Montag, 23. Dezember 2024

Die Nordseite der Elbe - Terra Incognita

Das Nordufer der Elbe flußaufwärts von Lauenburg habe ich nie so richtig wahrgenommen. Es gibt auf der ganzen Strecke zwischen Lauenburg und Wittenberge nur eine einzige Straßenbrücke, und zwar bei Dömitz. Vor dem 2. Weltkrieg gab es eine Schienenquerung am gleichen Ort, aber die wurde im zweiten Weltkrieg zerstört. Ich war tatsächlich noch nie am Nordufer der Elbe, und das, obwohl heute nur noch ein Fluss, aber kein Stacheldraht die Querung behindert.

Kollege Axel ist da anders drauf. Bis vor kurzem residierte er im Sommer auf einem Campingplatz bei Dahlenburg. Von da aus ist es nicht weit bis zur Elbfähre Darchau. Dann fuhr er mal eben schnell rüber, um auf der anderen Seite Sonden einzusammeln. Derzeit ist Winter, und das mit dem Campingplatz ist leider auch vorbei.

Das ganze Drama mit der anderen Elbseite begann am 19.12.2024. Da verlor sich die Spur einer Sonde aus DeBilt über der Strommitte. Derartiges Geflügel ist hier hochgradig selten, und sie kam völlig unerwartet. Sie war in 16km Höhe steckengeblieben, war dann ein Weilchen als Floater unterwegs um dann wie ein Stein abzustürzen. Nur aufgrund des ungewöhnlichen Flugprofils schaffte sie es in unsere Gegend. Und das beste: Ich habe das Ereignis erst 30 Stunden danach bemerkt, als ich die Warnmeldungen desTelegram-Bots auf dem Handy zu weit nach oben gescrollt hatte. 


 

 

Der niederländische Startort Cabauw war mir unbekannt. Es ist aber evident, dass diese Sonde aus DeBilt kam. Auch auf unserer Whatsappgruppe stand bisher nichts zu dieser Sonde. Das änderte ich rasch.

 


Diesen Landeanflug verpennt zu haben, war etwas ärgerlich. Wie berichtet, experimentiere ich gerade mit dem Web-SDR auf dem Turm bei Zernien. Diese Landung hätte man damit wahrscheinlich bis zur Grasnarbe mitschneiden können, in jedem Fall hätte man damit erproben können, was von dem 290m hohen Turm aus 21km Entfernung möglich ist. So aber blieb nur eine unsichere Prediction. Und ob das den Aufwand einer Fahrt mit Bus, Bahn und Fähre rechtfertigt, weiß ich nicht. Am Freitag habe ich auch keine Zeit.

Samstags Mittags lerne ich dann, was möglich gewesen wäre: Denn die Norderney-Sonde tut es dem Teil aus DeBilt gleich. Sie quert die Elbe und bleibt knapp auf der anderen Stromseite liegen. Der Empfang mittels Tower Power ist extrem spektakulär. Das Ding empfängt das Signal der gelandeten Sonde und einzelne Frames lassen sich mit dem Zilog-Decoder verarbeiten! GPS-Höhe im Schnitt etwa  60m, das sind 5m über dem Boden. Zum Vergleich: wettersonde.net hat die Sonde bis 811m, Sondehub bis 932m, Radiosondy bis 504m.

Später am Abend gibt es noch besseren Empfang und ich decodiere durchgehend die Daten, Frame für Frame. Die Landestelle befindet sich auf dem Friedhof des Dorfes Kaarßen.  Um 21:02:55 verstummt die Sonde. Ich entwickel die Idee, beim ersten Morgenlicht das Ding diskret zu bergen, noch bevor Friedhofsbesucher oder Gärtner dort für Ordnung sorgen können.

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
W1140453
Produktionsdatum:2024-03-14
Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Norderney (WMOID:
10113)
Flugdatum: 21.
12.2024 12:00Z
Track
radiosondy/TowerPower-Mix

Maximale Höhe:
30209m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.02 m/s

Landegeschwindigkeit:
5.1m/s

Fundstelle: Kaarßen
LAT, LON:
53.19513,11.04826  Google Maps
Status: Geborgen am 22.12.2024,10:24
UT.
Methode:
Signal nach der Landung decodiert via
db0dan, Kaltsondenbergung

 

Wie hinkommen? Die naheliegende Verbindung führt mit Bahn und Bus via Lüneburg bis zum südlichen Elbufer bei Neu-Darchau. Dann mit der Fähre übersetzen und 15km radeln. Das Doofe: Es ist Sonntag. Da fährt die erste Bus/Fähren-Kombi so spät, dass man erst Mittags vor Ort ist. Kann man von Norden einschweben? Nein, denn in der Gegend haben die BWLer flächendeckend zugeschlagen. Deren Idee zur Verkehrswende ist die Totalabwicklung des ländlichen ÖPNV: Fahrplan ausdünnen und den Kostenfaktor Bus durch Anfruf-Sammeltaxis (Rufbusse) ersetzen. Man muss 1-2 Stunden vorher online oder telefonisch anfragen. Fragt keiner nach, fällt die Verbindung aus. Ach so: Ich will am Wochenende ein Rad mitnehmen? Kein Problem: Das geht aber nur telefonisch. Spätestens am Freitag um 18:30 muss man verbindlich einen Termin abmachen. Irgendwelche Fragen, warum der Landmann nicht ohne Auto auskommt?..Die einzig praktikable Verbindung nach Kaarßen am Sonntag Vormittag: Bahn nach Pritzier und 23km radeln. Ohne Brompton keine Fahrt zum Nordufer der Elbe. Aufgrund eigener Probleme komme ich mit dem ersten Zug am Morgen nicht los, so dass ich erst am späten Vormittag ins Zielgebiet radeln kann.

Das aber geht erstaunlich gut. Inzwischen sind auch an Nebenstraßen im Osten tolle Radwege installiert. Höhenmeter gibt es in der Elbeniederung auch nicht. So komme ich gut vorwärts. Auf den Wiesen stehen jede Menge Singsschwäne. Plötzlich ein Schild am Wegesrand:




Einreise in das Gebiet, das sich "Amt Neuhaus" nennt. Tatsächlich gehörte diese Gegend historisch zu Hannover bzw. Niedersachsen. Nach dem 2. Weltkrieg haben die Briten es den Russen überlassen, so dass die Elbe die Grenze zwischen den den Besatzungszonen bildete. Bis 1990 war das "Amt Neuhaus" ein Teil der DDR, kam aber nach der Vereinigung nach einem Referendum zurück nach Niedersachsen. Der Radfahrer bemerkt eine markante Verschlechterung des Straßenbelags.

Ich nähere mich dem Dorf. Da ist linkerhand auch schon der Friedhof. Friedhofsbesucher sind keine zu sehen. Die Sonde hängt unübersehbar an einem kleinen Baum in ca. 3-4m Höhe. Erstaunlich, dass die Sonde aus 18km Entfernung decodiert werden konnte. 290m Meereshöhe sind eben durch nichts zu ersetzen.

Der Fallschirm befindet sich hinter der Friedhofsmauer. Ich bin glücklich, dass ich hier keine spektakuläre Bergungsakrobatik zur Aufführung bringen muss. Die Bergung läuft schnell und diskret ab - am Rande einer ganz normalen Besichtigung des Friedhofs wird kurz etwas Müll entfernt.







Außer den Gräbern der Anwohner finden sich auch solche, die zum Nachdenken zwingen. Offenbar kam es 1945 hier bis zum Schluss zu sinnlosen Kämpfen. Diese Soldaten sind hier bestattet. Nicht nur Militärs waren hier zwischen den Fronten und der Elbe eingezwängt. Es strandeten - und starben - hier wohl recht viele zivile Flüchtlinge. Nach der Kapitulation wurden für diese Personen Lager eingerichtet, in denen die Versorgungslage mangelhaft war. An den Todesdaten erkennt man, dass viele dieser unglücklichen Menschen noch Jahre nach dem Krieg den Strapazen der Flucht erlegen sind - so stellt es jedenfalls die Kriegsgräberfürsorge auf ihrer Webseite und einem pdf dar. An einer Stelle steht das Einzelgrab eines pensionierten Schuldirektors aus dem Osten, dessen Leben hier endete.

 


Nachdem ich den bedrückenden Ort verlassen habe, muss die weitere Route geplant werden. Es geht Richtung Elbe. Wieder wird deutlich, dass Verkehrsbehörden bei dem Aufstellen des Schildes "Durchfahrt verboten für alle Fahrzeuge" gar nicht an Radfahrer denken. Wer kein Landwirt oder Angler ist, kann den überall beworbenen und ausgeschilderten Elberadweg nicht legal befahren?

 


 


Wenn man diese sinnlose Beschilderung so interpretiert, wie sie in Wahrheit gemeint ist, kann man durch eine wunderbare Landschaft fahren - absolutes Genussradeln. Der kalte Gegenwind wird durch den nahen Deich gedämpft. Teilweise scheint sogar die Sonne.

 



 

Schon ist das Elbdorf Darchau erreicht.  Die Elbfähre pendelt munter zwischen den Ufern. Ich aber bleibe auf der Nordseite. Bis zur ungefähren Landestelle der DeBilt-Sonde sind es nur noch 3km. Mangels Tower Power wird die Suche im Gelände wohl schwierig, aber nicht chancenlos. Die Zeit reicht auch für eine längere Suche - es ist noch früher Nachmittag. Und DeBilt-Sonden sind in unserer Gegend Raritäten. Ich radel gespannt weiter, an einem DDR-Grenzturm vorbei, der zu einem Fledermausquartier umfunktioniert worden ist. Ein wenig elbabwärts muss die Sonde niedergegangen sein. 







Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
W2351044
Produktionsdatum:2024-06-07
Frequenz: 403.9 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
DeBilt
(WMOID: 06260))
Flugdatum: 19.
12.2024 00:00Z
Track
wettersonde/sondehub

Maximale Höhe:
16949m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 1.49 m/s

Landegeschwindigkeit:
11.2m/s

Fundstelle: Darchau
LAT, LON:
53.25530,10.8633  Google Maps
Status: Geborgen am 22.12.2024,12:59
UT.
Methode:
Tawhiri-Prediction nach Sondehub-Daten

 

Und was soll ich sagen: Ich bin noch nicht vom Fahrrad abgestiegen, als ich weiß, dass ich hier richtig bin. Ein großer roter Fallschirm und ein riesiger Ballonrest auf einer Weide springen geradezu auf den ersten Blick ins Auge. Bei genauerer Inspektion liegt da auch die Sonde, nur 25m vom Zaun der Weide entfernt.  Tiere sind keine auf der Weide - nur ihre Hinterlassenschaften. Der Fallschirm ist das gleiche Modell wie die alten großen Bundeswehrschirme aus der RS92-Zeit. Der Ballonrest hat sich in den Fallschirmleinen verknotet, was die hohe Landegeschwindigkeit erklärt. Dass es derart einfach werden würde, hätte ich nicht gedacht. 









Dann gibt es da noch einen Rätselfund aus der Abteilung "HÄ?". Beim Einrollen der Schnur stolpere ich über diesen Gegenstand -  er  liegt auf der Weide.


Wohlgemerkt: Wasser mit großen Raubfischen ist weit weg. Was auch auffällt: Die Angelhaken sind abgeknipst.

Nach der schnellen Bergung habe ich viel mehr Zeit für die Rückreise als erwartet.  Nach 44km mit dem Rad geht es jetzt mit Fähre, Bus und Bahn richtig bequem heimwärts. Seit ich das Faltrad habe, musste ich hier das erste Mal eine Fahrradkarte für das  Vehikel kaufen, denn bei praktisch jedem Verkehrsunternehmen gilt es im gefalteten Zustand als Gepäckstück. Die Verbindung mit der Fähre ist Gold wert: In 5 Minuten bringt mich die "Elbfähre Tanja" über den Strom. Und hier verkehrt immerhin ein richtiger Bus nach Lüneburg und (noch?) kein Anruf-Sammeltaxi.






 

Als der Bus sich in Bewegung setzt, beginnt es draußen zu regnen. Ich kann mich nicht beklagen: Mit dem Wetter hatte ich auf der ganzen Tour Glück. In Lüneburg ziehe ich den fast leeren Bummelzug dem schnelleren, aber krass überfüllten direkten Regionalexpress vor und komme entspannt nach Hause. 

