Freitag, 29. September 2017

Drei Sonden auf gleicher Frequenz

André Wulff machte mich per Whatsapp auf einen ungewöhnlichen Testflug aus Pinneberg aufmerksam. "Gerade schweben 3 Sonden aus Pinneberg ein. Ich kann erst ab 19:00. Wollen wir nachher los?"

Ich guckte auf die Bremer Seite. Tatsächlich: Die drei Sonden waren im Halbstundentakt gestartet, machten wegen Flaute kaum Strecke, und es war absehbar, dass sie in erreichbarer Nähe landen würden Ich selber hatte am Morgen erfolglos Sonden gejagt, saß jetzt auf Arbeit und konnte auch frühestens um 19:00 übehaupt los. Erstmal die 3 Sonden verfolgen. Bremen hatte derweil die erste Sonde vorzeitig verloren. Landung laut Vorhersage in einem Teich. Die zweite Sonde war auch schon auf dem Weg nach unten.

Ich hielt aus dem Institutsfenster eine Antenne, und konnte noch gerade verfolgen, wie die Sonde landete. Da die Sonden aber alle auf der gleichen Frequenz sendeten, blieb das Signal gleich stark, und Sondemonitor schaltete einfach auf die nächste Sonde um. Das Geräusch war jetzt weniger knarzig als vorher. Die Landung der zweiten Sonde konnte ich noch verfolgen.
Ich habe dann immer die Daten durch den Zilog-Decoder gejagt und  eine Habhub-Vorhersage gerechnet, und am Ende André zugemailt. Der hatte aber auch schon gemerkt, dass er wohl erst nach Dunkelheitsanbruch vor Ort sein würde, und lieber auf den Ausflug verzichtet. Ich selber war hundemüde und hatte auch keine rechte Meinung.

Aber nächsten Morgen ist André, der Urlaub hat, dann losgefahren. Sonde Nr. 3 (N1223474) war sein erstes Ziel. Sie war auf einem freien Feld südlich von Bargteheide gelandet, und es war eigentlich nur die Frage, wie hoch der Mais dort stehen würde. Und dann erhielt ich folgende Whatsapp:


Ich fragte zurück, ob er die Sonde Nr. 2, N1053062, auch versucht hätte. Die war mitten in Bargteheide niedergegangen. Er schrieb aber zurück, dass die wohl sicher nicht mehr dort liegen würde, und er fuhr zurück nach Hause. Das klang realistisch.

Am Abend guckte ich mir an, wie die Lage in Bargteheide auf Google Earth genau aussah. Die vorhergesagte Landstelle befand sich nicht weit vom Bahnhof, mitten im Ort. Aber mitten im Ort gab es Wiesen. Und auf einer lag die errechnete Landesstelle, aber leider ganz knapp am Rand der Wiese. Ein Knickwall mit hohen Bäumen grenzte das  Feld zu dem Sportplatz einer Schule und zu einem Schulgelände ab. Die Frage war: Wiese, Baum, Sportplatz oder Schule? Letzteres erschien unwahrscheinlich. Ich rechnete mit "Baum", da die Flugrichtung der Sonde genau durch den Knick führte. Andrés Pessimismus, die Sonde hätte bestimmt schon jemand entsorgt,  teilte ich nicht: Pinneberger Gespanne sind mangels Fallschirm nicht sehr auffällig, schon gar nicht im Baum. Die Frage war eher: Würde man rankommen?

Der Zug brachte mich schnell nach Bargteheide, und vom Bahnhof waren es keine 500m zu Fuß.

Die Wiese war frei zugänglich, dort wurde gerade ein Hund von seinen Besitzern bespaßt. Auf der Wiese selbst lag nichts. In den Bäumen auf den ersten Blick auch nichts. Vor dem Sportplatz war einmal ein Gestrüpp aus Brombeeren und Brennnesseln, dann ein wassergefüllter Graben, dann der Knickwall, dann ein Metallgitterzaun. Bevor ich erforschte, ob man vom Schulgelände aus eventuell auf den Sportplatz gelangen konnte, habe ich die Bäume mit dem Fernglas im Kometensucherstil systematisch abgesucht. Und irgendwann sah ich die Schnur.  Sie hing von einem Baum herunter. Hier sieht man die Sondenposition in Google Maps (es empfiehlt sich, auf Satellitenansicht umzuschalten). Am Ende lag die Landestelle nur 22m neben der Vorhersage.

Die Radiosonde lag auf dem Knickwall, und zwar auf der anderen Seite des Wassergrabens, aber vor dem Metallzaun.

Also wurde erstmal eine Schneise durch die Brennnesseln getrampelt und dann mittels GFK-Stange die Sonde herübergeangelt. Leider riss dabei die Schnur. Erstaunlich war aber: Die Batteriebox fehlte.

Ich scannte die Landestelle noch einmal ab, und am Ende sah ich sie wie ein Boot auf dem Graben schwimmen.

Wieder musste die GFK-Stange dienen, die Schale an "mein" Ufer zu befördern. Der Styroporeinsatz befand sich noch an Ort und Stelle in der Schale, das Lithiumbatterie-Paket blieb allerdings verschwunden. So einen Komplettzerleger habe ich bei einer SGP-Sonde noch nie erlebt. Ein Versuch, doch noch mit der Stange Schnur und Ballonrest zu bergen, war nur sehr bedingt erfolgreich, weil die Schnur wieder riss. Immerhin habe ich einen großen Teil der Schnur mitnehmen können.

Einiges bleibt unklar. Warum startet man 3 Sonden, die gleichzeitig fliegen und auf der gleichen Frequenz senden? Und die mühsam eroberte Batteriebox trägt einen Label, den ich auch noch nie gesehen habe:



Mysteriös, dieser Sondenflug.


Übersicht über alle Radiosondenfunde hier