Mittwoch, 12. Juli 2023

Nicht verloren, nicht im Wasser und auch nicht im Müll

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U3370121
Produktionsdatum: 2022-08-14

Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill:
keiner
Startstation:
Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum:
11.7.2023 00:00Z
Track
wettersonde.net
Maximale Höhe:
31143 m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.23 m/s
Landegeschwindigkeit:
1.9m/s
Landestelle:
Wilster LAT, LON: 
53.92121,9.378833, Google Maps
Status:
  Dachlandung, Fallschirm am Boden. Geborgen von Grundstücksbesitzerin, die mir die Sonde überreichte.
Methode: Tawhiri-Prediction nach radiosondy-Daten 

 

Diese Sonde landete am 11.7.2023 mitten in Wilster. Als die Sonde am 12.7. noch nicht geborgen ist und ich unerwartet am Nachmittag etwas Zeit habe, mache ich mich auf den Weg. Viel Hoffnung habe ich nicht. Immerhin hatte Kurt die Sonde bis in 15m über Grund verfolgt, und es stimmen Tawhiri und Extrapolation fast exakt überein. Also ist die Landestelle recht genau bekannt. Bei einer Landung innerorts zählt eigentlich jede Minute. Aber auf Google Maps Satellitenansicht sehe ich ein paar Bäume und Büsche, wo Spaziergänger und gärtnernde Eigenheimer nicht so einfach rankommen. Vielleicht hat man am Folgetag noch eine gewisse Restchance. Wilster ist für mich ein neues Gebiet. Zwar liegt es seit ein paar Jahren innerhalb des HVV, ist aber weit entfernt. Seit Mai ist es aber auch in der Woche zuschlagfrei erreichbar mit dem Deutschlandticket. Also hin.


Ein letzter Check in Radiosondy. Nein, niemand hat sie als geborgen eingetragen, aber der Nerv-Bot hat seine eigene Meinung zu dem Thema:



 

Endlich mal ein positiver Effekt des Nerv-Bots: Der hält einem die Sondenjägerkonkurrenz vom Hals 😁. Aber im Ernst: Nirgendwo in der Gegend befindet sich eine nennenswerte Wasserfläche. Erst später dämmert mir, was der Grund ist: Das Terrain an der letzten Position hat eine Höhe von exakt 0 Metern. Das wird wohl von dem Bot getriggert haben. Mit uralten Bräuchen wie "Deichbau in der Wilstermarsch" muss so ein Bot ja nicht rechnen.

Es nervt nicht nur der Bot. Die Züge sind jetzt bereits am frühen Nachmittag komplett überfüllt. Ich quetsche mich in den Zug, finde aber eine Nische für mein Rad. Neben mir steht eine Kollegin mit ihrem zusammengeklappten 24"-Tern, sie und ihr Rad kriegen so manchen Knuff mit. Was die Leute anbelangt: Prinzip Sardinenbüchse. Und die Hauptverkehrzeit hat noch gar nicht begonnen.

Der ÖPNV im Hamburger Raum wird in den Sommerferien zunehmend disfunktionell. Mittlerweile haben Güterzüge vor den Regionalzügen Vorrang, was automatisch Verspätungen verursacht. Die letzten 10km musste ich aber dennoch nicht mit dem Faltrad zurücklegen, denn abnormerweise wartet der Anschlusszug in Itzehoe auf uns. Das weiß ich zu schätzen. Denn ich habe mit den durchziehenden recht massiven Schauern nicht gerechnet und keine Regenjacke dabei. In Wilster stelle ich mich vor dem Aufbruch ein paar Minuten unter. Das Rad habe ich nur für eine anschließend geplante Meteoritensuche in Elmshorn dabei, denn vom Bahnhof Wilster zur Landestelle der Sonde sind es nur 1200m.

Die vorhergesagte Landestelle befindet sich direkt an einem Fußweg, der sich zwischen Einzelhaus-Grundstücken hindurchschlängelt.  Ich habe insbesondere ein bestimtes Grundstück in Verdacht. Hohe Büsche flankieren hier den Weg, und ich habe gehofft, dass sich die Sonde darin verfangen haben könnte. Es ist aber nichts Verdächtiges zu entdecken. Aber auf dem ebenfalls nicht chancenlosen Nachbargrundstück gärtnert der Inhaber. Er meint:  "Nein, die Radiosonde ist bei meinen Nachbarn gelandet". Wow! Prediction power, as advertised. 

Der Eingang zu dem Haus liegt in der Parallelstraße. Dort laufen ein paar Leute herum. "Nein, wir sind nicht die Eigentümer, aber die Besitzerin ist da, klingeln Sie nur". Die Besitzerin  erweist sich als superfreundlich, stellt interessierte Fragen und ist natürlich erstaunt über meinen Informationsgrad. Sie hat doch gestern glatt vergessen, die Sonde in den Müll zu schmeißen, und schenkt mir das ganze Gespann.



 

Wieder mal ein Beispiel dafür, dass Operation Urban Rescue pünktliches Erscheinen und Bereitschaft zur Kommunikation erfordert.  Sie erzählt, dass der Schirm auf der anderen Straßenseite auf dem Rasen gelegen hat und sie daher die Sonde an der Schnur von ihrem Dach ziehen konnte. Ich hätte nicht gedacht, dass die Sonde so viel weiter fliegen würde. Aber eigentlich sollte man nicht unzufrieden sein, denn tatsächlich beträgt der Fehler der Prediction weniger als 25 Meter, was angesichts der sehr geringen Sinkgeschwindigkeit und der recht hohen Windgeschwindigkeit  gar nicht so schlecht ist.


Ich bedanke mich herzlich bei der netten Finderin und mache mich auf den Weg nach Elmshorn. Die Rückfahrt mit dem Zug ist problemlos (geht doch!). Als der Zug durch Elmshorn rumpelt, ist der Himmel schwarz. Die Regenradar-Vorhersage lässt für die kommenden Stunden einen Schauerkopf nach dem anderen über Elmshorn ziehen. Eine Meteoritensuche in strömendem Regen, noch dazu ohne Regenjacke, bringt keinen Spaß. Ich steige nicht aus, sondern kehre direkt nach Altona zurück. Das Umsteigen auf die S-Bahn für eine Station ist mir zu umständlich, ich fahre lieber im warmen Nieselregen zurück zu meiner Wohnung, mit dem guten Gefühl, dass sich in der Fronttasche eine nicht verlorene und auch nicht entsorgte Sonde befindet.


    

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