Am Samstagmorgen flog eine sehr eigenartige RS41-Sonde aus Richtung Nordsee kommend ins nördliche Niedersachsen ein: N3820608, die auf 404.0 MHz sendete und südöstlich von Cuxhaven landete. Dann folgte am Abend N3820610, die es bis zum Sondenmagneten bei Harsefeld verschlug. Ich kam gerade pünktlich zur Landung zuhause an, konnte aber bei der sehr ungewöhnlichen Frequenz von 400.5 MHz nichts empfangen. Bremen verlor die Sonde in 1015m Höhe - das ist extrem hoch, denn Harsefeld ist sonst immer für einen Empfang aus Bremen von 200-300m gut. N3820608 konnte Bremen bis in 397m Höhe verfolgen. Auch war laut Bremer Seite bei beiden Sonden ein Burstkill aktiv.
Das war aber eindeutig kein klassischer Burstkill, denn die Sonden sendeten ja noch lange nach dem Platzen.
Interessant war bei beiden Sonden der Startplatz irgendwo in der Nordsee. Die erste Idee vieler Sondenfreunde war die Ekofisk-Plattform, von der regelmäßig Sonden fliegen und die in der Rückwärtsverlängerung des Tracks lag. Aber das kam nicht hin: Die Bremer Spuren begannen beide im Raum Helgoland in ca. 3000m Höhe. Das deutete entweder auf Helgoland oder auf ein Forschungsschiff im Seegebiet um Helgoland.
Ich überlegte kurz, ob ich gleich wieder in die S-Bahn springen würde. Aber die Mitteilung "Burst-Kill aktiv" schreckte mich doch ab. Es konnte sein, dass da ein Timerkill aktiv war, und dass das Verlöschen der Sonde in 1000m Höhe und mein erfolgloser Empfangsversuch entweder bereits auf diese Einstellung zurückzuführen waren, oder dass die Sonde alsbald nach der Landung sich abschalten würde. Ich beschloss stattdessen, das angesagte schöne Wetter am Adventssonntag für eine kleine Radtour zu nutzen. Vielleicht könnte man ja eine Spur der merkwürdigen Meeressonde finden.
Allzu viel Optimismus hatte ich allerdings nicht. Denn die Bremer Prognose war in den letzten Tagen recht unsicher, mehr als ein paar hundert Meter Radius gab ich der Genauigkeit angesichts der großen letzten Höhe und der am Ende hin- und herspringenden Landepositionen nicht. Ich würde die Gegend gründlich mit dem Fernglas absuchen und auf ein auffälligiges Landesetting hoffen.
Eine Fahrt der wegen Signalstörung nur so dahinschleichenden S-Bahn brachte mich nach Neukloster, und von da ging es per Rad zur Landestelle bei Rutenbeck nahe Harsefeld. Aus 2km Entfernung sah ich erstmals ein leuchtend helles Objekt in dem Wald voraus. Das hatte ich nicht weiter beachtet, aber aus 1000m Entfernung guckte ich wieder in die Richtung - ich fuhr ja genau drauf zu. Und jetzt war der Lichtpunkt extrem auffällig.
Ich behielt es im Auge, und in 300m Entfernung hielt ich an und kramte
aus dem Ruchsack den 10x50 heraus. Darin sah das Ding SEHR nach einem
Fallschirm aus.
Nachdem ich an einem Restaurant vorbeigefahren war, hatte ich freien
Blick auf das weiße Objekt auf dem angrenzenden Waldgrundstück zur
Rechten, und jetzt war die Identifikation ganz eindeutig.
Ich verfolgte die in der Sonne glänzende Schnur und fand zu meiner extremen Freude über dem Radweg in ca. 6-8m Höhe eine RS41 an der Schur baumeln! Sonden-Drive In für fahrradfahrende Sondenjäger.
Die Bewohner der umliegenden Häuser waren auf meine Aktivität aufmerksam geworden. Die ganze Bergephase hindurch kam immer mal wieder einer raus und sprach mich an. Sie hatten das Ding auch schon gesehen, und mein Erscheinen hatte ja ganz offensichtlich etwas mit dem "Ding" zu tun. Sie baten um eine Erklärung, was das für eine "komischer weißer Kasten" sei. Diese Sache verzögerte die Bergung um ca. 15 Minuten, brachte Spaß. Ich machte sie auf den Fallschirm in dem anderen Baum aufmerksam. Sehr komisch: KEINER hatte den Schirm gesehen, aber alle die Sonde. Das war erstaunlich, denn ich habe wirklich selten einen derart ins Auge springenden Schirm gesehen. Sie meinten, dass die Sonde ihnen ins Fenster geblinkt hätte. Klar, die Sonde rotierte wie wild an der Schnur, und dass das Flares verursacht, kennt man ja.
Die Sonde war gefundenes Fressen für die 10m Stange und wurde mit Schnur-Haken-Technik problemlos zu Boden gebracht.
Allerdings misslang der Versuch, den Schirm in 25-30m Höhe freizubekommen, er war komplett verhakt, die Schnur riss.
Das Rätsel, woher die Sonde kam, wurde mangels Label nicht gelöst. Das tat aber Gerd DF3EY aus dem Radiosondenforum. Das Netz ist allwissend, und er konnte den vermutlichen Urheber der Sonden ermittelten: Zur fraglichen Zeit war das Forschungsschiff Walther Herwig III vor Helgoland im Einsatz.
Der Burstkill ist in Sondemonitor beim Neuanschalten nicht zu erkennen, anders als der Timerkill der RS41. Ich verstehe die Burstkillerei auf einem Forschungsschiff nicht. Denn 90% der dort gestarteten Sonden dürften durch Splashdown ganz von selbst gekillt werden. Wahrscheinlich wissen die User vor Ort nicht, wie oder warum man den Burstkill abschaltet, und bis vor kurzem war er ja default auf ON. Vaisala änderte das ja nach der Don't kill the Sondes Kampagne der Sondenjäger. In Deutschland war das aber nie ein Problem, weil die hiesigen Starter immer smart genug waren, die Option abzuschalten.