Am 13.12. startet mein Arbeitgeber, also die Uni Hamburg, eine RS41 vom meteorologischen Institut auf dem Geomatikum. Dies passiert 1-2mal im Jahr, z.B. im Rahmen eines Instrumentenpraktikums für Studierende - aber meistens im Sommer. Insofern bin ich ein wenig erstaunt über den Start mitten im Dezember. Typischerweise erinnert das Flugprofil an Sasel, also 26km Maximalhöhe und DWD-Fallschirm innerhalb des Ballons. Ich kann sogar vom Schreibtisch aus überprüfen, ob die neuen Audioeinstellungen meines Notebooks mit dem Zilog-Decoder kompatibel sind - ich hatte da in letzter Zeit Probleme.
Ansonsten glaube ich nicht, mit dieser Sonde etwa zu tun zu haben. Denn eine Tawhiri-Prediction lässt eine Landung in der Gegend von Schwerin erwarten. Dann aber platzt der Ballon bereits in 21km Höhe. Somit verlegt sich der Landeplatz deutlich weiter nach Westen, und zwar in die Region Lübeck.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: V0820583
Produktionsdatum:2023-02-21
Frequenz: 403.93 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Uni Hamburg (Geomatikum)
Flugdatum: 13.12.2024 12:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe: 21174m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.38 m/s
Landegeschwindigkeit: 1.9m/s
Fundstelle: Lübeck-Vorrade, LAT, LON: 53.82545,10.65848 Google Maps
Status: Geborgen am 13.12.2024, 14:56 UT
Methode: Empfang und Decodierung des Sondensignals (TTGO, RDZsonde)
Ich kann am Freitag relativ früh Schluss machen und will dann die verbleibenden Stunden Tageslicht für eine Sondenjagd verwenden. Eigentlich ist mein Plan, die am Mittwoch südlich von Bardowick im Wald gelandete Sasel-Sonde V2940538 zu suchen. Ich mache dann diesen Plan auf unserer Whatsappgruppe publik. Dort wird natürlich eifrig die Uni-Hamburg-Sonde diskutiert. Die erwartete Landeregion liegt stabil südlich von Lübeck-Moisling. Ich denke am Hauptbahnhof kurz darüber nach, den Plan spontan umzustoßen und nach Lübeck zu fahren. Dort gibt es seit einiger Zeit einen neuen Bahnhof, so dass die Anreise einfach wäre. Der Zug nach Bardowick geht um 13:33 und ist verspätet. Der nach Moisling soll um 13:34 fahren. Aber dort ist ein nicht eintragender Sondenjäger aktiv. Einige Mitglieder unserer Gruppe wohnen näher an der Landestelle. Sie haben zwar noch nichts Konkretes angekündigt, werden sich aber wahrscheinlich der Sache annehmen. Also ist die Tour nach Lübeck weder sinnvoll noch besonders aussichtsreich. Es ist daher besser, beim ursprünglichen Plan zu bleiben.
Also sitze ich gemütlich im Metronom nach Lüneburg und rumpele über die Elbe Richtung Bardowick. Auf halbem Weg piept mein Handy. Axel hat wohl meine Ankündigung nicht gelesen und meldet gerade auf Whatsapp seine Bergung der Sasel-Sonde. Hätte ich seinen Plan gekannt, wäre ich jetzt auf dem Weg nach Lübeck. Dennoch freut mich sein Erfolg.
Als er bemerkt, dass ich zeitgleich auf dem Weg bin, ruft er mich sofort an und möchte mir sogar einen Lift nach Hause anbieten. Das ist sehr lieb, aber ich bin bereits ausgestiegen und warte am Bahnhof Maschen - jenem abgeschnittenen ÖPNV-Schandfleck mit Ostblock-Flair - auf den Gegenzug. Dort stehen einige Bahn-Mitarbeiter vom Güterbahnhof herum, die Feierabend haben und Richtung Hamburg wollen. Das lässt auf das baldige Eintreffen eines Zuges schließen. Da kommt er auch schon herangerauscht. Der spontane U-Turn auf der Eisenbahn hat glatt funktioniert.
Ein kompletter Abbruch der Aktion wäre dennoch etwas frustrierend. Faltrad, Bergungsstange, Sondenjäger-Equipment inklusive TTGO habe ich ja dabei. Ermunterungen erreichen mich auch aus der Gruppe:
Ein Blick auf die Bahn-App verrät, dass ich ohne lange Umsteigezeit am Hauptbahnhof einen Zug nach Lübeck-Moisling erhaschen könnte, um von dort aus vor Sonnenuntergang die Landestelle zu erreichen. Die liegt unweit der Straße auf einer Brachfläche, 5 Fahrradkilometer vom Bahnhof entfernt. Geborgen ist die Sonde noch nicht, und von den übrigen Verdächtigen ist offenbar keiner unterwegs. Also steige ich ein und verlasse Hamburg, diesmal Richtung Nordost. Das Deutschlandticket ist schon eine tolle Sache.
Bernd, der die Gegend gut kennt, ist optimistischer als ich. Er schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass der besagte "Rapid Unidentified Sonde Hunter" (RUSH) schneller ist, auf 50%. Das macht Mut, denn meine persönliche Schätzung lag bei 80%. Jedenfalls habe haben Rüdiger und ich schon mal von Moisling aus zwei Sonden kurz nach der Landung gesucht und kamen zweimal zu spät. Eingetragen wurde in beiden Fällen nichts.
In Moisling wird das Rad auseinandergefaltet, und los geht es. Die Landestelle ist bald erreicht. Der anonyme Sondenjäger ist wohl heute ganz rush auf den Lübecker Weihnachtsmarkt gefahren. Denn ein Blinken auf dem TTGO zeigt den Empfang des Sondensignals an. Die Position liegt nur 6 Meter von der Vorhersage entfernt. Man ahnt auch durch das Geäst einer Eiche zwei helle Flecken schimmern. Das dürften Ballonrest und Fallschirm sein. Ich schließe das Rad an das Ortsausgangsschild der Stadt Lübeck und starte den eigentlichen Bergungsversuch.
Der Zugang ist einfacher als gedacht. Es handelt sich um eine von der Straße aus problemlos zugängliche trockene Brachfläche. Am Rand steht besagte Eiche, und der Fallschirm hängt bodennäher, als es von der Straße aus gesehen den Eindruck machte.
Ich schneide die Schnur ab. Ich bin zu faul, zur Bergung des Schirms die Teleskopstange auszupacken, kann den Fallschirm mit einem kleinen Sprung greifen und dann den Rest der Schnur aufrollen. Die UHH-Meteorologen haben den Ballonhals im Pinneberg-Stil mit einem Kabelbinder verschlossen.