Montag, 24. Juni 2019

Wissensvermittlung beim Start, Wissensvermittlung bei der Landung

Sondentyp: RS41-SGP
SN: P4230822
Frequenz: 403.93 MHz
Startstation: Uni Hamburg (Sommer des Wissens, Rathausmarkt Hamburg)
Flugdatum: 23.06.2019 14:30Z
Timerkill: 5:00h
Track: Bremen und Uni Hamburg
Fundstelle  Hamburg-Jenfeld, LAT LON: 53.58191, 10.14059 Google Maps
Status: GEBORGEN 23.06.2019, 15:30Z
Methode:  GPS-Decodierung

Die Universität Hamburg wird 100 Jahre alt. Zur Feier des Jahrestages wurde der Sommer des Wissens ausgerichtet. Auf dem Rathausmarkt wurde daher eine Zeltstadt und eine große Bühne aufgebaut. Dort präsentieren die verschiedenen Fachbereiche ihre Forschung und ihre Wissensgebiete. Die Meteorologen hatten ein besonderes Highlight geplant: Sie starten von der Hauptbühne, ähnlich wie in ihrem Ballonpraktikum, Radiosonden. Der Flug und die eintrudelnden Daten wurden live kompetent kommentiert, wobei eine Menge meteorologische Grundbildung vermittelt wurde.

Den Reigen der Sondenstarts eröffnete P4410397, die am 20.6. von Uni-Präsident Lenzen höchstselbst, assistiert von Senatorin Fegebank, auf die Reise geschickt wurde. 

Quelle: https://twitter.com/wettermast

Tags drauf startete P4240203. Sie landete mitten in Neustadt/Holstein - zu weit weg für eine spontane Aktion. Am Samstag flog P4230977. Sie wurde von Bernd alias DL1XH auf einem Rapsfeld unweit Bad Segeberg geborgen. Und auf der sehr schönen Homepage der Hamburger Uni-Meteorologen sowie auf der Seite des Sommers des Wissens war auch am Sonntag der Programmpunkt "Wetterballon live" angekündigt.
Die Habhub-Prediction zeigte, dass in allen Luftschichten nur wenig Bewegung zu erwarten war, und ein zur fraglichen Zeit auf dem Rathausmarkt gestarteter Ballon ein paar Schleifen über der Hansestadt drehen und nicht weit kommen würde. Die vorherigen Sonden hatten alle eine Startgeschwindigkeit von 5m/s und erreichten sehr reproduzierbar 23-24km Höhe. Die Landegeschwindigkeit schwankten wie üblich zwischen 15m/s und 2m/s. Variierte man in der Prediction die Landegeschwindigkeit, blieb die Landestelle immer in Radfahrentfernung von den Regionalbahnhöfen Tonndorf und Rahlstedt. Also lag es nahe, den Start auf dem Rathausmarkt zu verfolgen, dann diese Gegend zu fahren, dort die Sache zu beobachten und dann zur Landestelle aufzubrechen.
Ich war zeitig am Rathausmarkt und konnte sogar mit den Meteorologen klönen. Sie freuten sich sichtlich über die Information, dass ihre letzte Sonde geborgen wurde, und dass sich auch heute ein paar Sondenjäger zur Landestelle aufmachen wurde. Ich hatte mich gerade hingesetzt, als jemand neben mir Platz nahm: Bernd - der die letzte UHH-Sonde bekanntlich gefunden hatte. Er hatte derweil auch schon mit den Meteorologen gesprochen und sogar backstage ein Foto der heutigen Sonde gemacht, "dann wissen wir immerhin schon die Seriennummer". Mein Raspby wurde herausgekramt. Die Sonde sendete bereits und zeigte natürlich die gleiche Nummer an. 

Sonde vorher (Foto von Bernd)


Der Ballon wurde dann mit dem üblichen Countdown gestartet und gewann schnell an Höhe.



Bei dem schwachen Wind konnte man das Objekt lange Zeit als hellen Punkt am Himmel sehen, wenn man etwas Erfahrung beim Beobachten der Venus am Taghimmel hatte. Wetterson.de wurde mitverfolgt. Die Moderatoren vorne auf der Bühne zeigten auf einem großen Beamerdisplay die Vaisala-Software und verlasen auch angeblich sekundengenaue Höhenangaben. Ich fand es etwas verblüffend, dass sie etwa 500m niedriger waren als die auf dem Raspby-Display und die von wetterson.de. Dies scheint aber nicht an den Daten selber zu liegen, denn die von den Uni-Meteorologen nach dem Flug für eine begrenzte Zeit bereitgestellten Daten zeigen keine Unterschiede zu den wetterson.de Daten. Es muss wohl eher auf eine softwarebedingte Verzögerung in den Positionsdaten hindeuten.

Wie wollten wir die Jagd auf die Sonde gestalten? Bernd hatte auch ein Rad dabei, war aber nicht sicher, ob er nicht lieber die Stadt erkunden oder die ganze Strecke zur Landestelle radeln wollte. So verabschiedeten wir uns. Ich sprang mit Faltrad und 2 Taschen in die S-Bahn zum Hauptbahnhof. Im Regionalzug war ich mir nicht sicher, ob ich besser in Tonndorf oder in Rahlstedt aussteige. Da man im Zweifel von Rahlstedt im Falle eines gut funktionierenden Fallschirms einfacher mit Bussen oder mit dem Rad nach Osten gelangen konnte, entschied ich mich für diese Station.

Der Ballon näherte sich jetzt schon seiner Gipfelhöhe. Leider ist mein Handy-Traffic gedrosselt, und leider gab es anders als auf U-Bahnhöfen kein WLAN. So war das Berechnen der Tawhiri-Prediction im Abstieg etwas nervig.


Auf Whatsapp dachten eine Reihe von Leuten darüber nach, der Sonde hinterher zu jagen. Dann machen wir eben eine SBZ (Spontane Bergungs Zusammenrottung). Wer als erster kommt, muss länger auf die anderen warten. Harry, noch auf dem Rückweg aus Mecklenburg, wollte es auf jeden Fall versuchen. Er war etwas verzweifelt, da er kurz vor Hamburg im Stau stand.  Irgendwann whatsappte er: Der Verkehr fließt wieder.

Endlich streuten die erwarteten Landepositionen in einem engen Bereich in Hamburg-Jenfeld. Da fuhr ein Regionalzug in Gegenrichtung ein. Da das Landegebiet von Tonndorf aus schneller erreichbar sein würde, sprang ich schnell in den Zug und stieg eine Station später wieder aus. Mittlerweile war die Sonde nur noch 3000m hoch im Endanflug. Der Fallschirm funktionierte schlecht. Eine letzte Vorhersage, die Koordinaten in das Handy-Navy eingegeben, und ab zur Landestelle. Die war nur knapp zu weit, um noch vor der Landung dort aufzuschlagen.

Offenbar gab es auf Whatsapp nette Diskussionen über die erwartete Landestelle, aber ich musste jetzt Rad fahren. Die Position der 3000m-Prediction erreichte ich etwa 4 Minuten nach der Landung. Dort war ein parkartiges Gelände, wo zentralafrikanisch zu verortende Teilnehmer einer Familienfeier - wohl eine Hochzeitsgesellschaft - gerade ihre Autos verließen. Etwas abseits der Menschenmenge wurde der Raspby herausgeholt und schnell eine Position gesichert. Ich war ca. 300m von der Landestelle entfernt.

Ich fuhr etwas zurück in die Charlottenburger Straße und stand vor einer Wohnanlage aus Mietshäusern. Ich musste erst einmal um ein Haus herumgehen und konnte dann auf die Position zulaufen. Ich konnte gerade noch sehen, dass da eine Schnur über einen Baumwipfel verlief.
Doch was war das? Die Schnur bewegt sich? Es raschelt im Laub? Die Schnur reißt? Oh nein! Wer da zerrte, war zunächst unklar, da die Schnur hinter der Hausecke verschwand.

Am Ende der Schnur: Mehrere Kinder, ein Familienvater, ein Ballonrest, ein Abroller und ein Fallschirm. Sie hatten die Sonde beim Landen gesehen, standen vor einem Rätsel und wollten als nächstes auf Dach klettern. Sie wurden erst einmal aufgeklärt, dass sie a) einen Wetterballon gefunden hatten, dass man b) nicht aufs Dach steigen braucht, weil c) die Sonde gar nicht auf dem Dach liegt, sondern d) im Baum hängt. Wenn man den GPS-Daten von ein paar Minuten vorher trauen kann, hing sie da auch erst seit der Bergungsaktion meiner neuen Freunde.

Wir liefen also zum Baum. Von unten war nichts zu sehen. Es gelang mir, mit ein paar Seilmanövern die Sonde auszuhaken, und ab dem Punkt konnte man sie sehr einfach herunter lassen.

Harry, den ich bisher nur elektronisch kannte, kam grinsend um die Ecke. Er hatte etwas Zeit bei der Parkplatzsuche gelassen. Danach mussten wir den zunehmend begeisterten Kindern und dem Vater alles mögliche erklären und viele Fragen beantworten,wobei es gut war, dass wir zu zweit waren. In Harrys Handempfänger konnte man das Sondensignal prima hören, und auf meinem Raspby die Daten sehen. Einer der Jungen erhielt das Gespann; dort war kürzlich in der Schule das Thema "Wetter" behandelt worden, und er wollte das Gespann unbedingt mitnehmen. Naja, so wurde nicht nur am Beginn, sondern auch am Ende der Bahnkurve Wissen vermittelt; was ja wohl der tiefere Sinn dieser Aufstiege war.

Sonde danach




Foto: Harry


Foto: Harry




Foto: Harry

Wir warteten ein wenig an der Landestelle, aber weiter kam keiner. Jürgen hat lange an der exakten Lage des Landeplatzes gezweifelt, und danach war es ihm doch etwas zu weit. Bernd hat doch lieber Hamburg auf dem Rad erkundet, als eine zweite Uni-Hamburg-Sonde zu erbeuten. Andere, uns unbekannte Sondenjäger tauchten nicht auf, so dass wir noch ein wenig fachsimpelten und dann ziemlich gut gelaunt nach Hause fuhren.

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier