Sondentyp: RS41-SGP& OZON
SN: M4140088 & Z31501Frequenz: 403.5 MHz
Startstation: Uccle (WMOID: 6647)
Flugdatum: 11.12.2017 12Z
Track Bremen
Landestelle LAT LON: 53.17585 9.62305 Google maps
Gefunden durch GPS-Dekodierung der gelandeten Sonde
Eine Ozonsonde zu finden ist im Raum Hamburg fast aussichtslos.
Von den üblichen Startplätzen (Lindenberg, Hohenpeissenberg) sind wir maximal entfernt. Alle paar Jahre startet Kühlungsborn eine, und vor Jahren konnte Sondenjäger
Harry eine solche in Trittau erbeuten. Dj1or alias „Funkpapa“ aus Nienburg(Weser) hat es da etwas besser. Bei extremen Windlagen fliegt schon mal eine
Ozonsonde aus De Bilt bei Amsterdam bei ihm vorbei, und er hat schon ein paar
davon erobert.
Einer Astrobekannten aus dem Westfälischen hatte ich mal die
Story von diesem seltenen Geflügel erzählt. Für sie als Physikochemikerin ist
sowas wie eine Ozonsonde natürlich spannend, und wir hatten fest vereinbart:
Wenn so ein Ding in ihrer Gegend runterkommt und wir beide uns von unseren Jobs
loseisen können, dann jagen wir der Ozonsonde hinterher. In Westfalen kommt das
häufiger vor, zumindest häufiger als in Hamburg.
Also behielten wir die Sache im Auge. Wir sahen die Sonde
vom 7.12., die im Neustädter Moor gelandet war und die „Funkpapa“ erbeutete.
Wir guckten immer auf die Vorhersagen und bemerkten letzte Woche, dass Uccle
vom 11.12.2017, 12Z, bei Bramsche bzw. Osnabrück herunterkommen würde. Auch die
De Bilt-Sonde vom kommenden Donnerstag haben wir diskutiert. Aber zu keinem der
Zeitpunkte konnten wir beide, und das war ein Problem. Ich hätte aber heute
gekonnt, aber Petra nicht. Nächsten Donnerstag ist es umgekehrt. Aber kommt Zeit kommt
Sonde, haben wir uns gesagt.
Da die Jagd nach der Ozonsonde erst einmal entfiel, hatte ich an
meinem freien Tag als Ersatzbefriedigung am Vormittag ein Meppener Tandem erbeutet. Beim Mittagessen habe ich mir dann den Flug von Uccle 12Z auf der
Bremer Seite aus reiner Neugier angeguckt. Irgendwann bemerkte ich, dass Ungewöhnliches vonstatten ging. Und ich begann nicht schlecht zu
staunen; je weiter die Sonde flog, umso mehr fiel mir der Unterkiefer raus. Und dann begann die Hektik.
Die Sonde hätte, wie gesagt, laut Habhub bei Osnabrück herunterkommen
sollen. Das ist für eine Sonde aus Uccle schon recht weit. Sie flog auch brav da hin, wo sie sollte, stand aber über dem
vorhergesagten Landegebiet in 30000m Höhe, und der Ballon war noch nicht
geplatzt. Irgendwie flog diese Sonde einfach doppelt so weit wie vorgesehen. Also
würde sie bei gut funktionierendem Fallschirm vor meiner Haustür
herunterkommen!!! Andre und ich begannen zu whatsappen. Wir hatten ja schon so manche Sonde gemeinsam gejagt und tauschen uns gerne über Aktuelles per Whatsapp aus. Ich vertrat ziemlich
deutlich die Meinung, dass das Ding im Hamburger Sondenjägervordergarten herunterkommen würde. Der Landepunkt war noch schwer zu schätzen, denn die Vorhersagen der Höhenwinde lagen ja offenbar voll daneben. Ich nannte Handeloh als möglichen Landepunkt - dort hat unser Astroverein eine Sternwarte, die auch André gerne nutzt. André war zurückhaltender, rechnete mehr mit einer Landung in oder um Bremen
– und da gäbe es zu viel Konkurrenz für eine späte Anreise. Auch warnte er vor dem heranrauschenden
Schneesturm.
Das furchtbare Wetter war ein echtes Problem, aber andererseits:
Ich wollte es unbedingt versuchen und dachte mir: Umdrehen kann man ja immer noch.
Inzwischen galt es auch, handlungsfähig zu bleiben! Man darf hier in Hamburg
das Rad zwischen 16 und 18 Uhr nicht in
die S-Bahn nehmen. Bis 16:00 sollte man also einen Abfahrtbahnhof Richtung Südwesten erreicht haben - vorzugsweise Harburg.
Also: Sondenrucksack wieder geschultert (war ja noch nicht
ausgepackt), Fahrrad aus dem Keller gewuchtet und rein in die S-Bahn. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur eine sehr vage Idee über das Zielgebiet. Spätestens in Harburg könnte ich auf der Bremer Seite ermitteln, ob es eher nach Buxtehude bzw.
Bremervörde oder eher Richtung Buchholz gehen würde. Während der Fahrt
stabilisierten sich die Landeprognosen in die Region um Fintel. Tostedt und Lauenbrück waren
mögliche Zielbahnhöfe.
Rasch ein Ticket nach Scheeßel und eine Fahrrad-Tageskarte erstanden. Das Ticket nach Scheeßel
wurde schon in der S-Bahn per App gekauft. Aber irgendwie konnte ich mit der Bahn-App keine Fahrradkarte kaufen, oder war zu doof dazu, diese Funktion zu finden. Also Automat in Harburg. Und es war wie immer: Der eine Automat nahm keine Scheine UND
keine Karte, und meinte sogar, ich solle mich wegen der Karte an meine Bank wenden.
Der andere nahm keine Münzen, aber dafür die Karte. Mittlerweile war der Zug
nach Tostedt natürlich weg. Eigentlich erwies sich das aber als gut: Inzwischen war die Sonde gelandet, und die letzte
Prediction sah den Landeplatz direkt bei dem Dorf Vahlde – und zwar in freier
Feldmark. Bei dem Wetter war es eindeutig besser, nach
Lauenbrück zu fahren, weil der Weg von dort wesentlich kürzer war.
Und so
wartete ich fast eine dreiviertel Stunde in Harburg auf den passenden Zug. Zum
Ausgleich hat der Metronom die mit Abstand besten Fahrradabteile des Nordens. Lauenbrück
lag nur 6 Straßenkilometer von der Landestelle entfernt. Ich hatte aber
allmählich Zweifel, ob selbst das nicht zu weit sein könnte.
Der Blick aus dem Fenster war nämlich erschreckend: Draußen tobten heftige Schneeschauer.
Innerhalb von Minuten bildeten sich auf dem Bahnsteigen richtige
Schneewehen. Bei dem Wetter jagt man keinen Sondensuchhund vor die Tür. Es war fraglich, ob man da draußen überhaupt Fahrrad fahren
könnte. Egal: Notfalls würde ich eben die 6 Kilometer durch Schneegestöber und
durch die Nacht schieben. Denn wer seine Radiosonde liebt, der schiebt. Oder das Rad stehen lassen und zu Fuß gehen.
Ganz so schlimm war es am Ende nicht. Es schneite zwar immer
noch massiv, aber die Straße nach Vahlde war frisch abgestreut, und man konnte
sie vorsichtig befahren. Die anfangs heftigen Schneeschauer ließen auch langsam
nach. Den Feldweg zur Landestelle – schneebedecktes, tückisch glattes
Kopfsteinpflaster – habe ich lieber doch geschoben, aber das waren nur 500
Meter. Petrus hatte sogar ein Einsehen, und es hörte auf zu schneien.
Also Rechner raus, Antenne raus und gelauscht. Und tatsächlich –
da war ein schwaches Signal einer RS41 auf der Frequenz 403.5 MHz. Sehr schwach. Die mit Zusatzsensor
versehene RS41 hört sich anders an und sieht auch im Wasserfalldiagramm
anders aus als die normale RS41. Und natürlich hatte ich jetzt die Koordinaten der
Landestelle.
Rechner wieder im Rucksack verschwinden lassen, das Rad stehen lassen und munter losgestapft! Über ein komplett verschneites
Mais-Stoppelfeld ging es in die richtige Richtung. Unmittelbar vor Erreichen
der Position gebot ein breiter Entwässerungsgraben Halt. Ich war nur 8m von der
GPS-Sondenposition entfernt. Mit der starken Taschenlampe konnte ich die andere Seite
ableuchten – nichts. Kein Fallschirm, keine Schnüre, keine weiße Kiste. 8 (in
Worten acht) Meter? Das kann nicht sein! Rechner auspacken, Position checken – aber da
war kein Fehler. Die Koordinaten hatte ich richtig in meine Handy-GPS-App getippt. Nochmal
genau hingeguckt. Im weißen Schnee ist so eine weiße Kiste im Dunkeln nicht wirklich
auffällig. Das Adrenalin erreichte ein Maximum, als ich endlich eine Styroporbox auf der
anderen Seite liegen sah. Tief im Graben, aber nicht im Wasser.
Die Gummistiefel hatte ich in der Aufregung am Fahrrad
gelassen. Sollte ich mit der 10m Stange die Sonde zu mir ziehen? Ja,
vielleicht, aber erst einmal gucken, ob man nicht doch auf die andere Seite
kommt. Google Earth ist Dein Freund – aber nicht im Funkloch. O2 can't do, but
O3 maybe. Ich ging den Graben entlang in die eine Richtung und stand nach 150m vor NOCH einem
Graben. Also in die andere Richtung. Und hier gab es nach 350m einen
Wildübergang über den Graben. Also rüber. Und zurück zur Sonde. So sah sie von der anderen Seite aus:
Jetzt sah ich
auch Fallschirm und den recht kleinen Ballonrest – total
mit Schnee überzuckert. Ich war erstaunt: Einen massiven Abroller, wie man ihn auf den Bildern immer sieht, gab es nicht! Das Ding hatte gar keinen Abroller, sondern wird einfach so in die Luft geworfen. Dafür war der Totex-Schirm der Knaller.
Also wurde die Sonde an der sehr dicken Schnur nach oben
gezogen und alles unter den Arm geklemmt.
Zurück am Rad ermöglichte es
kreatives Umpacken, den weißen Kasten diskret in den Satteltaschen verschwinden
zu lassen. Das war angesichts der Rückfahrt mit der Bahn angeraten.
Die Rückfahrt nach Lauenbrück war einfacher als die Hinfahrt. Denn das
Streusalz hatte inzwischen gewirkt. Erst auf dem letzten Kilometer setzte der massive
Graupelschauer wieder ein. Da war auch verschmerzbar, dass ich die Bahn noch
wegfahren sah, und dass das langsame Internet keinen Kartenkauf per App ermöglichte. Und dass der doofe Automat nur Münzen und keine Scheine nahm. Dafür aber diesmal
die EC-Karte. Speziell im Metronom verstehen die Kontrolleure
in solchen Situationen übrigens keinen Spaß.
Auf der Fahrt zurück ein paar Gedanken: Das war für mich der bisher spektakulärste Sondentag: Ein Meppen-Tandem ist an sich schon spannend. Und dann fliegt diese bereits abgeschriebene Ozonsonde mit über 200km/h und minialer Steigrate einfach mal doppelt so weit wie vorhergesagt - quasi direkt in meine Arme. Der Kampf mit den Elementen gehört in so einer Situation einfach dazu. Auf jeden Fall werde ich diesen ereignisreichen 11. Dezember lange in
Erinnerung behalten.
Übersicht über alle Radiosondenfunde hier
Hallo Hartwig, yes, so geht das! :-) Jetzt müssen wir mal unser noch offenes Projekt "Filmen einer Sonde bei der Landung" in Angriff nehmen.
AntwortenLöschenHerzlichen Glückwunsch zur ersten Ozonsonde. Früher kam da immer
AntwortenLöschendie ganze Prominenz der Sondenjäger zusammen und es wurde bis
tief in die Nacht fachgesimpelt..
Hab mich auch gewundert, dass da sonst keiner auftauschte. Ich glaub das Wetter war dafür einfach zu abschreckend. Und das ganze kam auch sehr überraschend.
LöschenHerzlichen Glückwunsch zur ersten Ozonsonde!
AntwortenLöschenDieser Bericht ist perfekt und Dein Einsatz ist beachtlich!
Diese Sonde ist wirklich verdient!
Auf meiner Seite habe ich eine Brewer-Mast mit einer RS92 erforscht und mit vielen Detailfotos:
http://www.qsl.net/oe1ffs/Sondenpage/Sonde%20Ozon%20Brewer/Ozon%20Brewer.html
Grüße aus Wien!
OE1FFS Fritz
Danke für den Link - sehr spannend!
LöschenHartwig