Ende 2024 passiert es. Plötzlich rutscht mein Faltrad beim Befahren einer Kopfsteinpflasterstraße nach links. Offenbar Glätte. Beim Weiterfahren springt die Kette ab. Das passiert normalerweise nicht. Kette wieder draufgefummelt und weitergefahren - und wieder dieses Rutschen. Genauere Inspektion zeigt, dass das hintere Schwingenlager kaputt ist. Offenbar ist die Schraube, die das Lager hält, weg. Glücklicherweise nicht mitten auf einer größeren Radtour, sondern wenige hundert Meter von einer U-Bahn-Station entfernt. Eine sehr kompetente Brompton-Mechanikerin schickt mir ein Care-Paket mit einer neuen Schraube und etwas Gewindekleber. Das nutzt nicht, denn bei genauerer Inspektion ist die alte Schraube tief im Gewindeloch abgebrochen. Der Ersatz eines Schwingenlagers ist untrivial und nix für meine Hobbyschrauber-Möglichkeiten. Die sehr gute Werkstatt der Brompton Junction Hamburg hat sich um den Patienten gekümmert - sie haben natürlich alles nötige Spezialwerkzeug und den Ersatzteilsatz direkt am Lager und bringen die Sache sehr zügig in Ordnung. Da das rechte Pedal marode ist, wird es gleich mit ersetzt. Und ungefragt wird schnell mal eben der Steuersatz nachgestellt. Ich bin sehr froh, dass ich endlich wieder uneingeschränkt mobil bin. Am Sonntagmorgen lösen sich die Nebelfelder auf, die Sonne lacht. Zeit für eine längere Testfahrt.
Da passt es gut, dass die Nachtsonde aus Bergen östlich von Uelzen bei Grabau landet. Ich kann mit dem Zernien-SDR die Landung mitschneiden. Danach ist im Wasserfall noch ein schwaches Signal der Sonde am Boden zu sehen. Ich lasse den Zilog-Decoder weiterlaufen. Innerhalb einer halben Stunde kratzt dieser immer noch wunderbare Decoder aus dem fast nicht erkennbaren Signal zwei unvollständige Frames heraus.
[ 9026] (U3260301) Sun 2025-01-19 01:02:16.000 lat: 52.94202 lon: 10.83451 alt: 128.61 vH: 3.8 D: 290.1 vV: -7.0
lat: 52.94207 lon: 10.83436 alt: 112.26 vH: 0.1 D: 167.1 vV: 0.1 [11110] (--)
lat: 52.94205 lon: 10.83437 alt: 110.29 vH: 0.1 D: 131.6 vV: -0.0 [11110] (--)
Damit habe ich eine exakte Landestelle, und das Ziel der Radtour steht fest.
Wie hinkommen? Mit dem Zug bis Uelzen und dann auf der Strecke nach Magdeburg bis Soltendiek. Von dort aus ist es mit dem Rad nicht weit. Auf dem Weg käme man in Kölau vorbei. Dort ist vor 14 Tagen eine Sonde aus Norderney gelandet. Ob sie noch da ist? Nachschauen kostet keine Zeit. Und im Wald bei Növenthien hatte Axel einen Baumlander lokalisiert, der seit September 2024 in 16m Höhe pendelte. Vielleicht sollte ich den bei der Gelegenheit auch mal kontrollieren. So entsteht Plan A.
Probleme mit der Anreise soll es laut Bahn-App nicht geben. Erst auf Höhe von Winsen wird ein Sitznachbar plötzlich nervös. Er hat gerade für seine Bahnverbindung nach Salzwedel eine SMS bekommen. Sein Anschlusszug in Uelzen fällt aus - wegen einer Baustelle. Spontan sich materialisierende Baustellen am Sonntag? Der meint den gleichen Anschlusszug, den ich auch benutzen wollte. Auch in meiner Bahn-App steht jetzt der garstige Hinweis: "Verbindung fällt aus". Der Zugbegleiter weiß zu berichten, dass auch gestern mehrere Züge auf der gleichen Strecke aus gleichem Grund kurzfristig nicht verkehrten. Wir müssten also mindestens 90 Minuten in Uelzen warten.
Das gute am Zugfahren ist, dass man Zeit hat. Also mache ich mich an Plan B, und allmählich kenne ich das ÖPNV-Netz der Gegend ein wenig. Da gibt es doch diesen Landbus nach Lüchow?! Der fährt - alle 2 Stunden - knapp nördlich an der Zielregion vorbei. Und die Bahn-App zeigt, dass die nächste Abfahrt normalerweise locker zu erreichen wäre.
Diese Lockerheit ist eher theoretischer Natur. Denn wir sind im Jahr 2025. Und zwar in einer Bahn, konkret im Metronom. So ist nur die Frage, wie viel Verspätung der Zug bis Uelzen aufbaut, und es ist fraglich, ob ich den Bus nach Lüchow noch erwischen kann. Bei Ankunft des Zuges bleiben nur 100 Sekunden. Da der Bus sich aber mit dem Abfahren erfahrungsgemäß etwas Zeit lässt, bin ich mäßig optimistisch. Beim Aussteigen kommt immerhin die beruhigende Durchsage, dass ein spontan eingesetzter Ersatzbus Richtung Magdeburg in ca. 30 Minuten am ZOB losfährt; der würde eine Alternative bieten. Das wäre also Plan C. Am Ende kann ich noch in den Bus nach Lüchow einsteigen, so dass Plan B reicht.
Von der Bushaltestelle "Stütensen, Abzweigung" geht es stramm südlich. Wunderbarer Sonnenschein, einzelne Nebelschwaden, reifbedeckte Bäume und Felder. Und je mehr die Sonne den Nebel auflöst, umso angenehmer wird die Fahrt durch die ansonsten eisige Landschaft. Nach 8km erreiche ich die Landestelle der Sonde.
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Sondentyp: RS41-SGP
SN: U3260301
Produktionsdatum: 2022-08-13
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5h:00m
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 19.01.2025 (00:00Z)
Track Radiosondy.info und TOWER Zernin via db0dan.de
Maximale Höhe: 31941m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.44m/s
Landegeschwindigkeit: 7m/s
Landestelle: Grabau, LAT, LON: 52.94207,10.83436 Google Maps
Status: Geborgen am 19.1.2024 11:26UT
Methode: Decodierung des Signals der gelandeten Sonde via Tower Zernien
Weiter geht es über Wirtschaftswege zur B71. Die führt nördlich an dem Wald vorbei, an dem Axel seine Radiosonde lokalisiert hat. Das Rad wird an ein Verkehrsschild angeschlossen, und los geht es auf Waldwegen Richtung Landestelle.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: U3411067
Produktionsdatum: 2022-08-22
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5h:00m
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 22.09.2024 (12:00Z)
Track Radiosondy.info und Sondehub (rekonstruiert)
Maximale Höhe: 33300m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.40m/s
Landegeschwindigkeit: 6.3m/s
Landestelle: Növenthien, LAT, LON: 52.9209,10.81531 Google Maps
Status: Geborgen am 19.1.2024 12:33UT
Methode: danke Axel( DB7XO) für die schönen Daten
Vor Ort sehe ich von Weitem Fallschirm und riesigen Ballonrest am Boden liegen - und zwar exakt auf Axels Position. Beim Nähertreten wird auch die RS41 sichtbar.
Grund für dieses ungewöhnliche Setting: Die gesamte Schnur befindet sich im Werkszustand noch auf dem Abroller. Also ist das ganze Teil in einem Stück vom Sturm vom Baum geweht worden.
Ich trage Axel als Co-Finder ein, denn ohne seine Vorarbeit hätte ich diese Sonde niemals finden können.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: V5050486
Produktionsdatum:2023-12-15
Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 21.12.2024 12:00Z
Track radiosondy/TowerPower-Mix
Maximale Höhe: 23597m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.24 m/s
Landegeschwindigkeit: 7.2m/s
Fundstelle: Kölau LAT, LON: 52.91609,10.77203 Google Maps
Status: Geborgen am 19.1.2025,13:33 UT.
Methode: Signal bis 6m über Grund decodiert via db0dan, Kaltsondenbergung
Weiter geht es. Bei Kölau ist vor 14 Tagen eine Norderney-Sonde auf freiem Feld gelandet. Ich hatte damals die Landung ebenfalls mit dem Zernien-Tower bis in 6m über dem Boden mitgeschnitten. Da es relativ windstill war, musste in Sonde in unmittelbarer Umgebung der letzten Position liegen. Fragt sich nur, ob sie noch dort ist. Also losradeln und nachgucken!
Die Landestelle liegt auf einem Mais-Stoppelfeld, nicht weit von der Straße entfernt. Ich sehe einen blauen Klecks aus weiter Entfernung auf dem Acker liegen! Seit wenigen Wochen verwendet der DWD jetzt keine weißen, sondern blaue Fallschirme. Auch einige Bundeswehr-Sonden hat man schon mit blauen Schirmen gesehen. Scheinbar wird das auf Dauer Standard, und auf Schnee sind blaue Schirme auch besser sichtbar als weiße.
Auch mit dem Ballon erlebt man sein blaues Wunder....
Nach der schnellen Bergung der dritten Sonde stellt sich die Frage, ob ich vom nahen Soltendiek den Zug Richtung Salzwedel/Magdeburg nehme, um dann nächste Station in Schnega wieder auszusteigen. So könnte ich noch vor Dunkelheit eine Schleswiger Sonde suchen. Allerdings habe ich deren Landung nicht mitgeschnitten, weshalb die Position extrem unsicher ist. Aber schnell mal nachgucken wäre eine gute Idee. Am Bahnhof dann die Durchsage: "Der Zug nach Magdeburg fällt heute aus." Als Grund wird diesmal "technische Störung am Zug" angegeben. Ich habe eher das Gefühl, dass gerade jeder zweite Zug auf der Strecke ausfällt - wahrscheinlich aus Personalmangel.
Also bleibt die Rückfahrt - 3 Sonden sind ja eigentlich auch genug. Der Zug hat allerdings heftige Verspätung, so dass das Umsteigen in Uelzen in den Zug nach Hamburg wieder hektisch wird. Der Hundertwasserbahnhof ist ja wunderhübsch. Die Gänge und Treppen sind allerdings ziemlich anstrengend, wenn sich hunderte von Fahrgästen durch die ganzen architektonischen Nadelöhr-Engstellen hindurchquetschen und dann aus Zeitdruck auch drängeln.
Ich erwische den Metronom, der natürlich so voll ist, dass es keinen Sitzplatz mehr gibt. Immerhin finde ich für das Faltrad noch eine Nische, in der es sozialverträglich verschwindet. Der Zug braust los, um dann kurz vor der ersten Station buchstäblich zu verrecken. Die Lokomotive hat keine Leistung mehr. Im Schritttempo rollt der Zug in Bad Bevensen ein und bleibt dort erst einmal liegen. Der Lokführer macht sich am Zugende zu schaffen, die Türen werden geöffnet und geschlossen. Dann aber ist der Fehler behoben, und es geht relativ normal zurück nach Hamburg.
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
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