Am 20.1.2024 war ich auf einer Tagung von Planetenfotografen. Die eigentliche Sensation des Tages bekam ich nicht mit: Die Entdeckung eines Near Earth Objects (NEO) am Abend. Es bekam die Nummer 2024 BX1, und die erste Bahn zeigte, dass es am frühen Morgen in Deutschland aufschlagen würde. Eine Feuerkugel mit Ansage! Das Streufeld wurde rasch von dem tschechischen Experten Pavel Spurny berechnet und lag bei Ribbeck im Havelland. Genau: Das ist das Dorf mit dem Birnbaum. Sehr bald werden etliche Meteoritensucher fündig. Am Wochenende plane ich eine Suche. Freunde von mir sind tatsächlich hingefahren und haben einiges an Trümmern mitbebracht. Ich kann am Ende nicht losfahren, da mich erstmals Covid erwischt hat - und zwar recht heftig. Eine Reihe anderer Teilnehmer des Planetentreffens testeten zeitgleich positiv. Erst am 10.2. sehe ich mich in der Lage, längere Wanderungen und Fahrradtouren zu bewältigen. 4 Tage vorher ist eine DFM09 aus Munster fast exakt auf der Zentrallinie der Streuellipse gelandet. Sie ist am Morgen noch nicht eingetragen. Also wird Radiosonden-Bergeausrüstung zusätzlich mitgenommen.
5:50: Ich schnappe mein Faltrad und steige am Bahnhof Königstraße in die S-Bahn. Der Wagen ist fast leer. Eine Station weiter: Reeperbahn. Der Wagen ist voll. "Digga, ich schwöööre. Willst Du Gras kaufen Bruder, ich hab was da....". Das ist um die Uhrzeit normal.
Die Bahn nach Rostock am Hauptbahnhof ist pünktlich, und problemlos erreiche ich über Schwerin den Bahnhof Paulinenaue im Havelland. Los geht es über "Bienenfarm, Flugplatz" nach Südosten. Die Strecke ist flach, der Weg ist gut. Aber auf den ersten Kilometern fühle ich mich stark eingerostet und komme nur langsam voran. So fit wie erhofft bin ich doch noch nicht! In Ribbeck ist ein kurzer Besuch beim Birnbaum in Ribbeck Pflicht...
Am Birnbaum sehe ich zwei Leute mit ihren Tern-Falträdern. Offenbar ist meine Methode der Anreise nicht mehr so ganz ungewöhnlich. Mich zieht es dann in den Wald südlich des Dorfs. Dort sollen die schwereren Trümmer - und ein paar Tage später die DFM - niedergegangen sein. Bisher waren die Meteoritensucher dort aber relativ erfolglos. Und die Radiosondensucher haben von der DFM offenbar keine Notiz genommen.
Sondentyp: DFM09
SN: 19007888
Produktionsdatum: 2019
Frequenz: 403.09 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Munster Süd (Manöver)
Flugdatum: 6.2.2024 8:13Z (Landung)
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.53 m/s
Maximale Höhe: 17069m
Landegeschwindigkeit: 5.5m/s
Track wettersonde-radiosondy-Mix
Landestelle: Ribbeck, LAT, LON 52.61647,12.74231 Google Maps
Status: Baumlander, von unten sichtbar, lokalisiert 10.2.2024, 10:39UT
Es stellt sich rasch heraus, dass Radiosonden- und Meteoritenjagd im Wald unvereinbar sind. Bei ersterer guckt man in die Baumwipfel, bei letzterer auf den Boden. Zunächst kann ich die Sonde nicht finden. Ich setze noch einmal an und gehe die Strecke von der letzten Position bis zur Extrapolationslösung ab. Dann sehe ich sie! Leider hängt die Sonde mehr als 20 Meter hoch in einer Kiefer - die 10m Stange habe ich umsonst mitgeschleppt.
Ich verfolge die Sondenschnur von Baum zu Baum mit dem Fernglas und kann nach einigem Gesuche auch den Fallschirm und den Abroller entdecken - noch höher im Baum. Hier kann man mit meinen heutigen Mitteln nur aufgeben. Auch möchte ich die verbleibende Zeit bis Sonnenuntergang mit Meteoritensuche füllen.
Ich suche noch ein wenig im Wald nach Meteoriten, aber erfolglos. Hier werden die Steine unter dem Laub liegen - Gegenden mit festem Boden sind rar. Ich beschließe einen Ortswechsel in die freie Feldmark, wo bisher die meisten Funde gemacht wurden.
Auf der B5 radel ich Richtung Berge und komme gut voran. Links sind am Feldrand die beiden Tern-Falträder geparkt. Was tun die Besitzer? Meteoriten suchen! Mir ist das aber zu weit weg von der Zentrallinie. Südlich von Berge erscheint mir das Gelände besser; auch haben hier Freunde etwas gefunden.
Tatsächlich: Auf der Weide ist das Gras extrem kurz und der Boden extrem fest. Was ich auch sehe? Am Fahrweg stehen 20 Autos aus Bayern, Polen und anderen entlegenen Regionen Europas. Und nach der Anzahl der auf dem freien Feld erkennbaren Sucher zu urteilen, ist jedes der Autos mit durchschittlich drei Menschen besetzt. Einer der Sucher zeigt mir sogar einen Meteoriten: Silbrig feinkörnige Matrix, auf der Gegenseite ein Stück Schmelzkruste - hübsches Stück! Der Gute ist aber auch seit 2 Wochen ganztägig in der Region unterwegs.
Ich suche die Wiesen ab. Im Gegensatz zu den Kollegen mag ich nicht auf frisch angelegten Getreidefeldern herumlaufen. Auf den Weiden war vor 2 Wochen ein Meteorit sehr auffällig, aber das ist alles jetzt völlig intensiv abgesucht, und man muss schon sehr viel Glück haben, heute noch etwas zu finden. Ich laufe angestrengt stundenlang herum - erfolglos.
Bei schwindendem Sonnenlicht geht es mit dem Rad Richtung Paulinenaue. Anders als heute Morgen fühle ich mich nicht mehr eingerostet und gleite mühelos dahin. Die Tour war glaube ich ganz gut geeignet, um nach Covid wieder in Schwung zu kommen.
In Schwerin erreiche ich den Anschlusszug nach Hamburg nur durch kreatives Umsteigen. Dort ist das Sitzabteil des Fahrradwagens von Mitmenschen bevölkert, die das Ding flugs zu einem Partywagen umdefiniert haben und verschiedene Formen von Mucke über blecherne Handylautsprecher abstrahlen. Es wird bereits heftig getanzt. Nur wenn "Mama" auftaucht (so nennen sie die Zugbegleitung), verhalten sie sich zurückhaltender. Sie wollen zu einem "psychodelischen Event" in einem entsprechenden Club in Hamburg, und geeignete Präparate machen schon jetzt die Runde. Einer der Typen hustet so wie ich letzte Woche. Kurz vor Hamburg machen sie den Eindruck, dass sie schon vor der eigentlichen Party stolz auf ihr mächtig erweitertes Bewusstsein sein können. Fragt sich nur, ob sie diesen Pace bis zum Eingang des Clubs durchhalten. Das ist um diese Uhrzeit normal.
Ob die Freizeit- Party und Eventindustrie die Menschen glücklicher macht?
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
Keine Kommentare:
Neue Kommentare sind nicht zulässig.