Montag, 24. November 2025

Latexklumpen in der Kälte

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V1010868
Produktionsdatum: 6.03.2023
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5h:00m
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 08.11.2025 (00:00Z)
Track wettersonde.net
Maximale Höhe: 33284 m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.04m/s
Landegeschwindigkeit: 4.9m/s
Landestelle: Emmendorf bei Uelzen, LAT, LON: 
53.01160,10.56365 Google Map 
Status: Geborgen am 23.11.2025, 13:07UT.  
Methode:
 Extrapolation aus Tower-Daten

 Diese Sonde landete am Morgen des 8.11.2025 in den Uferwiesen der Ilmenau nördlich von Uelzen. Da in dem Raum mehrere Kaltsonden auf ihre Bergung warten, breche ich 15 Tage später an einem Sonntag auf. Die Fahrt ist typisch 2025. Bis Lüneburg geht alles glatt - danach Signalstörung. Bei so etwas muss der Lokführer für jeden Streckenabschnitt einen Fahrbefehl einholen und darf dann im Schleichtempo auf Sicht den Abschnitt befahren. Die Strecke Hamburg-Hannover ist standardmäßig überlastet; hinzu kommen aktuell ICEs auf dem Weg nach Berlin, denn die Strecke Hamburg-Berlin ist ja für 9 Monate gesperrt. Natürlich gibt das einen Stau - auf Deutsch: Nix geht mehr voran. Zwischenzeitlich erwäge ich einen spontanen Ausstieg in Bienenbüttel und eine Suche nach den dortigen Radiosonden. Dann geht es aber wieder ETWAS schneller voran.

Das hat nun etwas gedauert, und ich bin ohnehin einen Zug später unterwegs als ursprünglich geplant. Im Winter wird es früh dunkel. Eine Radiosonde fliegt von der Liste. 

Wer nun glaubt, dass es mit dem Rad auf der Straße besser voran geht, täuscht sich. Baustellen auch hier. Angeblich sind auch die Fuß- und Radwege gesperrt. Aber davon ist real wenig zu sehen, und am Sonntag wird ja nicht gebaut. Jetzt führt die Strecke am örtlichen Knast vorbei. Und dann entlang der Bahn - auf der es offenbar wieder normal vorwärts geht - bis nahe zur Landestelle. 

Im Besitz von Tower-Daten zu sein, ist schon vorteilhaft und fast schon dekadent. Aber dazu musste ich am 8.11. um 3:20MEZ wach sein und die Landung mitschneiden. Und ohne die Tower-Daten wäre die Sonde nicht aufzufinden gewesen. Die Internetquellen versiegten nämlich in ca. 600m Höhe, Flugrichtung Nordost. Dass die Tawhiri-Prediction radikal um 90 Grad nach Westen schwenkt, nimmt man ja nicht unbedingt ernst. Dass die Sonde im richtigen Leben gleich zwei scharfe Wendmanöver durchführt, kommt ja auch nicht so oft vor. Im vorliegenden Fall ist das natürlich gut - Wiese ist besser als Uferbereiche der Ilmenau! 


Der Tower lieferte damals Daten bis 15m Bodenhöhe. Die weitere rechnerische Flugstrecke betrug 9m - das ist im Bereich des typischen GPS-Fehlers. Ich postete auf unserer Whatappgruppe die Position, die oben dargestellte Karte und den Hinweis "Ich schenke mir jede Extrapolation".

Die Sonde ist noch nicht als geborgen gemeldet, und angesichts der Flugbahn und der Uhrzeit der Landung rechne ich fast sicher mit der Bergung. Von unserer Community hat es keiner versucht. Bauern sind nicht mehr viel auf den Feldern unterwegs. Allenfalls Jäger könnten zufällig über die Sonde gestolpert sein. Ein Hochstand am Feldrand lässt mich skeptisch werden. 

 Ich parke das Faltrad am Wiesenrand und mache mich auf den Weg. In der fraglichen Richtung ist nur ein Schneefleck zu sehen. Erst umittelbar vor dem Ziel stolper ich über den Fallschirm und den Ballonrest. 

 


 

Die Wiese ist an einigen Stellen überflutet, und das Wasser ist gefroren. Die Schnur muss gewaltsam durch Zerren aus dem Eis befreit werden. Sie zielt exakt auf besagten Schneefleck. Aus der Nähe erweist er sich als Klumpen von mit Eisblumen bewachsenen Latexfetzen!



 

Die Sonde ist komplett vom Latex eingeschlossen. Der Sondenmast ist das einzige, was herausguckt.  Erst nach Herumdrehen des Pakets lässt sich die Beute besser zuordnen.

 

 

 





Ich beschließe noch einen Versuch bei der Radiosonde W1240897, Essen 0Z vom 28.1.2025. Essener Sonden sind bei uns selten. Auch von der habe ich exakte Landekoordinaten via Tower. Die Landestelle befindet sich im Wald bei Waldmannsruh - wo auch sonst. Die Sonde sendete nach der Landung aus schwankenden rechnerischen Höhen von 14-30 Metern, hing also wohl im Baum. Ich war sogar schon mal am 28.5. da und konnte in dem Buchen-Kiefern-Lärchen-Mischwald vor lauter Laub nichts erkennen. Jetzt nach dem Laubfall erhoffe ich mir zumindest eine Sichtung des Objekts. Aber ich werde enttäuscht. Weder liegt die Sonde am Boden, noch kann ich in den fraglichen Bäumen etwas mit dem Fernglas erkennen. Keine Schnüre, keine Sonde. Keine Latexstreifen am Boden. Nichts. 50m in Flugrichtung ist das Gesträuch übersichtlich. Reste des Fallschirms: Fehlanzeige. Entweder hängt alles in den absoluten Wipfeln der Kiefern, oder sie ist weg. Das glaube ich aber nicht, weil Zeitgenossen mit den entsprechenden Baumberge-Skills ihre Funde gemeinhin eintragen und Zufallsfinder das Gestrüpp nicht durchstreifen werden. 

 Da es langsam dunkel wird, sehe ich zu, dass ich aus dem Wald komme. Durch beißende Kälte geht es nach Uelzen. Leider ist der Zug gerade weg. Der nächste ist erwartungsgemäß voll und leidet an akuter Rollenkofferitis, bringt mich aber glatt zum Hamburger Hauptbahnhof. Jetzt noch mit der S-Bahn nach Hause. Was haben wir da? Signalstörung im Citytunnel. Rückstau, Fahrbefehle und Schleichfahrten....Gut, dass man dafür heute Mittag trainiert hat. 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
 
 

 

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