Donnerstag, 31. Juli 2025

Landung im Heimatort

In Schmalenbeck bin ich aufgewachsen. Das ist meine Heimat. Man kennt jede Straße und hat dort seinen zweiten Wohnsitz. Eine Radiosonde habe ich hier aber bisher nicht geborgen. Einige landeten in der Nachbarschaft, und bei dem einzigen direkten Treffer hatte ich Pech. Am 30.7. landet mitten im Ort, direkt am U-Bahnhof an der Straße Looge eine RS41 aus Sasel. Zeitgleich geht eine DFM17 aus Pinneberg im nahen Forst Hagen nieder. Letztere wird zeitnah von einem Sondenjäger mit dem Nick Riker (der glaube ich, in Hoisdorf wohnt), als geborgen gemeldet. Die Sonde in Schmalenbeck trägt aber keiner ein. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V1040085
Produktionsdatum: 2023-03-09
Frequenz: 402.7 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Sasel
(WMOID:10141)
Flugdatum: 30.07.2024 (12:00Z)
Track
Wettersonde.net

Maximale Höhe:
28175
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.10m/s

Landegeschwindigkeit:
 13.2m/s

Landestelle: Schmalenbeck
LAT, LON: 
53.65306,10.25859 Google Maps
Status:
 
Geborgen von Anwohner nach der Landung, mir übergeben am 31.7.2025.
Methode: Extrapolation nach wettersonde.net-Daten

Bei der Landung in Wohngebieten ist schnelles Erscheinen entscheidend. Daraus wird leider nichts. Ich bin ja auf der Arbeit. Es ist früher Nachmittag, und von Flottbek nach Schmalenbeck kommt man nicht im Handumdrehen. Verschärfend kommt derzeit eine U-Bahn-Streckensperrung mit Ersatzverkehr zwischen Volksdorf und Buchenkamp dazu. Ich habe am Abend eine Vorstandssitzung meines Vereins und gleich danach eine weitere Vereinsveranstaltung. Ein Zeitfenster zur schnellen Sondenbergung ergibt sich nicht. 

Jürgen Wruck ist ebenfalls am Abend dabei. Und er ist Sondenjäger. Sein Heimweg führt in die Gegend, und er schlägt vor, dass wir kurz mal vorbeifahren. So tauchen wir gegen 23 Uhr an der Straße Looge auf. Die Sonde sollte direkt auf oder neben der Straße aufgeschlagen sein. Auf der Straße liegt nichts. Im Dunkeln können wir in den angrenzenden Bäumen nichts erkennen, und nachts auf Privatgrundstücken rumzulaufen verbietet sich ohnehin.

In dem Haus direkt an der Extrapolationsposition haben uns die Hunde trotzdem schon bemerkt - um die Uhrzeit läuft normal niemand auf der Looge herum. Der Bewohner guckt aus dem Fenster und fragt uns, ob er uns helfen könne. Die Hunde hätten ihn wachgemacht, wasn da los? Das tut uns leid. Wir erklären ihm die Lage, und er meint, dass er uns erst am Morgen helfen kann. Das ist mehr, als man erwarten kann. 

Ich verbringe die Nacht in Schmalenbeck, und früh am Morgen bin ich auf dem Weg zum Bahnhof noch einmal da. Jetzt kann man zumindest zum Teil die Privatgrundstücke bei vernünftiger Beleuchtung einsehen - da ist nichts erkennbar. Wahrscheinlich hat längst jemand die Sonde eingesammelt und entsorgt. Ich werfe ein paar Flyer in die Briefkästen an der Landestelle. Mal sehen, vielleicht reagiert einer der Anwohner. Die Chance beurteile ich als gering, aber gegeben. 

Am Abend bin ich wieder in Schmalenbeck. Wegen des Ersatzverkehrs nehme ich den Regionalzug nach Ahrensburg und von dort aus den Bus. Im Penny-Markt am U-Bahnhof erstehe noch rasch ein paar Brötchen. Ein Abstecher zur Straße Looge bietet sich an. In einen der Briefkästen direkt an der Landestelle habe ich am Morgen noch keinen Flyer geworfen - ich hatte zu wenige Exemplare dabei. Das will ich schnell mal nachholen. Der sehr freundliche Bewohner arbeitet im Vordergarten, und ich kann ihn daher sogar persönlich ansprechen. 

Normalerweise reagieren die Leute auf die Mitteilung, dass in der Nähe ein Wetterballon gelandet sei, mit einer Mischung aus Erstaunen und Unglauben. Der freundliche Mann tat das aber so gar nicht. Das ist immer ein gutes Zeichen. Tatsächlich hat er gestern die Sonde auf der Straße aufgesammelt. Die Sonde war vor der Auffahrt zu seinem Nachbarn - dem mit den Hunden - aufgeschlagen. Schnur und Latexreste lagen auf seinem Grundstück. Einen Fallschirm hatte er nicht gesehen - er hatte sich wohl überhaupt nicht geöffnet und war wohl orginalverpackt in dem Latexrest verblieben. Das passt auch zu der extrem hohen Landegeschwindigkeit. Er hatte dann den DWD angerufen. Dort wurde ihm natürlich beschieden, dass er die Sonde entsorgen könne. Er wurde sogar darüber informiert, dass es Sondenjäger gäbe, vielleicht würde sich ja ein solcher für die Sonde interessieren. So hatte er die Sonde erst einmal nicht entsorgt, als hätte er fast mit einem Sondenjäger-Besuch gerechnet. "Moooment - Ihnen kann geholfen werden" sagt er, verschwindet im Haus, und kommt mit einer RS41 wieder.  Die ich ihm kurz erkläre. Besonders interessiert ihn, wie wir die Landeposition so genau vorhersagen können. Zum Dank darf ich die Sonde dann sogar mitnehmen - eigentlich habe ich ja zu danken für diesen für mich persönlich wertvollen Fund aus dem Heimatdorf. 

 

 

  



Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
 

 

 

Sonntag, 27. Juli 2025

Totex-Schirme und ein paar Altlasten

Pinneberg startet ja seit neuestem die Radiosonden mit Fallschirmen - nachdem sie jahrelang auch schwere Nutzlasten ohne Schirme aufließen. Der Hintergrund ist einfach, dass ein neuer Mitarbeiter für die Ballonstarts zuständig ist und der aus eigener Initiative Fallschirme angeschafft hat. Und zwar gleich den Rolls Royce der Schirme von der Firma Totex. Wir haben ja neulich Pinneberg besucht und waren sogar bei einem Sondenstart dabei. 

Pinneberg startet also am Dienstag, den 22.7.2025 eine DFM17. Zu Anfang ist nicht klar, ob die Sonde in die Elbmündung fällt oder nördlich der Elbe herunterkommt. Dann aber wird deutlich, dass sie südlich der Elbe niedergeht. Bernds Empfänger auf "seinem" Koog ist nicht weit weg und kann sie bis auf Baumwipfelhöhe mitschneiden. Als die Sonde nicht als geborgen eingetragen ist, beschließe ich am Samstag eine Fahrt in die Wingst. Die Sache ist doppelt reizvoll, habe ich doch seit Jahren keine Pinneberg-Sonde mehr eingesammelt.

 

Sondentyp: DFM17
SN: 
220(192)25583
Produktionsdatum: 11.7.2022
Frequenz:
400.11 MHz
Timerkill: keiner
Startstation:
Pinneberg (WMOID:-)
Flugdatum: 22.7.2025 12:00Z
Track Wettersonde.net
Maximale Höhe: 23651m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 
5.15 m/s 
Landegeschwindigkeit: 6.5 m/s
Landestelle: Oederquart, LAT, LON: 
53.78867,9.18855, Google Maps
Status: Geborgen am  26.7.2025, ca. 8:05 UT
Methode: Extrapolation aus Wettersonde.net-Daten

Ich verlasse den Zug bei bestem Wetter am Bahnhof Wingst. Zunächst bin ich etwas verwirrt, weil ein Dutzend von Radfahrern der Generation Ü70 mit mit schweren Tourenrädern bewaffnet (teilweise mit Elektrik-Trick) auch den Zug verlassen. Sie sammeln sich gerade zur Abfahrt. Das dauert etwas. Schnell das Brompton entfalten und los, denn andernfalls sind komplexe Überholmanöver auf schmalen Radwegen vorprogrammiert. Die Kollegen beäugen die kleinen Räder ziemlich skeptisch, und ich höre von hinten noch ihr Erstaunen, dass man "damit derart Gas geben kann".  

