Sonntag, 4. September 2022

Anschlag auf einen Faltradfahrer

Am Sonntag, den 4.9. fahre ich zu einer Kaltsonden-Nachlese ins Wendland. Die Landestellen dreier DFM09-Sonden vom letzen Manöversondenschwall und diverser ältere Kaltsonden kann man mit einer einzigen Radtour besuchen. Die Tatsache, dass das 9-Euro-Ticket ausgelaufen ist, hat Vor-und Nachteile. Einerseits wird es etwas teuerer, andererseits ist der Zug am Sonntag Morgen leer und fährt pünktlich. So erreiche ich den Startpunkt Uelzen so pünktlich, dass ich diesmal den Bus nach Lüchow noch erwische. Ich muss allerdings 5.80 Euro bezahlen, weil diese Linie nicht zum HVV gehört. Wir sind zu dritt: Außer dem freundlichen Busfahrer und mir gibt es heute morgen nur einen Fahrgast. Ich verlasse den Bus in Zarenthien und radel los in Gegenrichtung. Schon nach 600m geht es rechts in den Wald, zur Landestelle von D18081168. Die Prediction ist ziemlich ungenau, und nach mehr als einer Stunde gebe ich die Suche auf. Es gibt dort u.a. eine von dichtem Unterholz bewachsene eingezäunte Schonung, in der ich die Sonde sehr stark vermuten würde.

Danach geht es weiter zur Landestelle von D18081286. Die Tawhiri-Prediction liegt auf einem geeggten Acker. Dort liegt sie nicht - und dort ist die Chance für eine vorherige Zufallsbergung durch Bauern, Jäger oder Spaziergänger groß.  Ich vermute die Sonde allerdings eher in dem nördlich gelegenen Wald, weil an dem Tag alle Tawhiri-Predictions zu weit südöstlich lagen. Eine längere Suche ist auch hier erfolglos.

Weiter geht es; nur 1.5km weiter liegt die Sonde D18081169. Hier ist die Landestelle bekannt, denn DB7XO hat die Koordinaten in Radiosondy geloggt. Kommentar: "Schirm in ca 20m Höhe in einer Fichte, Sonde im Nachbarbaum in ca. 15m Höhe. Für mich leider zu hoch."

Sondentyp: DFM09
SN:
18081169
Frequenz: 403.87 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Munster Süd (Stellung 34)
Flugdatum: 30.08.2022 0704Z L
Track wettersonde.net

Maximale Höhe:
19282m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.47 m/s

Landegeschwindigkeit:
3 m/s

Landestelle: Stütensen,
LAT, LON:
53.0032,10.7987, Google Maps
Status:
Geborgen am 4.9.2022, 12:19 UT
, Baumlandung
Methode:
Koordinaten von
DB7XO

 

Wenn die Sonde tatsächlich nicht mehr als 15m hoch hängt, sollte ich sie mit der 13.4m "Laguna"-Stippe und langem Arm erbeuten können. Das, was dann folgt, wird zu einer der bedenklichsten Aktionen meiner bisherigen Sondenjägerlaufbahn. Aber der Reihe nach.

Nicht weit weg von der Landestelle steht eine Art Wirtschaftsgebäude mit allerlei land-und forstwirtschaftlich genutzer Fläche davor. Etwas weiter nördlich kette ich wie üblich das Rad an einen Baum. Direkt am Weg. Sicher ist sicher. Ich klappe das Rad - sonst wird das Weitere nicht verständlich - nicht zusammen.  Bis zur Sondenposition sind es nur 40m, aber das Rad ist von dort aus außer Sichtweite.

Meine Augen wandern angesichts des Berichts nach oben in die Wipfel. In besagter Fichte sehe ich auch sofort den roten Fallschirm. Sicher sind es keine 20m, sondern weniger als 15m. 


 

Dann sollte die Sonde ja erst recht kein Problem machen, denn die soll ja niedriger hängen. Aber wo ist sie hin? Es dauert etwas, als ich sie am Fuß der Fichte in Bück-Erntehöhe, direkt vor meinem Knie, baumeln sehe! Damit hatte ich ja jetzt nicht gerechnet. Offenbar hat sie sich seit DB7XOs Besuch verlagert.




Mit der Stange kann ich nach einigem Gefuchtel auch den Schirm und den Ballonrest aus 11-12m Höhe herunterholen.

Etwas Schnur verbleibt leider im Baum. Allerdings befindet sich fast die gesamte Schnur noch auf dem Abroller.

Wahrscheinlich ist das der Grund für die bodennahe Lokalisation - es haben sich wohl nach kurzer Zeit ein paar zusätzliche Meter abgewickelt, was meine einfache Bergung von heute ermöglichte. Da ich die Koordinaten von DB7XO verwendet habe, trage ich ihn auf Radiosondy als Co-Finder ein. Er hat wirklich Pech gehabt. Wenn er ein paar Stunden später gekommen wäre, hätte er wahrscheinlich die DFM mit nach Hause nehmen können. Siehe auch ein ähnlicher Fall hier.