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Freitag, 20. Dezember 2024

Tower-Power im Melusinental

 Es steht da im Wendland kleiner feiner Turm:

Foto: Torsten Bätge, Wikipedia CC BY-SA 3.0

Das ist ein Sendemast des NDR. Dort betreiben Amateurfunker (Callsign db0dan) einen kleinen feinen Web-SDR 290m über dem Meeresspiegel. Für norddeutsche Verhältnisse bedeutet das: Weg mit dem Watzmann, dann haben wir von da oben freie Sicht bis zum Mittelmeer. 

Es gab da auch zwei kleine feine Radiosonden-Kanäle. Leider mit einem Empfangsloch zwischen 403 und 404MHz. Dennoch hat Axel gelegentlich damit decodiert und eindrucksvoll niedrige letzte Positionen zur Verfügung gestellt. Getriggert durch eine kürzliche RS92 aus Pinneberg habe ich mich mal wieder mit meinem eigenen SDR-Stick befasst, und bei der Gelegenheit auch mit dem Web-SDR herumgespielt. Dann habe ich testhalber ein paar Landungen mitgeschnitten und festgestellt, dass man die Sonden im Raum Hamburg von dem Turm bis in Baumwipfelhöhe empfangen kann.

Dirk - auch ein Mitglied unserer Whatsappgruppe - hat Kontakt zu den Betreibern des Turms. Sie waren sofort bereit, einen weiteren Stick zu installieren, aber erst im kommenden Jahr. Mit einer derart positiven Antwort in derart reflexartiger Geschwindigkeit hatte ich nicht gerechnet. Ich schrieb dann Dirk, dass man doch das Band 401-402MHz herausnehmen könnten, denn da sind hierzulande wenige Sonden unterwegs. Dann hat man das Sondenband von 402-406MHz komplett und bei 404MHz sogar eine Überlappung. Dirk hat die Idee wohl dem Betreiber gemailt. Ich war extrem erstraunt und begeistert, dass ich beim nächsten Aufruf das 403-404MHz-Band aufscheinen sehe. Bei denen werden Wunder sofort erledigt. WOW! Das erfordert natürlich auch, dass man ab sofort die Möglichkeit auch nutzt.

Tags drauf steuert eine Norderney-Sonde auf Schwarzenbek zu. Gleich mal testen. Frequenz einstellen, Audioeinstellungen an meinem Notebook konfigurieren, Zilog starten. In der Vor-TTGO-Zeit habe ich das genau so auf dem Acker mit meinem SDR-Stick gemacht. Dies hier ist aber Remote! Genau wie früher lässt Zilog wieder die Koordinaten sprudeln:

 


 

Was soll man sagen: Zieht man 40m Geoidhöhe und die Geländehöhe ab, hat der Empfänger im 54km entfernten Zernien die letzte Position der Sonde in 10 Metern über Grund erfasst! Das ist besser als Baumwipfelhöhe.  Was für eine Tower-Power! Schnell eine Extrapolation gerechnet. Zu dieser Sonde muss man keinen Empfänger mitnehmen. Ich poste die Koordinaten in unsere Gruppe, aber keiner fährt hin. Dafür klappt es einen Tag später. Meppen 1 und 2 werden via Tower bis zur Landung mitgeschnitten. Jürgen bzw. Sascha müssen nicht lange peilen....

Zwei Tage nach dem Flug hat es für die Norderney-Sonde bei Schwarzenbek bisher keine Bergungsmeldung gegeben....Also beschließe ich am Freitag Morgen eine schnelle Suche. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
W1236480
Produktionsdatum:2024-03-20
Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Norderney (WMOID:
10113)
Flugdatum: 18.
12.2024 00:00Z
Track
wettersonde.net/TowerPower-Mix

Maximale Höhe:
30209m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.02 m/s

Landegeschwindigkeit:
5.1m/s

Fundstelle: Melusinental,
LAT, LON: 
53.48702,10.51069  Google Maps
Status: Geborgen am 20.12.2024,9:13
UT.
Methode:
Extrapolation aus Empfang via
db0dan

 Mit dem Regionalexpress bin ich schnell in Schwarzenbek, und die 3 Kilometer sind per Fahrrad kein Thema. Vom Fahrweg aus kann ich einen etwas im Raps versteckten weißen Fleck sehen - das ist definitiv der Fallschirm. Die übliche landwirtschaftliche Plastiktüte kann es nicht sein. Dazu passt die Position zu gut. Gummistiefel an und los!

 


 


Ein Blick auf die Distanzanzeige in Locus: Die Sonde liegt innerhalb des GPS-Error-Circles auf der Extrapolationslösung. Genauer wäre das mit einemTTGO auch nicht gegangen! Der Abstand Sonde-Prediction schwankt phasenweise zwischen 1 und 2 Metern. Das erfordert aus 10m Höhe auch keine große Vorhersagekunst, aber was für Möglichkeiten eröffnen sich da für die Kaltsondenjagd. Man muss nur daran denken, den SDR und Zilog zu starten. 



 





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Samstag, 14. Dezember 2024

Mein Arbeitgeber lässt einen fliegen!

Am 13.12. startet mein Arbeitgeber, also die Uni Hamburg, eine RS41 vom meteorologischen Institut auf dem Geomatikum. Dies passiert 1-2mal im Jahr, z.B. im Rahmen eines Instrumentenpraktikums für Studierende - aber meistens im Sommer. Insofern bin ich ein wenig erstaunt über den Start mitten im Dezember. Typischerweise erinnert das Flugprofil an Sasel, also 26km Maximalhöhe und DWD-Fallschirm innerhalb des Ballons. Ich kann sogar vom Schreibtisch aus überprüfen, ob die neuen Audioeinstellungen meines Notebooks mit dem Zilog-Decoder kompatibel sind - ich hatte da in letzter Zeit Probleme.

 

Ansonsten glaube ich nicht, mit dieser Sonde etwa zu tun zu haben. Denn eine Tawhiri-Prediction lässt eine Landung in der Gegend von Schwerin erwarten. Dann aber platzt der Ballon bereits in 21km Höhe. Somit verlegt sich der Landeplatz deutlich weiter nach Westen, und zwar in die Region Lübeck. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
V0820583
Produktionsdatum:2023-02-21
Frequenz: 403.93 MHz
Timerkill:
keiner

Startstation:
Uni Hamburg (Geomatikum
)
Flugdatum: 13
.12.2024 12:00Z
Track
wettersonde.net

Maximale Höhe:
21174m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.38 m/s

Landegeschwindigkeit:
1.9m/s

Fundstelle: Lübeck-Vorrade,
LAT, LON: 
53.82545,10.65848  Google Maps
Status: Geborgen am 13.12.2024
, 14:56 UT

Methode:
Empfang und Decodierung des Sondensignals (TTGO, RDZsonde)

Ich kann am Freitag relativ früh Schluss machen und will dann die verbleibenden Stunden Tageslicht für eine Sondenjagd verwenden. Eigentlich ist mein Plan, die am Mittwoch südlich von Bardowick im Wald gelandete Sasel-Sonde V2940538 zu suchen. Ich mache dann diesen Plan auf unserer Whatsappgruppe publik. Dort  wird natürlich eifrig die Uni-Hamburg-Sonde diskutiert. Die erwartete Landeregion liegt stabil südlich von Lübeck-Moisling. Ich denke am Hauptbahnhof kurz darüber nach, den Plan spontan umzustoßen und nach Lübeck zu fahren.  Dort gibt es seit einiger Zeit einen neuen Bahnhof, so dass die Anreise einfach wäre. Der Zug nach Bardowick geht um 13:33 und ist verspätet. Der nach Moisling soll um 13:34 fahren. Aber dort ist ein nicht eintragender Sondenjäger aktiv. Einige Mitglieder unserer Gruppe wohnen näher an der Landestelle. Sie haben zwar noch nichts Konkretes angekündigt, werden sich aber wahrscheinlich der Sache annehmen. Also ist die Tour nach Lübeck weder sinnvoll noch besonders aussichtsreich. Es ist daher besser, beim ursprünglichen Plan zu bleiben. 

Also sitze ich gemütlich im Metronom nach Lüneburg und rumpele über die Elbe Richtung Bardowick. Auf halbem Weg piept mein Handy. Axel hat wohl meine Ankündigung nicht gelesen und meldet gerade auf Whatsapp seine Bergung der Sasel-Sonde. Hätte ich seinen Plan gekannt, wäre ich jetzt auf dem Weg nach Lübeck. Dennoch freut mich sein Erfolg.