Das hohe Tempo verdanke ich weder Rad noch Kondition, sondern vor allem dem Rückenwind und einem topfebenen und hervorragenden Radweg. Bis zur Landestelle sind es knappe 10km. Zuerst geht es auf der Brücke über die Oste.


 

Danach bieten einsame Wirtschaftswege eine schöne und komfortable Fahrt zwischen Marschgräben. Störche kreisen über den Wiesen, und da ertönt sogar ein Wachtelschlag. 



 

Da vorne kommt schon die Landegegend in Sicht.  Die Sonde ist wie befürchtet auf einer Wiese heruntergekommen. Und die ist frisch gemäht. Die Chancen schmelzen dahin. 50 Meter östlich steht ein Haus, 20m südlich führt der Seeweg vorbei. Auf der Nachbarwiese - 30m entfernt - parken dutzende Autos, weil da offenbar ein Event stattfindet. Ich schlängel mich im Slalom mit dem Rad zwischen den  Besitzern der Blechlawine hindurch.  Der riesige wunderschöne quietschrote Totexschirm lag letzten Dienstag bestimmt unübersehbar auf dem Präsentierteller und ist jetzt am Samstag mit Sicherheit weg. 

Ich biege um die Ecke. Jetzt kann ich die Wiese komplett überblicken. Ich staune nicht schlecht.  Der riesige wunderschöne Totexschirm liegt nämlich seit letztem Dienstag unübersehbar auf dem Präsentierteller und ist jetzt am Samstag mit Sicherheit noch nicht weg!!! Aber gleich! 









Und schon geht es wieder zurück zum Bahnhof Wingst. Diesmal mit Gegenwind. Ich muss nicht lange auf den Zug warten. Der bringt mich nur bis Hechthausen. Dort kenne ich einen Baumlander von 2023, gar nicht weit weg vom Bahnhof. Aussteigen, Sonde am Boden auflesen und in einer Stunde mit dem nächsten Zug weiterfahren, das ist der Plan. 

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
U2210791
Produktionsdatum:2022-05-30
Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Norderney (WMOID:
10113)
Flugdatum: 2.
7.2023 12:00
Track
wettersonde

Maximale Höhe:
31572m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.49 m/s

Landegeschwindigkeit:
 3.0m/s

Fundstelle: Hechthausen 
LAT, LON:
 
53.64335,9.21319  Google Maps
Status: Geborgen am 26.7.2025, 10:25UT

Methode:
 Extrapolation nach Wettersonde.net-Daten. 

Der Weg vom Bahnhof ist mir gut bekannt. Ich war etliche Male dort. Das erste Mal 6 Tage nach dem Flug. Dank der wunderbaren Daten von Kurt konnte ich den Schirm und die Sonde gleich im Baum hängen sehen. 

8.7.2023

8.7.2023

8.7.2023

8.7.2023

 

Leider war damals alles außerhalb der Reichweite jeder Stange. Zwei Monate später war die Situation unverändert. 

30.9.2023

 

Zuletzt war ich 2024 vor Ort. Die Sonde war kaum mehr zu erkennen, weil sie sich fast unrettbar in den Nadeln der Fichte verhakt hatte. 

20.3.2024

Und heute? Die Umgebung des Baumes ist ziemlich mit Brombeeren zugewuchert und schlechter zugänglich als früher. Unter dem Baum liegt - nichts. Ich biege das Gestrüpp am Boden weg. Ob sie darunter liegt? Nein! Ich gehe nochmal zurück zum Rad, von wo aus man früher die Sonde im Fernglas am besten sehen konnte. Nichts. Bevor ich aufgebe, sollte ich doch noch mal mit dem Fernglas von der anderen Seite gucken. Da sich letztes Mal Schnur, Sonde und Nadeln unrettbar verflochten hatte, könnte sie ohne weiteres noch oben hängen. Also noch einmal zu dem Baum vorgestoßen. Diesmal sehe ich direkt von unten ein paar einzelne Schnurfetzen in den Zweigen hängen. Das macht eher den Eindruck, dass sie doch vom Baum gefallen sein könnte. Aber da liegt nichts. Ich packe meine Sachen zum Aufbruch - ich möchte nicht eine Stunde am Bahnhof warten müssen. Und da liegt direkt neben meinem Fuß etwas Weißes. Es ist flach. Ich kratze etwas von dem Moos ab, das das Objekt verdeckt. Kein Irrtum möglich. Das ist keine Birkenborke, das ist ...Stryropor! Es ist die Sonde, die fast völlig im Boden einsedimentiert ist.



 



Na also, geht doch! Jetzt muss ich mich aber sputen, um die Bahn noch zu erwischen. Und wieder fahre ich nicht bis Hamburg, sondern steige vorher aus. Diesmal in Horneburg. Dort kenne ich einen weiteren Baumlander, diesmal aus Bergen. Der hängt im Ruijster Forst, und ich weiß wo. Vielleicht liegt der ja auch am Boden, wer weiß?

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
U3260237
Produktionsdatum: 13.08.2022
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill:
5h:00m

Startstation:
Bergen
(WMOID:
10238)
Flugdatum: 17.04.2025 (00:00Z)
Track
wettersonde.net
Maximale Höhe: 35432m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 4.85m/s

Landegeschwindigkeit:
 10.0m/s

Landestelle: Rustjer Forst,
LAT, LON: 
53.52374,9.529111 Google Maps
Status:
Baumlander in 20m Höhe, Fallschirm und Ballonrest geborgen.
Methode:
 Extrapolation aus Wettersonde.net-Daten

Die Landestelle der Sonde hatte ich bereits am Tag nach der Landung besucht. Angesichts der Landegeschwindigkeit von 10m/s war ich fast sicher, dass sie am Boden liegen würde. Aber weit gefehlt: Trotz der sehr verlässlichen Prediction konnte ich zuerst nichts finden. Ich habe mich dann durch das Gestrüpp geschlagen und fand dann tatsächlich Fallschirm und den großen Ballonrest in Bodennähe. 

18.4.2025

Ich hoffte, dass bei Entfernung der Last die Sonde am anderen Ende vom Baum fallen würde. Aber da tat sich nichts. Offenbar hatte sich die Schnur bereits zu stark verhakt. Ich hatte sogar große Schwierigkeiten, die Sonde überhaupt in einer Fichte zu identifizieren. Ein Foto mit dem Handy aufzunehmen habe ich gar nicht erst versucht; ich war froh, die Sonde überhaupt im Fernglas zwischen den Zweigen zu sichten.  

Heute erreiche ich die Stelle nach 5km Radfahrt von Horneburg aus. Es erweist sich diesmal als einfacher, die Sonde zu erspähen, denn sie ist nicht in den Nadeln verhakt wie letztes Mal, sondern hängt gut sichtbar an der langen Schnur, aber eben immer noch zu hoch. 

 


 

Da wird man wohl noch einmal wieder vorbeikommen müssen. Also geht es zurück nach Horneburg. Dort nehme ich diesmal die S-Bahn nach Hamburg. Gipfel des Komforts: Da die Dammtorlinie gesperrt ist, fahren die Züge jetzt durch den City-Tunnel, so dass ich auf der Heimfahrt nicht einmal umsteigen muss. 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
 

 

 

Dienstag, 22. Juli 2025

Der "Big Baltic Jammer" und das tiefe Loch

Der "Big Baltic Jammer" ist ein fetter Störsender, den offensichtlich Russland im Oblast Kaliningrad betreibt und der seit Ausbruch des Ukraine-Krieges häufig aktiv ist. Dieser spooft und/oder jammt das GPS-Signal bis weit nach Polen hinein.  

Neu ist, dass die Sendeleistung des Jammers mittlerweise so stark ist, dass mitunter auch hiesige Radiosonden betroffen sind. Nahe des Gipfelpunktes ihrer Bahn fielen die Daten der Bergener Nachtsonde des 21.7. dem Kaliningrad-Jammer zum Opfer. Und Bergen befindet sich weit von Kaliningrad entfernt. Radiosondy - eine polnische Seite - scheint die kaputten Positionen bereits automatisch herauszufiltern. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V1110552
Produktionsdatum: 13.03.2023
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill:
5h:00m

Startstation:
Bergen
(WMOID:
10238)
Flugdatum: 21.07.2025 (00:00Z)
Track
wettersonde.net (mit Jamming)
Track radiosondy.info (gefiltert)
Maximale Höhe:
33135m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 2.33m/s

Landegeschwindigkeit:
 8.5m/s

Landestelle: Klein-Nordende,
LAT, LON: 
53.72215,9.675912 Google Maps
Status:
Geborgen am 21.07.2025 16:33UT
Methode:
 Extrapolation aus Radiosondy-Daten

 

Die Sonde wies noch eine andere Besonderheit auf: In der Nähe der Gipfelhöhe zeigte sie ein floaterartiges Aufstiegsverhalten und schwebte mit konstanter Höhe von 32km  dahin. Am Ende entschied sich der Ballon immerhin zu platzen und das Gespann landete bei Klein Nordende.

S-Bahn, Regionalbahn und Faltrad bringen mich wie üblich zur Landestelle. Eine Straße und ein schmaler Streifen Wald durchziehen das Landegebiet. Auf einem Haferfeld entdecke ich sofort den riesigen Ballonrest und den darin verfangenen Fallschirm...


 



 



 

Die Schnur verschwindet in luftiger Höhe im Wipfel einer Eiche. Per Fernglas kann ich sie über ein paar weitere Wipfel bis zum anderen Ende des Waldstreifens verfolgen. Auf dem angrenzenden Weizenfeld liegt sie nicht. Obwohl die Position nur 4-5m von der Extrapolation entfernt ist, brauche ich 20 Minuten, um die Sonde zu finden. Nach einiger Zeit entdecke ich eine Schnur, die am Waldrand von einem Baum kaum sichbar senkrecht nach unten verläuft. Erst vermute ich, dass jemand die Sonde abgeschnitten hat. Aber da ist sie! Gut getarnt liegt dort die RS41 in ca. 4m Höhe auf den Ästen auf.  Danach ist sie leichte Beute für die Teleskopstange. 

 

 





Erst zuhause entdecke ich, dass ich 2019 eine RS92 aus Pinneberg nur 150m entfernt geborgen habe. Damals war ich der irrigen Meinung, dass dies meine letzte RS92 gewesen sein könnte.  

Direkt neben der Landestelle befindet sich ein kleines Naturschutzgebiet, die Liether Kalkgrube. Hier wurde früher der Gipshut eines darunter liegenden Salzstocks abgebaut. Die Natur hat sich das Gebiet zurückgeholt, Knabenkräuter wachsen direkt am Weg. Karstquellen speisen ein paar Tümpel. An einigen Stellen ist hier Rotliegendes (Perm) aufgeschlossen - in Norddeutschland ist anstehendes Gestein aus dem Erdaltertum eine Seltenheit. 

 



 

Am Rande der Grube gibt es einen Gedenkstein. Hier wurde im 19. Jahrhundert auf der Suche nach Kohle eine Tiefbohrung durchgeführt - ein paar Jahre war es das  tiefste Bohrloch der Welt. 

 


 Ich radel zurück nach Tornesch. Die Regionalbahn nach Altona kommt nach einiger Wartezeit und befördert mich bequem heimwärts. 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
 

 

 

  




Montag, 21. Juli 2025

Bei der Wärme kann es keine Kaltsonde werden 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
V1110371
Produktionsdatum: 13.03.2023
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill:
5h:00m

Startstation:
Bergen
(WMOID:
10238)
Flugdatum: 20.07.2025 (12:00Z)
Track
wettersonde.net und Tower

Maximale Höhe:
33135m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.20m/s

Landegeschwindigkeit:
 11.8m/s

Landestelle: Trelde,
LAT, LON: 
53.31615,9.79639 Google Maps
Status:
Geborgen am 20.07.2025 13:45UT
Methode:
 Decodierung des Sondensignals durch TTGO

Ein Sonntag im Juli. Es ist ziemlich heiß - eigentlich eher schwül. Auf die ursprünglich angedachte Kaltsondentour in der Göhrde habe ich keine rechte Lust. Ein Tiefdruckausläufer nähert sich sehr langsam von Südwesten. Dann fällt am frühen Nachmittag die Bergener Sonde wie ein Stein vom Himmel und schafft es nur bis Trelde. Dort liegt sie auf einem Acker, aber der Fallschirm könnte im Garten eines Wohngrundstücks heruntergekommen sein. Von daher ist ein frühes Erscheinen anzuraten. Die Prediction dürfte sehr genau sein - ich habe Tower-Koordinaten, die etwas tiefer gehen als alle Internetquellen. Eigentlich ist es recht weit weg, aber auf der anderen Seite nicht weit entfernt vom Bahnhof Sprötze. Ich greife zum Faltrad und beschließe, vom Hauptbahnhof mit dem Regionalzug dorthin zu fahren. Das allgemeine Bahnchaos hat mich sofort fest im Griff. 

Die Bahnsteige sind gepackt voll mit Leuten - wie üblich.  Irgendwann erreiche ich  Gleis13 und warte auf den  Metronom. Verspätete ICEs rollen durch den Bahnhof.  Meine Idee, auf dem Bahnsteig gleich weit nach vorne zu laufen, verwerfe ich umgehend. Hier stinkt es zu deutlich nach spontanem Gleiswechsel in letzter Sekunde, da bleibt man besser näher an der Treppe. Tatsächlich, da ist schon die akkustisch kaum verständliche Durchsage. Wie üblich müssen wir unmittelbar vor der Abfahrt des Zugs ganz schnell auf Gleis 11 umziehen. Ich erkläre die neue Lage noch rasch einem rudimentär Englisch sprechenden chinesischen Touristenehepaar, die auf den gleichen Zug warten wie ich und eben schon in einen ICE einsteigen wollten. Wie sollen die auch durchsehen, wenn selbst erfahrene einheimische Öffi-Fahrer nicht mehr klarkommen? Vermutlich würde ich im ÖPNV Bejings total abloosen.

 

Die Volksmassen verstopfen bereits alle Aufgänge. Sie laufen wirr und im Zeitlupentempo durcheinander, weil man ja auf der Treppe und beim Umsteigen hochkonzentriert Whatsapps schreiben muss - und daher können sie nicht nach vorne gucken. Drüben kommen dann weitere ICEs - aber nicht unser Zug. Als der endlich eintrudelt, versucht die "Erstmals im Leben Bahn Fahren" - Fraktion kollektiv durch die vermeintlich einzige vorhandene Tür in den vermeintlich einzig vorhandenen Wagen durchzubrechen. Das hat für mich den Vorteil, dass mein Wagen eigentlich genug Platz für alle und für das Faltrad bieten würden - wäre da nicht die Rollenkofferfraktion. Die müssen ihre rollenden Kleiderschränke noch rasch öffnen, um an ihre zahlreichen Freßtüten zu gelangen. Irgendwann gelingt es ihnen, ihre Koffer sinnvoll zu stapeln und somit die Schlange im Eingangsbereich aufzulösen. Die unerwartet gewonnene Zeit nutzen unsere Raucher in der offenen Tür. Daher braucht es drei Durchsagen mit der Aufforderung, doch nicht die Türen zu blockieren, damit wir endlich abfahren können. Auf jedem Bahnhof bis Sprötze wiederholt sich dieser Kult.

Unsere chinesischen Freunde haben übrigens ruhig Platz genommen und sich bereits von dem Kulturschock erholt. Derweil verfestigt sich  immer mehr der Eindruck, einer unvorgesehenen Kaltsondenjagd entgegen zu reisen. Die sich aufschaukelnde Verspätung wird wahrscheinlich bewirken, dass der Killtimer heute schneller ist. Mut macht ein Kommentar von Harry via Whatsapp: 

"Bei der Wärme kann es keine Kaltsonde werden 😂"
 

In Sprötze angekommen, sieht es so aus, als ob Harry knapp recht haben könnte. Warm und schwül ist es in jedem Fall, und es sind ja nur 2.5 Kilometer Radfahrt. Beim Ortseingang Trelde sind es noch 13-14 Minuten bis zum Killtimer. Hier führt die Straße nur 350-400m an der Landestelle vorbei. Ich halte kurz an. Der TTGO empfängt nichts. Ich halte das Gerät am ausgestreckten Arm so hoch ich kann - und da blinkt tatsächlich die LED an dem kleinen Kasten! Dass man die Koordinaten mit RDZsonde mit einem Klick auf Locus übertragen kann, ist sehr praktisch. Jetzt kann der Killtimer nichts mehr schaden.  Erwartungsvoll fahre ich zur Poststraße. 

Dort gibt es laut Karte einen Durchgang, der direkt an der Landestelle auf den Acker führt. Der ist tatsächlich vorhanden. Und schon von Weitem sieht man eine helle Schnur auf dem dichten, erntereifen Raps aufliegen. 

 


Ich habe Glück: die Schnur ist nicht straff gespannt. Daher befinden sich der große Ballonrest und der komplett wirkungslose Fallschirm knapp nicht auf den Privatgrundstücken, sondern in dem Graben, der den Acker begrenzt. 

 

 



Auf der ersten Treckerspur im Rapsfeld befindet sich die Sonde. Ich gewinne das Rennen gegen den Killtimer um 3 Minuten. Da der TTGO nach wettersonde.net einspeist, ist das dort einwandfrei dokumentiert. 

 

 



 

Der "Sieg" hat am Ende einen rein sportlichen Wert - gefunden hätte ich die Sonde auch ohne Empfang, da sie auffällig nur 8 Meter neben der Prediction liegt. Harrys neu entdecktes Gesetz, demzufolge ab einer bestimmten Temperatur eine Kaltsondenjagd thermodynamisch unmöglich ist, wurde jedenfalls eindrucksvoll bestätigt.

Ich packe meine Sachen und radel durch die Hitze zurück nach Sprötze. Dort sind noch 40 Minuten Zeit bis zur Ankunft des Zuges. Ich setze mich auf die Treppe an der Unterführung unter den Gleisen. Hier ist es angenehm kühl. Der Zug ist pünktlich und eher voller als auf der Hinreise. Aber diesmal ist er überwiegend von Leuten mit entwickelter Öffi-Erfahrung bevölkert. Wie herrlich entspannt das Bahnfahren doch sein kann!

 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
 


Samstag, 12. Juli 2025

Nach 11 Monaten am Boden

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
U3250041
Produktionsdatum: 12.08.2022
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill:
5h:00m

Startstation:
Bergen
(WMOID:
10238)
Flugdatum: 07.08.2024 (12:00Z)
Track
wettersonde.net

Maximale Höhe:
 34600m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 4.87m/s

Landegeschwindigkeit:
 8.1m/s

Landestelle: Grünhof-
Tesperhude, LAT, LON: 53.39991,10.46273 Google Maps
Status:
Geborgen am 11.07.2025 14:46UT
Methode:
 Baumlander am Boden aufgesammelt, Koordinaten von Axel (DB7XO)

Am 7.7.2025 landet die Mitternachtssonde aus Bergen bei Grünhof-Tesperhude. Die Daten aus Radiosondy erlauben eine gute Extrapolation. Ich komme erst 4 Tage später dazu der Sache nachzugehen. Die Bushaltestelle Krukower Weg liegt in 800m Distanz. Also fahre ich hin und wandere zur Landestelle. Von der Sonde finde ich keine Spur, wohl aber ist jemand exakt auf der Extrapolationslösung exakt in Flugrichtung senkrecht zu den Treckerspuren durchs Weizenfeld gelaufen. Zentrales RUSHland, da kommt sowas vor. Es ist übrigens easy, in Sondehub oder Radiosondy einen Eintrag zu machen. In Sondehub geht das offenbar auch ohne Anmeldung. 

Was macht man mit dem angebrochenen Nachmittag? Man guckt auf die Geoapp Locus. Und was findet man dort an interessanten Wegpunkten? In bequemer Wanderdistanz soll in dem Wald da vorne ein Baumhänger verborgen sein. Axel hat die Koordinaten damals in Whatsapp gepostet. 

 


 

Also nix wie hin. Die Bäume von Axels Foto sind schnell identifiziert, und am Boden liegt exakt auf seinen Koordinaten eine RS41. Vom Fallschirm kann ich nichts entdecken.

 


  


 

Frohgemut wandere ich durch den Wald zurück zur Bushaltestelle und trete die Heimfahrt an. 

 

 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier