Samstag, 7. September 2019

Eine erfolglose Kaltsodenjagd wird plötzlich heiß




Sondentyp: RS41-SGP
SN: P2041033
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 07.09.2019 12Z
Timerkill: 5:20h
Track Bremen
Landestelle Rullstorf, LAT LON:53.295540, 10.539830, Google Maps
Status: Gefunden am 07.09.2019, 14:30Z
Methode: Decodierung des Sonden-GPS

Am 7.9.2019 ist das Wetter trocken, und ich beschließe, eine Kaltsondensuche im Bereich Lüneburg zu unternehmen. Insbesondere liegt da noch eine Manöver-DFM09 im Wald, und nach meiner guten Erfahrung mit einer Sonde vom gleichen Tag will ich der eine Chance geben. Startpunkt ist der Bahnhof Echem an der Strecke Büchen-Lauenburg-Lüneburg. Dort wird mein Faltrad ausgeklappt und los geht es. Im Dorf Bockelkathen stoppt mich eine Straßenbaustelle - sie ist aber mit dem Rad noch passierbar. Dahinter liegt im Wald die Landestelle von P2221075, der Schleswiger Sonde vom 26.12.2018. Ich hatte sie damals schon erfolglos gesucht. Aber vielleicht hing sie ja unauffällig in einem der hohen Bäume und ist inzwischen runtergefallen. Ein von der Straße aus am Waldboden sichtbares weißes Objekt ist leider ein Joghourtbecher. Etliche Bäume sind seit meiner letzter Suche vom Sturm gefällt worden - aber auf dem Boden liegt nichts. Insgesamt habe ich das wenig aussichtsreiche Gelände vielleicht eine Viertelstunde abgesucht und bin dann weitergefahren - zum eigentlichen Ziel der Aktion, der DFM09 618635 vom 28.8.2019 im Wald bei Boltersen.

Eigentlich sieht alles ganz gut aus, besser als auf Google Maps: Relativ lockerer Kiefernwald. Da könnte eine DFM durchfallen. Das Gebiet um die Prediction ist aber ein  brutales Gestrüpp aus dichtem Unterholz in einem kleinen Tal. Ich kämpfe mich hindurch. Dort kann sie sich prima verstecken. Ist sie vielleicht weiter geflogen? Von der anderen Talseite aus kann man das Gelände gut übersehen. Also zurück durchs Gestrüpp. Das Problem ist genau das selbe, was man bei einer Sondenjagd im Maisfeld hat - nur dass hier die Sicht schlechter ist. In der Anflugrichtung liegt auch kein weißer Kasten herum - auch kein kleiner roter Fallschirm. Vielleicht sollte man das Unterholz noch einmal nach Laubfall abscannen - jetzt ist es hoffnungslos.

Zurück zum Rad und weiter. Im Nachbardorf Sülbeck bin ich jetzt das dritte Mal. Da ist eine Manöver-DFM namens 17008862 seit dem 22.8.2018 als vermisst gemeldet. Bei meinem ersten Auftritt 9 Tage nach dem Flug konnte ich in den hohen Buchen nichts Verdächtiges finden. Am 30.12.2018 kam ich wieder mal an der Stelle vorbei und konnte in einer Fichte den Fallschirm entdecken. Die Schnüre verschwanden im Nachbarbaum und dann im Nichts. Vielleicht ist ja inzwischen die Sonde aus irgendeinem Wipfel gefallen. Aber nein, am Boden liegt heute nichts, und der Fallschirm im Baum ist nicht mehr rot, sondern komplett ausgeblichen. Wenn ich es nicht wissen würde, würde ich ihn als Plastiktüte identifizieren.

Nach diesem kleinen Check ist noch zu erwägen, ob man eine Nachsuche in der Landeregion von P2740507, der Essener Sonde vom 21.9.2018 anschließt. Das hatte ich schon  mal am Tag nach der Landung probiert, aber außer einem Schwarzspecht nichts Interessantes gesehen. Essener Sonden sind hier sehr selten, und leider ist die Prediction von diesem Exemplar sehr ungenau. Man müsste ein riesiges Waldgelände absuchen - wenn sie nicht sogar in einer der Kiesgruben verloren ging. Allmählich ist meine Meinung zum Durchkämmen von Wäldern nicht mehr sehr ausgeprägt. Stattdessen sollte man besser gleich nach Lüneburg radeln und dann mit dem Zug nach Hause fahren.

Da sehe ich, dass es etwas gibt, was ich seit ein paar Stunden nicht gesehen hatte: Echtes mobiles Internet. Phasenweise gab es in den Wäldern nicht mal Telefonnetz. Jetzt ist es an der Zeit, mal das Neueste von wetterson.de in Erfahrung zu bringen. Die Bergener Mittagssonde ist für den Raum Lüneburg vorhergesagt.

Es stellt sich heraus, dass sie schon gelandet ist. Und zwar in Schlagdistanz, Luftlinie keine 4km von mir entfernt, bei Rullsdorf! Ich bin vorhin da vorbeigefahren. In dieser Lage hilft zuverlässig der  spontane U-Turn auf der Landstraße. In Rullsdorf quere ich die aufgegebene Bahnstrecke, und gleich dahinter bringt mich ein Feldweg ins Landegebiet.

Glücklicherweise habe ich heute Morgen schnell noch den Raspby mit meinem experimentellen Zilog-Setup und eine Moxon eingesteckt. Die Antenne auf die Landestelle ausgerichtet, "Bergen 405.7" angeklickt, und schon erklingt der markante Sound der RS41 im Ohrhörer. Zilog lässt die Korrdinaten sprudeln. Die Kenntnis der genauen Landestelle ist entscheidend. Denn die Region ist von Gräben durchzogen. Ansonsten halten sich die langen Koppeln an die strenge Drittelparität: Mais, Weide mit Kühen, Weide ohne Kühe. Die Sonde liegt auf einer Weide mit Kühen, und zwar ganz am anderen Ende.

Auf der Nachbarkoppel ist der Bauer aktiv. Der erweist sich als trocken-norddeutsch und nett. "Ja, können Sie machen. Die Kühe werden hinter Ihnen herrennen, aber die tun nix."

Also über die benachbarte Weide ohne Kuh die 400m Richtung Sonde zurücklegen. Die Kühe sind alle am anderen Ende der Weide, und da ich Abstand vom Zaun halte, laufen sie auch nicht neugierig hinter mir her. Feldstecherinspektion der Weide zeigt den roten Fallschirm und die Schnur. Ich lasse mich unter dem Stacheldraht hindurchrollen, laufe noch 100m über die Kuhwiese. Die Rindviecher am anderen Ende sind desinteressiert. Nach all dem Kaltsondenfrust im Wald gibt es zum Ausgleich eine leichte Bergung.


 





Nach dem spontanen Abstecher macht es keinen Sinn, nach Lüneburg zu fahren. Das immer noch schöne Netz verrät mir, dass in Echem in einer Stunde ein Zug nach Büchen fährt. Auch ist hier der Radweg dieser Nebenstrecke eine Luxus-Autobahn (mit Ausnahme der Baustelle in Bockelkathen), während auf der vielbefahrenen L221 nach Lüneburg erst gar kein Radweg vorhanden ist. Da kein Zeitdruck besteht, ist das eine absolut gemütliche Genussfahrt.  

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