Als er bemerkt, dass ich zeitgleich auf dem Weg bin, ruft er mich sofort an und möchte mir sogar einen Lift nach Hause anbieten. Das ist sehr lieb, aber ich bin bereits ausgestiegen und warte am Bahnhof Maschen - jenem abgeschnittenen ÖPNV-Schandfleck mit Ostblock-Flair - auf den Gegenzug. Dort stehen einige Bahn-Mitarbeiter vom Güterbahnhof herum, die Feierabend haben und Richtung Hamburg wollen. Das lässt auf das baldige Eintreffen eines Zuges schließen. Da kommt er auch schon herangerauscht. Der spontane U-Turn auf der Eisenbahn hat glatt funktioniert.

Ein kompletter Abbruch der Aktion wäre dennoch etwas frustrierend. Faltrad, Bergungsstange, Sondenjäger-Equipment inklusive TTGO habe ich ja dabei. Ermunterungen erreichen mich auch aus der Gruppe:




Ein Blick auf die Bahn-App verrät, dass ich ohne lange Umsteigezeit am Hauptbahnhof einen Zug nach Lübeck-Moisling erhaschen könnte, um von dort aus vor Sonnenuntergang die Landestelle zu erreichen. Die liegt unweit der Straße auf einer Brachfläche, 5 Fahrradkilometer vom Bahnhof entfernt.  Geborgen ist die Sonde noch nicht, und von den übrigen Verdächtigen ist offenbar keiner unterwegs. Also steige ich ein und verlasse Hamburg, diesmal Richtung Nordost.
Das Deutschlandticket ist schon eine tolle Sache. 

Bernd, der die Gegend gut kennt, ist optimistischer als ich. Er schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass der besagte "Rapid Unidentified Sonde Hunter" (RUSH) schneller ist, auf 50%. Das macht Mut, denn meine persönliche Schätzung lag bei 80%. Jedenfalls habe haben Rüdiger und ich schon mal von Moisling aus zwei Sonden kurz nach der Landung gesucht und kamen zweimal zu spät. Eingetragen wurde in beiden Fällen nichts.

In Moisling wird das Rad auseinandergefaltet, und los geht es. Die Landestelle ist bald erreicht. Der anonyme Sondenjäger ist wohl heute ganz rush auf den Lübecker Weihnachtsmarkt gefahren. Denn ein Blinken auf dem TTGO zeigt den Empfang des Sondensignals an. Die Position liegt nur 6 Meter von der Vorhersage entfernt. Man ahnt auch durch das Geäst einer Eiche zwei helle Flecken schimmern. Das dürften Ballonrest und Fallschirm sein. Ich schließe das Rad an das Ortsausgangsschild der Stadt Lübeck und starte den eigentlichen Bergungsversuch.

Der Zugang ist einfacher als gedacht. Es handelt sich um eine von der Straße aus problemlos zugängliche trockene Brachfläche. Am Rand steht besagte Eiche, und der Fallschirm hängt bodennäher, als es von der Straße aus gesehen den Eindruck machte. 



Die Sonde hat sich an einem Grasbulken verhakt und liegt auf dem Boden:




 



Ich schneide die Schnur ab. Ich bin zu faul, zur Bergung des Schirms die Teleskopstange auszupacken, kann den Fallschirm mit einem kleinen Sprung greifen und dann den Rest der Schnur aufrollen. Die UHH-Meteorologen haben den Ballonhals im Pinneberg-Stil mit einem Kabelbinder verschlossen.



Nach wenigen Minuten bin ich wieder zurück beim Rad:



Während es rapide dunkel und empfindlich kalt wird, bin ich unterwegs zurück zum Bahnhof. Dort muss ich nur 15 Minuten auf den Zug nach Hamburg warten. Ich bin froh, dass er gut geheizt ist, denn auf dem Bahnhof Moisling wehte ein eisiger Wind. 
 
Dies ist übrigens mein zweiter Fund einer Sonde der Uni Hamburg. Als die Uni ihr 100jähriges Bestehen feierte, ließ man während der "Woche des Wissens" täglich öffentlich einen Wetterballon auf dem Hamburger Rathausmarkt aufsteigen. Einen davon konnte ich in Rahlstedt in einer Wohnanlage bergen.

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