Sondentyp: RS41-SGP
SN: V2930781
Produktionsdatum: 2023-07-19
Frequenz: 402.7 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Sasel (WMOID:10141)
Flugdatum: 07.03.2024 (12:00Z), Startzeit 10:45UT, Landung 10:49UT(!!)
Track sondehub.org DWD
Maximale Höhe: 359.8m (!!)
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 3m/s
Landegeschwindigkeit: -4.3m/s
Landestelle: Poppenbüttel LAT, LON: 53.64814,10.09822, Google Maps
Status: Geborgen am 7.3.2024, 13:36UT. Intakter Ballon mit Gasinhalt.
Methode: Lokalisiert mit Sonden-GPS (TTGO, RDZsonde). Stangenbergung aus Eiche aus 10m Höhe
Gemeinhin startet Sasel Sonden nur am Mittwoch. So bin ich am Donnerstag sehr erstaunt über den Sondenstart um 10:45UT, den ich auf wettersonde.net eher beiläufig registriere. Ich will mit einer Prediction rasch feststellen, wo das ungefähre Zielgebiet ist - da sehe ich, dass die Sonde schon wieder im Abstieg begriffen ist. Tatsächlich erreicht sie nur eine GPS-Höhe von knapp 360 Metern und landet nach ca. 4 Minuten nur 854m vom Startplatz entfernt.
Leider haben wir derzeit keine besonders gute Abdeckung des Hamburger Raums mit Empfangsstationen mehr. Um ein Haar wäre die Sonde komplett unbemerkt geblieben. Nur Bernd bei Oldesloe konnte Daten der Sonde in Wettersonde.net und Sondehub einspeisen. In Radiosondy.info kam die Sonde gar nicht vor.
Natürlich wird die Lage in unserer Whatsappgruppe eifrig diskutiert. Ich kann mich nicht so schnell auf Arbeit loseisen und bin erstaunt, dass niemand bei der Landestelle vorbeiguckt. Wegen des Bahnstreiks muss ich auch erst einmal abchecken, ob man mit vertretbarem Aufwand nach Poppenbüttel kommt. Die Antwort: Die S-Bahn fährt diesmal tatsächlich im Rahmen des Notfallplans alle 20 Minuten dorthin. Am Ende fahre ich nach Hause und dann 20 Minuten später - mit einer 13m Stange und allerlei Bergegeraffel bewaffnet - los. Derweil wird der Fall der abgestürzten Sonde schon auf der wettersonde.net-Telegram-Gruppe eifrig diskutiert. Und der ziemlich einmalige Fall, dass nur ein einziger Funkamateur die Sonde den Flug dokumentierte, gibt zu allerlei Frotzeleien Anlass:
Für echte "Ermittlungen" muss man erstmal zum "Tatort" kommen. Vom Bahnhof Poppenbüttel sind es nur 800 Meter Fußweg. Eigentlich müsste der TTGO die Sonde bereits empfangen. Aber da ist nichts! Mit einem unguten Gefühl wandere ich los. Erst kurz vor dem Ziel lässt der TTGO doch noch Koordinaten sprudeln. Eine Überschlagsrechnung ergibt, dass die Sonde ca. 10 Meter über dem Boden hängen müsste.
Die Landezone ist ein Wohngebiet mit Eigenheimbebauung. Ohne Kommunikation mit den Eigentümern geht da natürlich nichts. Bevor man irgendwo auf Verdacht klingelt, sollte man allerdings die Lage gut kennen. Von einem öffentlich begehbaren Fußweg aus ist die Sonde leicht zu entdecken. Sie hängt in einer Eiche über Privatgrund, und die vermutete Bodenhöhe erweist sich als richtig.
Die Schnur müsste in luftiger Höhe über den Fußweg verlaufen, aber ich kann sie nicht ausmachen. Dann sehe ich sie aber auf dem Grundstück auf der anderen Seite des Weges hinter einer Hausecke verschwinden.
Also wird dort geklingelt. Der Mann ist erst skeptisch und fragt mich, ob ich vom Wetterdienst sei und ich mich ausweisen könne. Diese Frage habe ich bei fast 500 Sonden bisher erst einmal gestellt bekommen. Wie üblich erkläre ich ihm, dass wir das rein hobbymäßig und u.a. aus Umweltschutzgründen tun. Seine Neugier ist geweckt, und er lässt mich ums Haus gehen. Ich kann mich vor Lachen kaum halten, was da unter dem Terrassentisch festgebenzelt ist...
...ein praktisch intakter Ballon mit Gasfüllung. Drinnen ist der Fallschirm fühlbar. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet.
Leider wird die Hoffnung, dass sich die Sonde drüben sich mit der Schnur ablassen ließe, enttäuscht. Die Schnur geht nämlich über einen riesigen Nadelbaum und die Reibung an den Nadeln ist zu groß. Also schneide ich die Schnur durch.
