudem ist auf den ersten Blick von der Sonde nichts zu sehen.

Also muss man genauer nachsehen. Weit oben in der Kiefer glänzt etwas Helles. Das ist die Sonde, die auf einem dick benadelten Ast aufliegt. Leider in 20-25m Höhe - außerhalb meiner Stangenreichweite. 

 


 

Ich verfolge mit dem Fernglas die Schnur. Die kreuzt die Brandschneise und verschwindet in ebenfalls in luftiger Höhe in einem Baum auf der anderen Seite. Die Fortsetzung der Schnur ist unsichtbar, vom Fallschirm ist trotz längerer Fernglassuche nichts zu sehen. Der dürfte wohl ganz oben auf irgendeiner Kiefernkrone aufliegen. Das ist alles nicht wirklich schön. Ist da wirklich gar kein Rankommen?

Mir fällt auf, dass die Schnur über der Schneise ziemlich durchhängt. Das liegt daran, dass die Sonde ja auf dem Ast aufliegt und daher die Schnur nicht durch ihr Gewicht straffen kann. Und das ist meine Chance. Denn an der tiefsten Stelle kommt die Sondenschnur in die Reichweite der Stange.

Also greife ich die Schnur mit der Stange und ziehe sie vorsichtig abwärts. Die Schnur strafft sich etwas, läuft aber weiterhin frei. Dann ist da ein Anschlag. Ich checke die Lage mit dem Fernglas - die Sonde hat sich von dem Ast gelöst und berührt jetzt die von unten die Astgabel. Bloß jetzt nicht weiterziehen, dann verklemmt sie sich und kommt nie mehr runter. Wenn ich die Schnur nachlasse, sackt die Sonde sofort abwärts und liegt wieder 2-3m tiefer brav auf dem Ast. Irgendwann löst sich der Haken von meiner Stange. Das ist gut so, denn ich arbeite wie immer mit der Leinen-Hakentechnik. Jetzt habe ich die Sondenschnur an der Leine und kann die Stange anderweitig einsetzen. Zum Beispiel könnte ich die Sonde nach oben ziehen, mein Schneidetool an die Stange montieren verwenden und damit die Sondenschnur durchtrennen, ohne Gefahr zu laufen, die Sonde in der Astgabel zu verklemmen. Dann kann ich nur noch hoffen, dass sie dann am Ast abprallt und nach unten segelt. 

Ich verwende das Schneidetool. Die Sonde prallt auf den Ast. Sie bleibt auf ihm liegen. 25m über dem Boden. 

Aber jetzt hängt das abgeschnittene Ende Sondenschnur vom Baum herunter. Ich kann es mit der Hand ergreifen und daran ziehen. Ich versuche, durch vorsichtige ruckartige Armbewegungen die Sonde oben zum Pendeln zu bringen, aufzuschaukeln und dann schlagartig abzulassen, auf dass sie einmal den Ast verfehlen möge. Und beim zwölften Versuch gelingt es. Noch einmal mit dem Glas checken: Die Sonde hängt jetzt NEBEN dem Ast! Ich lasse die Schnur los und verfolge das Geschehen gespannt. Und die Sonde fällt vom Baum!

 


 


Auf der Schirmseite hängen Haken und Leine noch in der Sondenschnur. Kann ich denselben Trick auch dort zur Aufführung bringen? Ich ziehe an der Schnur. Oben raschelt es! Da wird ein großer Ballonrest sichtbar. Ich kann ihn sogar ein wenig an der Schnur ablassen - der Fallschirm hängt aber in 25m Höhe fest. Also ziehe ich noch einmal. Mir gelingt es, den Fallschirm einen Baum weiter zu ziehen. Jetzt hängt der Ballonrest deutlich niedriger, aber wieder verhakt sich der Fallschirm in Kiefernzweigen.


 

Mit der Stange könnte es aber vielleicht gerade so reichen. Aber nein, die Reste hängen leider noch immer zu hoch. Ich muss den Versuch fünf Stangenbergungsversuche später aufgeben. Zwar kann ich den Zipfel des Latex mit der Stange gerade so berühren, aber nicht vernünftig aufwickeln oder einhaken. Und der Fallschirm, in dessen Leinen der Haken sich gut festkrallen könnte, hängt 2m über dem Ende meiner Stange. Es wird schon dunkel. Hier muss ich aufgeben.

So radle ich den Brandschutzschneisenweg weiter bis zur Bundesstraße. Den Radweg dort kenne ich bereits. Er ist in den 1960ern gebaut worden und hat noch nie einen neuen Belag gesehen. So geht es schlechter voran als auf den Waldwegen. Ich erreiche Unterlüß und kann mit dem Metronom eine problemlose Rückreise antreten. 


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Donnerstag, 6. Februar 2025

Die Bergungschance beträgt 8,3%

Ende Januar 2025 beginnt auf dem Truppenübungsplatz Bergen ein Artilleriemanöver. In regelmäßigen Abständen starten DFM-Manöversonden, meist das Modell DFM09. Zielgebiet ist zeitweise das Wendland, aber auch das Gebiet nördlich der Elbe. Man kann die Sonden bis zur Grasnarbe mit dem SDR von Zernien mitschneiden - zum Teil sogar nach der Landung. Von daher sind die Landestellen bekannt. Ich entschließe mich am Samstag  zu einer Tour durch das Landegebiet. Das scheint aussichtsreich, zumal bisher niemand irgendeinen Fund eingetragen hat. Also fahre ich in aller Frühe mit dem Wendlandbus von Uelzen Richtung Lüchow. An der Station Diarehm Kniepenkrug verlasse ich den Bus, klappe das Rad auseinander. Bis zur ersten Landestelle ist es nicht weit. Die liegt direkt am Weg. Nirgends liegt eine DFM09 herum. D17050473 ist weg. Wahrscheinlich hat sie ein Spaziergänger abgegriffen, denke ich. 

Weiter gehts. Auch die Landestelle von D17053312 ist gut bekannt. Dort liegt aber auch keine Sonde. Dafür führen frische Fußspuren bis direkt zur Landestelle. Weiter fahre ich auf wunderbaren Wirtschaftswegen Richtung Dannenberg. Überall gucken Rehe aus den Zwischensaatfeldern, überall sieht man Kraniche am Wegrand stehen. Und am Ortsrand ergibt sich das übliche Bild an der Location von D17052725.

Die Wendlandbahn, diese eingleisige Strecke am Rande der HVV-Erdscheibe, verkehrt nur alle 3-4 Stunden. Soll ich hier ewig auf den Zug warten oder die Tour fortsetzen? Ich fühle mich nach knapp 30km sehr frisch, das Wetter ist prima, das Radfahren bringt Spaß. Also geht es weiter zur Elbbrücke bei Dömitz. Von oben hat man einen tollen Blick über die Elbniederungen, auf die Reste der zerstörten Eisenbahnbrücke. Vor dem zweiten Weltkrieg verband hier Deutschlands längste Flussbrücke die Wendlandbahn mit dem Eisenbahnnetz der anderen Elbseite. Die Brücke wurde in den letzten Kriegstagen zerstört, nach der Wende wurde der Bahnanschluss von Dömitz gekappt. Dömitz hat zwar einen ZOB, aber die Rufbusseuche hat die Sinnhaftigkeit des ÖPNV in der gesamten Region beendet. Ich aber habe ein Faltrad, und das bringt mich bequem durch die Infrastrukturwüste. 

 Mein Weg führt weiter nach Neu Kaliß. Dort lag mal D17051744. Vielleicht war der unbekannte, nicht eintragende Kollege nördlich der Elbe nicht aktiv? Doch! Wieder die bekannten Fußspuren. Zurück geht es nach Dannenberg, wo ich auf den Wendlandzug warte. Fast 60km Radfahrt, 4 auf wenige Meter genau bekannte Landestellen besucht, 0 Funde. 

Am 4.2. sind immer noch Manöversonden unterwegs. Ich schneide sie neben der Arbeit wieder mit. Das Landegebiet driftet lansam vom Raum Eschede aus nach Norden, bis in die unmittelbare Nähe des Sendemastes. Meist kann man das Signal nach der Landung noch im Wasserfall sehen.  Bei D18083545 reicht es gerade eben nicht zur Decodierung. Die Position ist auf freiem Acker. 4 Minuten nach der Landung wird das Signal schlagartig stärker. Zilog kann 2 Positionen decodieren. Und dann ist das Signal schlagartig weg. 

Da gibt es nur eine Erklärung: Jemand hat die Sonde aufgenommen, angehoben und routiniert ausgeschaltet. Da ein Spaziergänger den versteckten Schalter nicht so schnell findet, kann das nur ein Sondenjäger sein. Eingetragen hat der nichts. Auch Sven (EDDB) hat am selben Spätnachmittag spaßeshalber ebenfalls den Tower genutzt und Landephasen mitgeschnitten. Was soll man sagen: Er beobachtet den gleichen Vorgang auch bei D18071656, D18071213 und D19007882, jeweils wenige Minuten nach dem Touchdown. Wir können hier also dem  Unbekannten (RRUSH = REALLY rapid unidentified sonde hunter alias Göhrde-Sucher) tatsächlich bei der Arbeit zugucken. 

Axel ist trotz dieser Meldungen am Tag darauf trotzdem entschlossen, den nördlicheren Teil des Gebiets abzusuchen. Man kann es kurz machen: Bei den Sonden, bei denen Sven und ich die Aktivität des Unbekannten radiotechnisch verfolgt hatten, liegt wie erwartet nichts mehr. Auch D18082780 bei Hanstedt 2 ist weg. 

Ich kann mich freimachen und werde angesichts der Lage eher mein Glück im Raum um Eschede versuchen. Vielleicht gibt es so weit im Süden weniger anonyme Konkurrenz. Natürlich nicht! Beide Sonden sind weg. Die erste (D18083507) sollte am Rand eines Wohngebiets in der Feldmark liegen. Der Acker hatte sich aber  eine brummende Neubaustelle verwandelt. Die andere (D18082324) lag auf einem Stoppelfeld. Eine frische Reifenspur ziert den nahe gelegenen Feldweg, und die Sonde ist natürlich auch weg. 

Wenn man Axels und meine vergeblichen Suchen zusammennimmt, so sind das 11 Sonden, null Funde. Ich gönne wirklich jedem seinen Radiosondenfund. Es muss toll sein, mit dem Auto mit der Welle der landenden Radiosonden mitzuschwimmen und eine Sonde nach der anderen einzusammeln. Aber wie wäre es danach mit einem Eintrag bei Radiosondy? Auch auf unserer Whatsappgruppe der Unbekannte natürlich willkommen. Wir freuen uns dann mit ihm über seine Funde. 

In Uelzen verlasse  ich den Zug und fahre in den Stadtwald. Dort sendete gestern bis nachts noch D18080404 aus luftiger Höhe. Die wird ja wohl hoffentlich noch da sein.

Sondentyp: DFM09
SN:
18080404
Frequenz: 403.85Mhz
Timerkill: keiner
Startstation:
Bergen (Manöver) (WMOID:-)
Produktionsdatum: 2018
Flugdatum: 4.2.2025 13:09-14:46Z
Track Wettersonde/TowerPower Mix
Maximale Höhe: 13536
m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.37 m/s 
Landegeschwindigkeit: 3.48 m/s
Landestelle: Uelzener Stadtwald
LAT, LON:
52.98738,10.5186 Google Maps
Status: Geborgen am 5.2.2025, 1354:UT

Methode:
Signal nach der Landung decodiert via db0dan, Kaltsondenbergung


Und tatsächlich werde ich nicht enttäuscht. Schon vom Weg aus sehe ich sie in 6-8m Höhe am Baum hängen.





 

Der Fallschirm ist nicht zu erkennen, offenbar liegt er oben auf dem Wipfel einer der hohen Fichten auf. So bleibt nichts weiter übrig, als die Sonde mit der Stange zu bergen. Oben raschelt es, aber leider kommt der Schirm nicht mit. 

 

 


 


Nachdenklich radel ich zurück nach Uelzen. 2 Sondenjäger, 12 Radiosonden, 80km Radfahrt, etliche Liter Sprit, eine Bergung. Man muss nicht immer einen Erfolg einer Sondenjagd erwarten, sonst wird es ja langweilig. Aber bei diesem Manöversondensturm lag die Erfolgsquote in den unendlichen Weiten zwischen Uelzen, Celle und Dömitz liegt bei 8.3%, und  das ist suboptimal.

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