Ich packe alles zusammen - und auf geht es zurück zum Rad. Es steht auf den ersten Blick genau so da, wie ich es verlassen habe.

Als ich die Stange am Rahmen des Rades befestigen will, entdecke ich, dass die Schraubklemme des Rahmenverschlusses komplett fehlt!

 

nachgestellt

So sieht es normalerweise aus
 

Abgefallen? Abgebrochen? Letzteres wäre ein Totalschaden! Aber nein, das Gelenk an der Rahmenseite sieht intakt aus, bloß, dass eben die Aluklemme und die Schraube nicht mehr da sind. Das bedeutet immer noch das Ende der Tour, denn damit wird ein Weiterfahren lebensgefährlich. Ich könnte höchstens das Rad mit der Stange "schienen" und dann vorsichtig zur nächsten Bushaltestelle schieben.

Wenn die Klemme abgefallen ist, muss das nicht hier passiert sein. Aber wie kann sie überhaupt abfallen? Ich lasse mein Auge schweifen, und tatsächlich: Unweit des Rades liegt etwas Metallisches im Gras - die Schraube und das dazugehörige Klemmprofil. Uff!




Als ich das ganze wieder anschraube, fällt allmählich der Groschen: Die Klemmkonstruktion des Bromptons ist bekanntlich total simpel, sicher und unkaputtbar. Die fällt nicht von selbst ab, sie kann sich auch nicht einfach lösen. Um sie wie hier ganz abzuschrauben, braucht man ca. 15 Umdrehungen. Da hat jemand Hand angelegt!!! 

Als ich alles repariert habe, kann ich das Rad nicht wegschieben. Derselbe "Jemand" hat netterweise einen  Knüppel zwischen die Speichen geschoben. Ich kriege das Ding nur mit Mühe wieder herausgefädelt. Dreist! Ich war die ganze Zeit nur 40m entfernt!




Bevor ich weiterfahre, inspiziere ich das Rad gründlich von oben bis unten nach weiteren "Freundlichkeiten", kann aber keine entdecken.

Was hat jemand davon, so etwas zu veranstalten? Reine Böswilligkeit? Man wird es realistischerweise nie erfahren. Dass es Zeitgenossen gibt, die Fahrradfahrer hassen, merkt man gelegentlich im Straßenverkehr. Aber so etwas? Im Wald? Hat jemand was gegen meine Anwesenheit dort? War es eher neugieriges Rumfummeln an fremdem Eigentum - huch, wo ist denn jetzt die Schraube hin - besser weglaufen? Aber welches Motiv auch immer: Wäre ich nach Entfernen des Knüppels nichtsahnend losgefahren, hätte sich das Gelenk sehr schnell geöffnet. Der unvermeidliche Sturz hätte ganz böse ausgehen können.  Gesehen habe ich den Täter nicht. Bei genauem Nachdenken hat man in der einsamen Gegend selber andere Menschen gesehen, also wird man selber auch beobachtet. Die meisten Menschen sind freundlich, manche aber nicht. Und Klappskallis der weniger harmlosen Sorte gibt es auch auf dem Land. 


Nachtrag am 28.10.2022: Heute habe ich "unter einer Sonde" die nette Bekanntschaft mit dem Co-Finder DB7XO gemacht. Zu dem Vorfall konnte er beitragen, dass er bei seinem Besuch den Eindruck hatte, dass sich da Leute rumdrückten, die ihn beobachteten...

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Ich  radel weiter Richtung Uelzen. An der Kreuzung Stütensen liegt links im Wald eine RS41-Landestelle; ich habe da aber schon einmal erfolglos gesucht. Aber unweit meiner Rückfahrtroute liegt noch eine Bergener Sonde aus dem Juni, Status laut Radiosondy "unbekannt". Da kann ich ja noch  nachgucken.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T1320625
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 3:40 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 11.6.2022 00:00Z
Track wettersonde
Maximale Höhe: 24015m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.85 m/s 
Landegeschwindigkeit: 4.1 m/s
Landestelle:Rätzlingen
LAT, LON:
52.97245,10.70309 Google Maps
Status: Baumlander, von unten sichtbar, ca. 17m hoch in einer Kiefer. Lokalisiert am 4.9.2022. GEBORGEN AM 25.2.2024

Methode: Tawhiri-Prediction nach wettersonde.net-Daten.

Wieder wird das Rad angekettet, und los geht es in den Wald. Nach kurzer Suche entdecke ich an einem Baumstamm einen bereits teilweise ausgeblichenen Fallschirm und den Ballonrest. Der Abroller hat sich davon losgerissen und hängt am selben Baum. Es ist recht schwierig, die Schnur bis zur Sonde von Baum zu Baum zu verfolgen, aber dann kann ich die Sonde an einer Kiefer hängen sehen.




Mit der Stange kann ich Abroller Schirm und Ballonreste mitnehmen. Für die Sonde sind 15m Reichweite zu wenig. Sie kommt auf die Baumlanderseite und gut.



Es geht mit dem Rad zurück nach Uelzen, wo ich Sekunden vor der Abfahrt des Zugs eintreffe.


Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier