SN: ?
Produktionsdatum: ?
Frequenz: ?
Timerkill: keiner
Startstation: wahrscheinlich Meppen (WMOID:10304)
Flugdatum:Anfang 2014 oder früher
Track unbekannt
Maximale Höhe: -
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: -
Landegeschwindigkeit: -
Landestelle: Röthen,LAT, LON: 53.14912,10.80713 Google Maps
Status: Fallschirm- und Ballonreste geborgen am 30.3.2025 10:25UT, Sonde bisher nicht gefunden.
Methode: Zufallsfund
Am 22.3. beginnt eine Detektivgeschichte besonderer Art. Ich plane eine Radtour durch die Göhrde, da allerlei Manöversonden dort niedergegangen sind. Unter der dritten gesuchten Sonde treffe ich Sylvio, der mich dann mit dem Auto mitnimmt und mit dem ich dann die gesamte geplante weitere Tour durchziehe. Einige der Sonden hängen hoch im Baum, andere können wir einsammeln. Es ist eine schöne Aktion. Mehr hier.
Noch vor dem Treffen mit Sylvio habe ich den spontanen Impuls, noch einmal nach der direkt an meiner Route am 10.10.2022 niedergegangene Sonde D18051710 zu suchen. Deren Vorhersageposition ist ziemlich ungenau. Am 29.10.2022 war ich die Extrapolationslinie entlangelaufen, ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Ich hatte mich damals auf die Gebiete nördlich des Weges konzentriert und die südlich des Weges nur kurz abgesucht. Grund für mich, es heute umgekehrt zu halten...
Viel Zeit will ich der Suche nicht einräumen. Ich gehe die Extrapolationslinie langsam ab und rechne eher mit Resten am Boden. Plötzlich liegt da ein Gewirr aus Schnüren, Knoten aus Wäscheleinen und Streifen vor mir. Ich nehme das Zeug in die Hand. Verwittertes Latex ist auch dabei. Mir wird klar, dass das Reste eines Wetterballons sind. Dann liegt daneben ein kleines Stück weißer Kunststoff, das ich anfangs nicht einordnen kann, aber ebenfalls einsacke.
Angesichts der Tatsache, dass das Objekt genau
auf der Extrapolationslinie von D18051710 liegt, lässt anfänglich keine großen
Zweifel aufkommen, dass dies der Fallschirm ist, nach dem ich suche. Die Sonde kann ich aber bei einer schnellen Suche im Umfeld nirgends finden. Ich will aber auch noch weiter und nicht die ganze Zeit eine alte DFMs suchen, wenn 800m weiter eine frisch gelandete im Wald liegt. Ich trage aber sogar die Koodinaten in Radiosondy für D18051710 ein. Dabei entdecke ich, dass die Sonde von einem ES4HTI im Auftrag von SWLJO4 mit dem Vermerk ACHTUNG versehen worden ist. Allerdings ohne Koordinaten und ohne jede Beschreibung der Situation.
Dass der Ballon nicht von einem der Schießplätze,
sondern von Bergen gestartet wurde, kann erklären, warum die Machart nicht exakt
zu dem erwarteten Manöversonden-Setup passt. Mehr Zweifel kommen auf, als ich am die Fallschirmreste tags darauf entsorgen will und sie vorher noch einmal fotografiere. Irgendwas stimmt hier nicht. Da passt nichts zusammen. Am Ende ist das ganze so bizarr, dass die Sachen in eine Tüte kommen und aufbewahrt werden.
Der Ballon ist keiner der kleinen roten Manöversondenballons, sondern derber und dicker. Der Ballonhals ist mit einer wäscheleinenartigen Plastikschnur verschlossen. Das erinnert eher an die größeren Bundeswehrballons der regulären Starts aus Bergen oder Meppen. Aber D18051710 hatte ein ganz normales Manöversonden-Flugprofil. Allerdings wurde sie von Bergen aus gestartet und nicht von einem der Schießplätze, und bei diesen Starts findet man auch diese Kunststoff-Leinen .
Was überhaupt nicht zu irgendeinem Bundeswehr-Start passt, ist der Fallschirm: Das Schirmmaterial ist vergangen, nur die Verstärkungsstreifen der Nähte sind noch vorhanden. Soweit, so normal. Aber: Die Bundeswehrfallschirme haben immer einen Spreizring und werden zwischen Ballon und Sonde geknotet. Und ein flüchtiger Blick durch Bilder im alten Radiosondenforum zeigt, dass das auch vor 15 Jahren so war. Dieses Ding hat keinen Spreizring und war eindeutig IM Ballon untergebracht. Das wiederum kenne ich nur vom DWD, aber niemals von der Bundeswehr. Aber der DWD verwendet bei Handstarts keine solchen wäscheleinenartigen Kabel. Das ist alles sehr verwirrend.
Hat vielleicht Schleswig früher einmal solche Leinen verwendet? Diese DWD-Station hat immerhin früher Sonden per Hand gestartet. Allerdings zeigen alte Fotos im Netz, dass dort selbst vor 15 Jahren die Schirme so befestigt wurden wie ich es von meinen ersten RS92-Funden aus Schleswig kenne.
Ich beschließe, DJ1OR alias Günther Hirsch anzuschreiben. Der ist viel länger dabei als ich und hat viel mehr gesehen als ich. Seine Homepage geht weit zurück, auch in Zeiten, in denen ich noch keine Radiosonden gesucht habe, und er hat jeden seiner Und er antwortet: Ja, 2014 hätte Meppen solche Setups gestartet, sowohl Tandems als auch Einzelflüge. Die Fallschirme waren weiß und entsprachen meinem Fund: Kein Spreizring, ähnliche Leinen, und der Schirm war im Ballon.
Es waren alles RS92-BGPs. Äußerlich sahen diese Sonden wie die bekannten RS92 SGPs aus, sendeten aber in einem anderen Datenformat. Die ausgezeichnete Homepage von Günther bietet aussagekräftige Fotos. Bis auf die zusätzliche Verklebung mit Tape passt alles. Meppener Sonden kommen in der Göhrde vor, sind dort aber im Vergleich zum direkten Hamburger Umland wegen der größeren Distanz seltener.
Genauere Checks nach Meppener Sonden im alten Radiosondenforum zeigen, dass damals auch BGPs mit roten Fallschirmen geflogen sind. Zeitweise wurden Fallschirme mit und ohne Spreizring durcheiander verwendet. Und auch in Idar-Oberstein hat es offenbar rote spreizringlose Ballons gegeben, wobei die Berichte und Bilder nicht so eindeutig sind wie die von Günther. In jedem Fall hat es also solche Setups in Meppen, womöglich auch bei einigen Bundeswehr-Startplätzen zeitweise gegeben. Wer weiß, vielleicht gab es sogar ja solche Fallschirme zeitweise in Bergen? Bergener Sonden sind sehr häufig in der Göhrde. Günthers Dokumentation geht zurück bis 2013; alle darin verzeichneten Bergener Fallschirme hatten große oder kleine rote Schirme mit Spreizringen. Aber theoretisch ist es möglich, dass diese Reste älter sind.
Ob das weiße Plastikfragment dazu gehört? Es erinnert von Farbe und Form her an ein Stück aus einem Vaisala-Abroller. Der Vergleich mit einem aktuellen Vaisala-Abroller passt grob, aber nicht exakt. Erst ein Vergleich mit einem alten Abroller auf einem Foto des Radiosonden-Museums ergibt eine volle Übereinstimmung. Ich suche aus meinem alten Fundmaterial ein paar der mit der RS92 verwendeten Abroller heraus und vergleiche ihn mit dem Objekt aus dem Wald. Und was soll ich sagen: Die Übereinstimmung ist perfekt.
Damit war dies kein Tandem aus Meppen, denn dafür wurden die GRAW-Abroller verwendet. Es passt aber alles sehr gut zu den von Günther dokumentierten RS92-BGP-Einzelflügen von Meppen. Fazit: Das ist der Rest eines RS92-Fluges der Bundeswehr, wahrscheinlich einer RS92BGP, wahrscheinlich aus Meppen. Das ganze ist sehr alt, mit einem Flugdatum 2014 oder vorher.
Am 29.3.2025 fahre ich wieder hin. Ich suche die 30-40m Umkreis des Geländes feinmaschig ab. Es ist ein reiner Kiefernwald, und der Boden ist daher nicht mit einer Laubschicht zusedimentiert. Er ist mit Moos bedeckt, und die Wildschweine schichten das Moos regelmäßig um. Objekte werden im Laufe eines Jahrzehnts sicherlich vom Moos eingewachsen, aber dann von den Wildschweinen regelmäßig freigelegt. Wahrscheinlich sind die Reste auch auf diese Weise an die Oberfläche gekommen. Leider kann ich nach mehr als 2 Stunden keine Sondenreste oder weitere Trümmerteile des alten Wetterballons finden. Vielleicht sollte man aber bei Gelegenheit noch mal nachsuchen und im Auge behalten, was die Wildschweine so alles freilegen.
Da keine Zweifel bestehen, dass der Fund nichts mit der ursprünglich gesuchten DFM09 zu tun hat, fragt sich natürlich, ob die nicht doch noch zu lokalisieren ist. Da noch etwas Zeit ist, laufe ich noch einmal die Extrapolationslinie meines ursprünglichen Ziels entlang, in Richtung auf die letzte Position. 100m von der Fundstelle der Trümmer hängt der verblichene Manöversonden-Fallschirm von 2022 in bequemer Pflückhöhe am Baum.
Sondentyp: DFM09
SN: D18051710
Produktionsdatum: 2018
Frequenz: 403.33 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum:10.10.2022 (9:30-11:20L)
Track radiosondy
Maximale Höhe: 17557m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.96m/s
Landegeschwindigkeit: 2m/s
Landestelle: Röthen, LAT, LON: 53.14912,10.80713 Google Maps
Status: Fallschirm- und Ballonreste geborgen am 22.3.2025 12:12UT
Methode: Extrapolation aus Radiosondy-Daten
Es ist nur über ein kurzes Schnurstück an einem Stück Borke verhakt. 2 Bäume weiter hängt die Sonde am Baum. Was für ein Sondenfriedhof ist das hier. Da ich zu der Archäologie-Mission keine Stange mitgenommen habe, ist da nichts zu machen. Was mich ärgert. Ich muss bei nächster Gelegenheit wiederkommen.
Es beginnt langsam zu regnen. Da die Wendland-Bahn nur alle drei Stunden fährt, möchte ich sie unbedingt erwischen und es wird Zeit zur Rückfahrt zum Bahnhof Göhrde.
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
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