Dienstag, 14. Dezember 2021

Irrational und instinktgesteuert im Beimoorwald

 

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T3310800

Frequenz: 405.3 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 14.12.2021 00:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe:
28512m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 4.76 m/s

Landegeschwindigkeit: 3.4 m/s
Landestelle: Beimoorwald LAT, LON: 53.687166,10.29967, Google Maps
Status: geborgen am 14.12.2021, 13:01 UT
Methode: Stangenbergung des Fallschirms und Ablassen der Sonde.

Der Beimoorwald ist ein mir seit Kindesbeinen vertrautes Stück Heimat. Radiosonden landen hier gerne einmal, und meistens bleiben sie in den hohen Bäumen hängen. Als die 0Z-Sonde aus Norderney direkt nördlich des Waldhauses landete, war ich in Hamburg. Ich wollte an dem Tag ohnehin nach Schmalenbeck fahren. Am Vormittag hatte da aber noch eine berufliche Zoom-Sitzung zu erledigen und kam daher erst am frühen Nachmittag los. Mittagessen wird überbewertet. Erst einmal schnell nachgucken, was die Sonde im Wald macht. Dann auf dem Rückweg ein paar  Vorräte in Großhansdorf einkaufen, das dürfte ja schnell gehen. Welch ein Irrtum. 

Das Auto parke ich am bekannten Platz südlich des Molchsteichs. Der Weg zur Landestelle ist mir absolut vertraut. Leider ist es eine in dem Wald eher untypische dichte Fichtenplantage mit 30m höhen Bäumen. Die Sonde hatte sich nach der Landung - Bernds Station in Oldesloe sei Dank - noch im APRS und in wettersonde.net verewigt. 

 


Daher ist die Landestelle exakt bekannt. Die Höhe über dem Boden soll ca. 30m betragen. Also im Wipfel eines der höheren Exemplare. Heute dürfte es sich darum drehen, die Lage zu erkunden - die Chancen auf eine Bergung sind eher mau. Aber wo hängt der weiße Kasten? Ich suche von allen Seiten die Landeregion ab. Wo man überhaupt mal in die Wipfel gucken kann, wird alles mit dem Fernglas inspiziert. Wo ein Stück des Himmels zu sehen ist, wird es nach der Schnur abgesucht. Nichts, nichts, nichts. Schnell noch mal checken, ob sie schon jemand eingetragen hat - Resultat negativ. Also ist sie noch da - ein Zufallsfinder wird hier nichts beschicken.

Vielleicht kommt man auf der Fallschirmseite weiter - die Bäume scheinen in Flugrichtung  lockerer zu stehen als an der Sondenposition. Ich tippe in die Geochache-Tools von Lokus den letzten Kurs der Sonde ein und lasse mir einen Punkt in 50m Entfernung ausgeben - Schnurlänge einer RS41. Ich gehe dort hin. Und EXAKT dort hängt der weiße DWD-Fallschirm 13 m hoch im Baum. Die erste Spur der Sonde! Aber wegen der dichten Bewaldung lässt sich die Schnur nicht zurück verfolgen.



Nun ist ja hochgradig unweise, an einem Fallschirm zu reißen, also suche ich, in Kenntnis der Geometrie, noch mal an der Landestelle. Aber nach einer weiteren halben Stunde Fernglasinspektion der Bäume gebe ich das auf. Warum rational handeln, wenn instinktgesteuert auch eine Option ist?

Also die 15m-Stange ausfahren und den Schirm angeln. Da ist kaum eine Kraft zu überwinden. Ich habe ohne nennenswerte Friktion den Schirm zu 2/3 heruntergefahren, da klötert es in Sondenrichtung. Ooops, vielleicht sollte man innehalten und da mal nachgucken? Stange an einen Stamm lehnen und auf zur Sondenposition! Da ist weiträumig NICHTS. Hmm. Ich habe sie doch eindeutig klappern gehört! Was tun? Instinktgesteuert und irrational die Stange ganz einfahren! Der Verstand sagt, dass man sie dadurch nur höher in den Baum zieht. Aber Unlogik gewinnt. Ich ziehe die Stange ganz ein. Immer noch gibt es keinen Widerstand. Ich schneide den Schirm ab - vielleicht kommt ja drüben die Sonde ganz runter. 

Ein kurzer Test. Da ist viel Reibung im System! Wenn man die Schnur loslässt, gleitet sie laaangsam nach oben. Noch einmal greifen, das ganze wiederholen. Diesmal gleitet da leider nichts. Vorsichtig an der Schnur ruckeln, vielleicht kann man den Widerstand überwinden? Zwei weitere Versuche - die Schnur bewegt sich nicht. Noch einmal ziehen und entspannen. Diesmal hat sich etwas verändert; man könnte sich einbilden, dass die Schnur mit ein paar Gramm nach oben zieht. . Mir fällt der blöde Spruch ein: "Man muss auch loslassen können". Also... diesmal bewegt sich die Schnur. Erst langsam, dann immer schneller werdend, flutscht sie aus meiner Reichweite. Drüben wieder dieses Klötern - diesmal lauter! Also laufe ich wieder zurück zur Sondenposition, wo ich die Sonde auf dem Boden erwarte. 

Sehr zu meiner Bestürzung liegt da .... nichts! Auch nicht im näheren Umkreis. Aber ich habe sie doch  klötern gehört! Frustriert wandere ich zurück zum Fallschirm. Kurz bevor ich da bin, liegt da etwas Weißes. Das kann sie nicht sein, sagt der Verstand. Denn das Objekt liegt nicht wirklich auf der Verbindungslinie APRS-Posittion-Fallschirm. Aber ich ändere meine Laufrichtung und werde nicht enttäuscht....



Der Sensor ist beschädigt, ansonsten ist sie in guter Verfassung. Nun wird alles zusammengepackt und fertig. Das Einziehen der Schnur auf der Sondenseite ist ebenfalls merkwürdig. Die Schnur lässt sich problemlos aufrollen. Das letzte Schnurstück verhakt sich dann aber hoch oben im Baum und kann nur mit extremer Gewalt nach unten befördert werden. Oben biegen sich die Zweige so sehr, dass ich fürchte, ich könnte sie abreißen.


Was ist da passiert? Zuerst habe ich Zweifel an der APRS-Position, aber die dürfte gestimmt haben. Die Sonde hing offensichtlich ca. 30m hoch an besagter Stelle und war nicht zu sehen. Offenbar war sie im Wipfel eines Baumes nur ganz lose verhakt. Jetzt zieh ich an der Schnur - die Sonde löst sich  und pendelt 35m weit in den nächsten Baum. Das erste Klötern! Dort angekommen, hätte man sie wahrscheinlich von unten auch sehen können - aber ich rechnete ja nicht damit, dass sie dort sein könnte. Beim weiteren Herunterziehen des Fallschirms habe ich die Sonde sicher 5m hoch gezogen und kann von Glück reden, dass ich sie da nicht in der Astgabel verklemmt habe. Nach dem Losruckeln fiel die Sonde dann wie erhofft herunter, bloß nicht da, wo ich sie vermutete. Das gab dann das zweite Klötern.

Der Verstand war jedenfalls diesmal für den Jagderfolg unerheblich und erlaubte allenfalls eine Rekonstruktion der instinktgesteuerten Abläufe. 

 

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