Die Göhrde ist ein riesiger Wald im Kreis Lüchow-Dannenberg. Die Zeiten, in denen der Kaiser dort jagen ging, sind vorbei. Heute kommt der gewöhnliche Sondenjäger auf seine Kosten. In der letzten Zeit haben sich ein paar ungecheckte Sonden dort angesammelt. Bei schönstem Wetter plane ich am 10.8. eine Radtour durch den westlichen Teil des Waldes. Momentan sieht der Aufbruch auf dem Hauptbahnhof so aus...
... und die Bahn rät davon ab, hier umzusteigen. Was lustig ist, wenn man bedenkt, dass dies der am meisten frequentierte Bahnhof in ganz Deutschland ist. In Lüneburg springe ich in die Wendlandbahn, deren Fahrradabteil rappelvoll gestapelt mit Rädern ist. Obwohl insgesamt relativ wenige Personen mitfahren, hat offenbar fast jeder ein Rad dabei. Bin ich froh, dass das PAL (Problem anderer Leute) ist. Mein Faltrad verschwindet unter meinem Sitz. Ich verlasse mit einer größeren Gruppe von Radfahrern den Zug in Neetzendorf. Bei der Gruppe hat Murphy zugeschlagen, so dass sie erst einmal nicht losfahren können. Einer der Leute hat seinen Zweitakku zuhause vergessen, und jetzt muss organisiert werden, wo seine autofahrende Ehefrau ihm das Teil übergeben soll. Mit dem Biobike muss ich strampeln, aber komme voran. Es geht über das kleine Dorf Boize in den Wald. Allerdings ist der Weg zunächst schlecht, und dann wird er richtig schlecht. Das Leben ist eben ein Kompromiss. Boten meine kleinen Räder und das kompakte Faltmaß eben im Zug noch große Vorteile, komme ich auf schlechten Waldwegen eben weniger gut voran. So handelt es sich mehr um Schieben als um Fahren. Am Wegrand stehen beeindruckende Parasolpilze. Als ich das Foto mache, ist ein Neuntöter über meine Anwesenheit "not amused" und protestiert mit markanten Warnrufen.

Ich erreiche dennoch ziemlich schnell die erste Sondenposition. Sie liegt nicht weit weg vom Weg.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: U3260296
Produktionsdatum: 13.08.2022
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5h:00m
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 26.05.2025 (00:00Z)
Track wettersonde.net und Tower
Maximale Höhe: 32853m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.05m/s
Landegeschwindigkeit: 5.00m/s
Landestelle: Göhrde, LAT, LON: 53.12814,10.74498 Google Maps
Status: Geborgen am 9.8.2025, 10:12UT. Fallschirm und Ballonrest hoch im Baum, nicht geborgen.
Methode: Extrapolation aus Tower-Daten
Diese Sonde hatte ich mit dem Tower mitgeschnitten. Obwohl der Tower nicht weit weg ist, konnte ich die Sonde zwar bis unmittelbar vor der Landung, aber nicht danach empfangen. Das lässt auf eine bodennahe Position schließen. Mein Optimistimus wird nicht enttäuscht.

Leider hängen ein riesiger Ballonrest und der Fallschirm in den Baumwipfeln und lassen sich nicht bergen.
Nach diesem Erfolg geht es weiter in den Wald hinein. Der Weg wird irgendwann besser, und dann ist die bequeme Asphaltstraße Röthen-Hohenfier erreicht. Auf der kann man endlich wieder entspannt und zügig vorankommen. Nach 2km muss ich aber in den Wald abbiegen, zur nächsten Landestelle.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: V1040819
Frequenz: 405.1 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Meppen (WMOID:10304)
Produktionsdatum: 2023-09-03
Flugdatum: 23.1.2025 7:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe: 31809m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.71 m/s
Landegeschwindigkeit: 1.5m/s
Landestelle: Göhrde LAT, LON: 53.10433,10.76684 Google Maps
Status: Geborgen am 6.8.2024, 14:35UT
Methode: Extrapolation aus Wettersonde.net-Daten
Die Sonde hatte ich per Tower nach der Landung empfangen und decodieren können. Axel
war 2 Tage nach der Landung vor Ort, musste aber feststellen, dass
sowohl Schirm als auch Sonde unerreichbar hoch in Bäumen hingen. Sylvio und ich haben der Landestelle am 19.3. einen Besuch abgestattet. Leider war die Lage unverändert. Heute kann ich den Fallschirm überhaupt nicht ausmachen. Die Eiche mit der Sonde kann ich irgendwann anhand Schnurresten im Wipfel identifizieren. An diesen hängt allerdings keine Sonde mehr. Also muss sie heruntergefallen sein. Ich suche Gelände direkt unter den Schnurresten ab - nichts. Als ich die Gegend durchquert habe und zurück schaue, kann ich die Sonde plötzlich ausmachen. Sie liegt gut getarnt in einer Vertiefung aus Blaubeerbüschen und heruntergefallenen Ästen, und man kann sie nur aus einer bestimmten Blickrichtung überhaupt erkennen.
 |
Auf diesem Bild ist eine Sonde versteckt |
Ich suche noch kurz nach einer RS41 aus dem Jahre 2022, deren vermutliche Landstelle sich in unmittelbarer Nähe befindet. Eine lange Suche macht aber keinen großen Sinn, weil die Blaubeeren in vollem Laub stehen und jeden Blick auf den Boden unmöglich machen. Zurück auf der Straße wende ich mich in Richtung auf das Forsthaus Röthen. Direkt an der Straße hatten Sylvio und ich im März eine Manöver-DFM lokalisiert, und ich habe sie zwischendurch schon mehrfach kontrolliert. Auch heute tut sie mir nicht den (Herunter-)Gefallen. Die von der Firma GRAW verwendeten Schnüre sind sehr viel haltbarer als die der Vaisala-Konkurrenz. Das ist aus Umweltschutzgründen überhaupt nicht gut.
Ich besuche noch den Landeplatz einer uralten RS92 von 2014 oder vorher. Dort habe ich kürzlich Reste eines Schirms und eines Abrollers gefunden. Leider haben die Berufsarchäologen vom Grunz-Institut die dazu gehörige RS92 BGP noch nicht freigelegt.
Zurück geht es Richtung Heimat. Schon vor der Anreise habe ich festgestellt, dass die erste und die letzte Bahn nach Hause - die Wendlandbahn verkehrt im 3-Stunden-Takt - durch einen Schienenersatzverkehr ersetzt sind. Grund: Laut Homepage von Erixx sind dies "Tagesrandlagen". Wir reden hier übrigens von 19:00. "Grund der Baumaßnahme" ist: Personalmangel im Stellwerk. ÖPNV 2025. Nun begehe ich einen strategischen Fehler. Anstelle von Oldendorf in der Göhrde sofort nach Dahlenburg zu radeln, missverstehe ich die Verbindungsauskunft der HVV-App, in der ein Bus um 17:19 am Bahnhof Göhrde angekündigt wird. Das würde zeitlich gut passen und wäre auch viel näher. Erst vor Ort finde ich heraus, dass dies nicht der Ersatzbus ist. Es ist überhaupt kein Bus. Vielmehr handelt es sich um einen dieser 💥👎💣 Auswüchse der Anrufsammelpest, wo man 1-2 Stunden vor Abfahrt anrufen muss. Wenn man Gepäck oder ein Rad transportieren will, muss man übrigens bis Freitag Abend anrufen. Es ist Samstag. Just forget it. Ich hätte längst anrufen müssen, und selbst dann wäre fraglich, ob sie mein Faltrad, die Tasche und die Stange mitgenommen hätten. Immerhin würde der Rufbus nichts kosten - bei einem Anrufsammeltaxi fällt für einen Ticketinhaber die Gebühr nur niedriger aus. Übrigens habe ich schon im Raum Dömitz einen VW-Polo mit der Beschriftung "Rufbus" herumfahren sehen.
Jetzt habe ich zwei Optionen: Hier mehr als 2 Stunden warten und darauf vertrauen, dass der Ersatzbus tatsächlich verkehrt, oder nach Dahlenburg radeln. Den nächsten 5300er Bus nach Lüneburg werde ich dort höchstwahrscheinlich verpassen. Ich entschließe mich dennoch für Dahlenburg. Die ziemlich hügelige Route führt über eine mir noch unbekannte Straße über Nahrendorf. Schon kommt der Backsteindom von Dahlenburg in Sicht. Hier habe ich bis zur nächsten - und letzten - Busfahrt um 19:45 noch viel Zeit. Eine Pizzaria am Marktplatz bietet eine wunderschöne Außenterrasse mit Blick auf dem Dom. Eine Pizza und ein Bier wecken dort die Lebensgeister. Die Beobachtung der Dohlen, die oben vom Kirchturm heruntergucken und gelegentlich Luftakrobatik aufführen, verkürzt die Wartezeit auf den Beginn der Heimfahrt.
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier