Sonntag, 29. März 2020

End of the world as we know it und der Turmbau zu Uetersen

Sondentyp: RS41-SGP
SN: P2610344
Frequenz: 402.7 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Sasel (WMOID:10141) 
Flugdatum: 24.03.2020 12:00Z
Track Wetterson.de und Radiosondy.info
Landestelle  Daensen, LAT,LONG = 53.418824,9.691178, Google Maps.
Status: Geborgen am 28.3.2020, 15:22 Z 

März 2020. Langanhaltende Schönwetterkatastrophe. Da landet am 24.3.2020 die Saseler Sonde direkt südlich von Buxtehude. In Uetersen haben Hein und seine Freunde gerade einen 50m hohen Mast zum Radiosondenempfang hingestellt. Damit haben sie das Ding bis Baumwipfelhöhe verfolgt und die Daten in Radiosondy gepusht. Die darauf basierende Tawhiri-Prediction sollte extrem genau sein.

In normalen Zeiten würde jemand die Sonde wegräumen, bevor ich überhaupt meinen Öffi/Faltrad-Stunt hinlegen kann. Wenn man Ende März 2020 aus dem Fenster guckt, sieht man kaum Autos und kaum Menschen auf der Straße. Du weißt, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn sich Freunde aus der eher unbiologischen Fraktion über RT-qPCRs informieren. Dass sich Mathemuffel für Exponentialfunktionen interessieren, hilft auch nicht gerade gegen ein flaues Gefühl im Magen. Wenn theoretische Physikerinnen "the end of world, as we know it" im REM Stil besingen, weiß man endgültig: Diese Zeiten sind definitiv nicht normal, und es sieht schlecht aus.

Dass ich öffentliche Verkehrsmittel meide, ist ebenfalls abnormal.  Eine Fahrt mit der S-Bahn nach Buxtehude werde ich nicht antreten. Nicht nur, weil bei den derzeitigen Fallzahlen (Hamburg ist endlich mal Spitze) eine Infektion im Gewühl der Rushhour gar nicht mehr so unwahrscheinlich ist. Die Leute, die wirklich mit den Öffis fahren müssen, haben ein Recht auf Abstand, und ich muss den nicht für eine sinnlose Jagd auf weiße Boxen verkleinern. Ich habe daher meine Radisondenjagd mit Öffi und Faltrad und meine wochenendlichen Kaltsondensuchen eingestellt. Wer mit seinem Privat-PKW alleine in den Wald fährt, kennt das Problem nicht in dieser Schärfe.

Die Saseler Sonde ist auch nach 4 Tagen nicht als gefunden gemeldet worden.

Der Samstag ist super sonnig. Langsam kommt man durch den sich langsam einstellenden Bewegungsmangel auf dumme Gedanken. Irgendwann reift ein Plan: Kann man es vielleicht doch machen, ohne sich und andere zu gefährden?  Man fährt einfach die ganze Strecke mit dem Rad. Keine 6km ab Buxtehude, sondern 26km ab Finkenwerder. Über die Elbe braucht man aber ein öffentliches Verkehrsmittel, eine Hadag-Fähre. Aber auf deren windigen Außendeck besteht keine Infektionsmöglichkeit. Gedacht, getan und ab zum Anleger Dockland. 

Auf einem Hadag-Boot würde sich an einem derart unverschämt sonnigen Frühlings-Samstag hunderte von Leuten auf dem Außendeck sonnen. Auf der Hinfahrt zähle ich 15 Leute, brav in Einer- oder Zweierkonfigurationen und mit 2 Metern Abstand. Trotz des strammen Windes bleibt etwas Verkrampftheit. Lautsprecherdurchsagen fordern dazu auf, dass zu tun, was ich gerade mache: Das Außendeck benutzen und Abstand halten.
In Finkenwerder wird das Faltrad aktiviert und los gehts. Vorbei an dem Airbus-Flugplatz und dann durchs Alte Land. Um enge Vorbeifahrten an Fußgängern zu vermeiden, umfahre ich in Neu-Wulmstorf das Zentrum. Dann geht es stramm bergauf am Geestrand. Es singen Lerchen. Der Zilpzalp ist auch schon hörbar aus dem Winterquartier zurück. 

Vor Ort wähle ich erst einmal einen ungünstigen Zugang. Rechts sperrt eine abgezäunte Schonung alles ab. Mein Weg führt durch ein übles Brombeer-Dornengestrüpp. Endlich ein Weg. Der führt Richtung Sondenposition. Ich finde die Sonde 4 Meter neben der Prediction auf dem Boden liegend vor. Dieser Uetersen-Turm ist schon Klasse. 


Die Schnur hatte ich schon aus einer gewissen Distanz in einem Baum verschwinden sehen.


Von dort führte sie zu einer Birke, in der der Schirm hing. Bei dem Versuch, die Schnur aus dem ersten Baum auszuhaken, riss sie sofort.


Die Schnur war schon am Boden, aber vor allem in den Bäumen extrem verknotet. Die Bergung von Schirm und Ballonrest mit der 10-Meter-Stange gelingt im fünften Anlauf, aber dabei reißt die Schnur erneut. Ich habe aber 90% der Schnur mitnehmen können. Etwas hängt aber leider hoch im ersten Baum. 







Jetzt alles verstauen. Zurück zum Rad, und dann die 26km zurück. Unterwegs kann ich aus einem Automaten eines Bauernhofs Kartoffeln, Äpfel und Eier kaufen. Erspart mir für die kommenden Tagen einen ebenfalls gruseligen Auftritt im Supermarkt. Als ich Finkenwerder erreiche, ist es schon dunkel. Auf dem Außendeck bin ich auf der Rückfahrt diesmal allein. Diesmal steige ich in Neumühlen aus. Noch den Elbhang heraufstrampeln, und so ist eine 54km - Tour vorbei. Wenigstens konnte ich mich mal gründlich austoben.... and I feel fine....

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