Samstag, 16. Juni 2018

Timerkill einfach wegignorieren

Bergen startet ja seit einiger Zeit die Sonden mit einem Timerkill. Die Zeit ist immer unterschiedlich. Alles zwischen 6 Stunden und weniger als 2 Stunden haben wir schon erlebt. Typisch sind derzeit 3:20 Stunden und 4:00 Stunden. Ersteres gibt dem Sondenjäger nur ein paar Minuten, die Sonde noch sendend anzutreffen. Letzteres geht schon eher, wenn der Weg nicht zu lang ist. Mit Bahn und Faltrad und einer Landung im Raum Lüneburg ist beides aussichtslos. Da hilft dann nur eine gute Prediction. Und selbst damit wird es spannend.

Am 16.6. startete Bergen die 0 Uhr-Sonde N2120263 mit 3:20 Burstkill. Ich konnte sie von Hamburg aus mit RTL-Stick und 5-Element-Selbstbauyagi bis in 155m Höhe verfolgen. Dann wurde mit der Predict API und meinen typischen Parametern eine Prediction gerechnet, die super in der Verlängerung der Flugbahn lag und die ich auf +- 20m genau einschätzte. Das sollte reichen, trotz der Bäume vor Ort. Nach all dieser dürren Wochen mit Sonden, die auf ihren Startplatz zurückfielen, endlich mal etwas Spannendes! Dafür lohnte es, um 5:43 am Samstag die S-Bahn zum Hauptbahnhof zu nehmen. Zumal im Zielgebiet laut Habhub weitere Sonden landen sollten.

Die Landestelle war in einem Industriegebiet am Ostrand von Lüneburg. Eine breite Straße durchzieht das Gebiet in Nord-Süd-Richtung, und auf beiden Seiten grenzt ein schmaler Waldstreifen die Betriebe von der Straße ab. Die Prediction sah die Sonde im östlichen Waldstreifen. Sicher nicht auf dem Industriegelände, vielleicht aber auch auf der Fahrbahn.

Vom Bahnhof Lüneburg war es wirklich nicht weit bis zur Landestelle. Keine Sonde(ntrümmer) auf der Fahrbahn. Auf den ersten Blick auch nichts in den Bäumen. Gründlichst inspizierte ich mit dem Fernglas jeden Zweig - nichts. Die Straße verlief auf einem Damm, nach beiden Seiten ging die bewaldete Böschung steil herunter, und nach einigen weiteren Metern Wald kam dann der jeweilige Industriezaun.

Von unten war das Ganze etwas übersichtlicher. Da war aber auch nichts zu sehen. Ich bin dreimal in verschiedenen Abständen durch dieses Gestrüpp gelaufen. Nichts.

Also wird die andere Straßenseite inspiziert. Hier ist der Streifen noch schmaler, so dass es keinen Sinn macht, herunterzuklettern. Aber NICHTS ist zu sehen. Dreimal, viermal beide Seiten aus verschiedenen Richtungen inspiziert. NICHTS.

Allmählich schien es, dass die Sonde doch vor meiner Ankunft auf der Straße oder dem Radweg herunterkekommen ist und andere Liebhaber gefunden hat. Ich wollte gerade aufgeben, zumal inzwischen die nächste Bergener Sonde im Landeanflug Aufmerksamkeit verdiente. Einen letzten Blick auf das westliche Gestrüpp wollte ich aber noch machen. DA ist etwas Rotes! Der Fallschirm. Große Bundeswehrversion. Schwer zu entdecken, UFF.



Ich verfolgte die Schnur. Das war durch das Fichten- und Ebereschengestrüpp kompliziert. Dann sah ich im Fernglas, dass die Schnur in 8-10 Metern Höhe die Straße überquerte und dann auf einen Baum genau AUF meiner Prediction zulief und dort verschwand. Sie lief dann weiter auf eine benachbarte Fichte zu. Da hing statt der erwarteten Sonde  ein großes, plüschig-federiges Etwas, das teilweise durch Zweige verdeckt war. Ballonrest?  Was macht der AM ENDE der Sondenschnur? Oder  schon wieder ein toter Vogel? Ich war, je länger ich das im Fernglas anguckte, ziemlich sicher, dass es wieder letzteres war. Da er sich nicht bewegte, kam da wohl jede Hilfe zu spät.

Wieder die Böschung runter. Stangenbergung von unten war aussichtslos, viel zu hoch. Das Objekt war auch aus der Perspektive teilweise verdeckt, aber dafür war jetzt auch die Sonde klar sichtbar. Die hing nicht an der Schnur, sondern war 30cm unter dem Vogelobjekt zwischen Ästen verklemmt.

Aber die Schnur über der Straße konnte ich mit der 10m Stange tatsächlich greifen, indem ich mich ganz lang machte, denn die Straße lief ja auf einem Damm. Ich musste dabei aufpassen, dass ich den Straßenverkehr mit meinem Stangenmikado nicht behinderte. Ich habe die Schnur durchgeschnitten und an den Leitplanken angebunden, so dass keine Schnur über der Straße hing.

Auf der Fallschirmseite war die Sache aussichtslos. Ich konnte mit Schnurmanövern die Leine von etlichen Ästen freibekommen, aber am Ende riss das Teil. Dennoch habe ich wohl einen großen Teil der  Schnur entfernt.

Wieder über die Straße, zum eigentliche Hauptobjekt. Und das ließ sich gut an! Ein kräftiger Zug befreite die Sonde, ein weiterer beförderte sie in eine wesentlich besser zugängliche Fichte. Und man konnte sie an der Schnur jetzt auf- und abseilen.  Also Schnur lösen, und die Sonde fiel herunter. Aber leider nicht bis zum Boden. Jetzt hatte sich der "Vogel"  im Geäst verhakt. Man konnte immerhin erkennen, dass es kein Vogel war. Sondern doch ein ziemlich großer und kompakter Klumpen von Ballonrest, der sehr fest mit der Schnur verwoben war.

Vom Straßendamm aus gesehen war die Sonde jetzt auf Augenhöhe, aber knapp 10 Meter weg. Waagerechtes Stangenmikado kannte ich zur Sondenbergung bisher nicht. Da ich direkt hinter der Leitplanke stand, musste ich immer sorgfältig darauf achten, dass die Stange nicht auf die Fahrbahn geriet. Aber dann hatte ich endlich die Sonde in der Hand.




UFF. Das hatte gedauert. Was war jetzt mit der 6Z-Sonde? Laut Bremen war sie nur noch 1800m hoch. Vielleicht könnte ich sie aus der Nähe ein paar Meter tiefer kriegen als die Bremer! Schnell Rechner und Antenne aus dem Rucksack und los. Als alles gut lief, war sie nur noch 650 Meter hoch, und ich konnte sie immerhin bis 336m Höhe verfolgen. Die Landestelle war in einem Wohngebiet in Lauenburg. Würde es Sinn machen, da hinzufahren? Da die 12Z auch im Lauenburgischen herunterkommen sollte, könnte man ja zumindest auf dem Weg in Lauenburg aussteigen und nachgucken.

Also wurde rasch (immer noch am Straßenrand) die erste Hilfe gegen den Timertod geleistet - eine Prediction gemacht. Alles wurde eingepackt, und dann ging es wieder zurück zum Bahnhof. Rein in den Zug nach Lauenburg. Den Elbhang hochgekeucht und ab zur Stettiner Straße. Meine Prediction sah hier die Landestelle AUF der Straße. Die Suche dauerte nur wenige Minuten, denn auf einem komplett ungegrabenem ackerartigen Vordergarten direkt am Gartenzaun sehr nahe der erwarteten Stelle lag eine RS41. Die Schnur war auch da und endete auf der Fahrbahn, aber der Fallschirm, Abroller, Ballonrest waren abgerissen und nicht zu sehen.  Die direkten Nachbarn auf der anderen Haushälfte, mit der Lage vertraut gemacht, meinten, sie hätten zur fraglichen Zeit einen Knall gehört, als wenn ein Vogel gegen die Fensterscheibe fliegt. Sie vermuteten, dass das Ding vor der Landung ihre Satellitenschüssel getroffen hat.

Die eindrucksvolle Lage der Sonde hatte ich eigentlich geglaubt, fotografiert zu haben, aber leider habe ich wohl nicht richtig auf den Auslöser gedruckt.

Völlig neuartig war die Befestigung des Begleitzettels. Der war diesmal nicht auf dem Boden, sondern auf dem Rücken der Sonde befestigt, und zwar so sorgfältig gefaltet und festgeklebt, dass man ihn nicht wahrnimmt. Die andere Sonde hatte sie auf dem Boden, und so gefaltet, dass die Worte "Mitteilung an den Finder" intelligenterweise nach oben zeigen.

Durch die sehr schöne, aber radfahrfeindliche Stadt Lauenburg ging es zurück zum Bahnhof und weiter nach Büchen. An diesem Eisenbahnkreuz fahren Züge in alle Richtungen. Dort wollte ich die 12Z-Sonde aussitzen. Ich suchte mir ein nettes Plätzchen am Elbe-Lübeck-Kanal außerhalb der Funklöcher und legte mich ins Gras. Sehr schöne Gegend: Perlmutterfalter, singende Pirole, was will man mehr? Den Überflug der Sonde habe ich per eigenem Empfang verfolgt, aber bald wurde klar, dass dieses Ding einen wahnsinnig wirksamen Schirm hatte. Als die Prediction weit hinter Lübeck ankam, beschloss ich, den Heimweg anzutreten. Immerhin mit zwei Timerkill-Sonden mit fortlaufender Nummerierung im Gepäck.







 
Ein kleiner Umweg musste aber dennoch sein. Der galt zur Landestelle von M0310463, einer Saseler Sonde vom 20.4. Die war nur 1.5km von meinem Rastplatz entfernt. Aber unerwartet schwer erreichbar, weil eine umgestürzte Weide den Weg blockierte. Der Schlenker war zwar umsonst, aber auch vergebens. Die genaue Predictionstelle liegt gerade noch auf einem Maisfeld, die Sonde könnte auch in ein komplett unübersichtliches Gestrüpp oder einen Teich gefallen sein. Eine sehr kurze Inspektion der Gegend ließ es sinnvoller erscheinen, das Ding auf die Liste der hoffnungslosen Fälle zu verbannen.



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Karte aller Sondenfunde hier