Inzwischen kommt auch die Frau des Eigentümers dazu. Auch sie macht einen interessierten Eindruck. Sie schafft es, durch massives Winken ihre Nachbarn von dem Sonden-Grundstück herbeizurufen. Wieder die Frage nach meiner offiziellen Legimitation, dann auch hier zunehmendes Auftauen nach ein paar Erklärungen meinerseits. Die beiden Bewohner sind im Homeoffice eingespannt und erleichtert, dass ich meine, dass ich die Sonde auch ohne ihre Hilfe herunterbekommen dürfte. Die knappen 10 Meter sollten kein nennenswertes Problem für meine Teleskopstange darstellen.
Das ganze erweist sich dann doch als etwas schwieriger als gedacht. Die Sonde liegt fast an dem Eichenstamm auf, und es erfordert etwas Konzentration, die Schnur und nicht die feinen reisigartigen Zweige der Eiche einzuhaken.
Am Ende gelingt es aber doch:
Die LED an der Sonde leuchtet noch! Das bedeutet, dass die Flughöhe nicht ausgereicht hat, dass die Sonde ihren Start registriert hat! Da die Sonde erst nach einem eindeutigen Start ihre Sendeleistung heraufregelt, erklärt das auch das relativ schwache Signal. Inzwischen hat der alte gelbe DWD-Info-Label auch schon einen antiken Flair.
Die Grundstücksbesitzer erzählen mir, dass der Ballon ursprünglich auffällig an einem Baum auf dem Nachbargrundstück hing. Die Leute haben dann den Ballon heruntergeholt, auf ihre Terrasse getragen und dort wohl mit der Schnur an ein Stuhlbein geknotet - wo ich den Ballonrest dann vorgefunden habe. Dabei haben sie die Sonde einige Meter nach oben gezogen, aber glücklicherweise nicht zu hoch. Die Inhaber des Sondengrundstücks haben die Sonde im Baum entdeckt und sogar den DWD in Frankfurt angerufen (aber da niemandem mit Wettersondenahnung an den Hörer bekommen). Sie haben es auch mit dem Wiedereintritt einiger ISS-Teile, der durch die Medien ging, in Verbindung gebracht. Jetzt sind sie sehr froh, dass sie von dem obskuren Besucher eine Aufklärung des an sich harmlosen Sachverhalts erhalten.
Die "Ermittlungen" konnten dank einer Öffentlichkeitsfahndung ("RS41 ungelöst") erfolgreich abgeschlossen werden. Zwar konnte nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, was den Absturz der Sonde bewirkt hat, aber ein "Abschuss" kann wegen der völlig unverletzten Ballonhülle eindeutig ausgeschlossen werden 😁.
Das ganze erinnert mich sehr stark an eine andere Saseler Sonde, P2611286, die 2020 ebenfalls gleich nach dem Start herunterkam. Sie schaffte aber immerhin eine doppelt so weite Strecke und erreichte 745m Höhe. Sie war übrigens die erste Sonde, die ich mit einem TTGO erbeutete - diese kleinen Helfer waren damals noch brandneu. Auch war dieser Ballon ganz normal geplatzt, nur eben in 1700m Höhe.
Dann war da noch P2531126, eine Saseler Sonde aus dem Jahr 2019. Die erreichte immerhin 2900m Höhe und landete nach einem kurzen Flug in Hamburg-Berne. Ich war ca. eine Stunde danach vor Ort, wo nichts mehr sendete und nichts mehr zu finden war. Es gibt Hinweise dafür, dass hier ebenfalls ein intakter Ballon heruntergekommen ist.
Übrigens erfolgte heute in Sasel umgehend ein Nachstart. Diesmal wurde eine Sasel-typische Höhe von 25km erreicht. Und Axel konnte auch diese Sonde in der Wedeler Marsch bergen. Er musste dazu breite Gräben überwinden und erhielt dazu wertvolle Hinweise von Ortskundigen aus unserer Whatappgruppe.
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
Nachtrag: Bernd machte mich freundlicherweise darauf aufmerksam, dass der DWD die Sonde natürlich auch empfangen und die Daten auf der Rasomon-Seite bereitgestellt hat. Der Empfang durch den DWD geschieht ausschließlich von der Startstation aus, die ja in diesem Fall nicht einmal einen Kilometer von der Landestelle entfernt lag. Und daher haben sie sogar Positionen der Sonde im Baum erfasst (Track: hier). Sie haben den Empfang um 10:53UT, also 4 Minuten nach der Landung, abgeschaltet.
Rasomon hat einen Fehler in der Koordinatenaufbereitung, der sich im Laufe eines normalen Sondenfluges zu beträchlichen Positionsabweichungen aufsummiert (bis zu mehreren Kilometern). Das macht die Seite für den Sondenjäger unattraktiv. Im vorliegenden Fall eines kurzen Hopsers ist der Effekt aber noch nicht relevant, so dass diesmal Rasomon den besten Datensatz lieferte.
Keine Kommentare:
Neue Kommentare sind nicht zulässig.