Samstag, 9. November 2019

Und gleich die nächste Stangenbergung aus dem Baum!

Sondentyp: RS41-SGP
SN:  P3510560
Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 07.11.2019 00:00Z
Track Bremen
Landestelle: Klein Nordende, LAT, LON: 53.71087,9.64805, Google Maps
Status: Lokalisiert durch GPS-Decodierung kurz nach der Landung; Stangenbergung am 09.11.2019 um 13:21 UT

7.11.2019, 5:30
Am 7.11.2019 landete diese Radiosonde bei Klein-Nordende südlich von Elmshorn. Da die Busstation "Klein Nordende am Brahm" 250m nördlich der vorhergesagten Landestelle liegt,  beschließe ich, noch vor Tagesanbruch und vor der Arbeit die Sache zu erkunden. Irgendwelche Stangen werden nicht mitgenommen, denn die Landestelle liegt sehr sicher auf freiem Feld. Wetterson.de hatte die Sonde bis 227m GPS-Höhe, also ca. 177m über Grund - was sollte da schon schiefgehen? Der Fallschirm würde wohl ein paar Meter dichter an der Straße liegen. Eine starke Taschenlampe ist wichtiger als jedes Empfangsequipment. Würde ich es überhaupt brauchen? Ich stecke es aber  lieber doch ein. Die 10m-Stange ist komplett überflüssig und bleibt zuhause.  Hin, einsacken, weg, dann würde man vor der Arbeit noch frühstücken können. Die S-Bahnen fahren noch nicht, aber von Altona geht schon ein Regionalzug nach Elmshorn und von da aus ein Bus ins Zielgebiet.

Gleich nach dem Aussteigen aus dem Bus gibt es eine Schrecksekunde: Die Äcker rechts der Straße sind mit hohen Maschendrahtzäunen abgesperrt. "Mein" Acker aber nicht - uff. Schnell mit der Taschenlampe die Koppel abgeleuchtet. Nebel sorgt für schlechten  Kontrast im Scheinwerferstrahl - aber da liegt kein Schirm. Nanu? 

Rechner raus, RTLSDR raus, Antenne raus und ein wenig lauschen. Das Signal der Sonde ist im absoluten Nahfeld. Die decodierten GPS-Koordinaten liegen auf der anderen Seite der Straße. Die Sonde war um mehr als 120 Meter weiter geflogen als vorausberechnet. Ein weiteres Detail drückt die Stimmung: Die GPS-Daten und die Geländedaten deuten auf eine Baumlandung in 28 Meter Höhe hin. 

Das Waldgelände ist links von einem Zaun zugänglich. Wie ich merke, ist das Betreten wohl sublegal, denn da liegt überall privates Geraffel herum. Der Baum, eine hohe Eiche in zweiter Reihe zur Waldkante, ist rasch identifiziert. Es ist kaum ratsam ist, direkt neben Wohngebäuden um 5 Uhr Morgens meinen Photonentorpedo zu zünden und damit länger als nötig die Baumwipfel abzuleuchten. Lieber sehe ich zu, dass ich nach Hause komme. Viel Zeit für ein Frühstück vor der Arbeit bleibt ohnehin nicht mehr. Die Landekoordinaten sind gesichert, und das muss erst einmal reichen. Der Rest muss bei Tageslicht folgen.

Am 7. und 8.11. habe ich  berufsbedingt keine Zeit für eine Erkundung des Geländes im Hellen. Ich glaube auch nicht, dass mir einer der Bewohner das Ding wegschnappt, denn die Bergung aus der hohen Eiche dürfte komplex sein. Allenfalls sammelt jemand den Schirm auf und zerreisst die Schnur. Dann wird er nicht bemerken, dass 50 Meter weiter im Wald eine Sonde zu Boden fällt. Allenfalls besteht die Gefahr, dass bei so einer Aktion die Sonden irreversibel in eine 30 Meter hohe Astgabel geklemmt wird.

9.11.2019, früher Nachmittag
Am sonnigen Samstag nehme ich meine 15 Meter-Stange mit und fahre mit dem Bus von Wedel nach Klein-Nordende. Ziel ist eine Erkundung der Situation. In der Eiche und den umliegenden Bäumen kann ich per Fernglas nichts entdecken. Ein Rentner an der Straße "Am Brahm" lässt mich auf sein Grundstück. Das  bringt den ersten Hinweis: In einer nicht allzu hohen Eiche auf dem Nachbargrundstück hängt unübersehbar der weiße DWD-Schirm. 

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Ich bedanke mich bei dem Herren und mache mich zu seinem Nachbarn auf den Weg. Das ist ja prima, an dem Fallschirm hat noch keiner gezerrt. Ganz so schlecht ist die Lage doch nicht. Wer weiß, vielleicht gelingt über den Schirm eine Stangenbergung?

"Ferienwohnungen zu vermieten" steht am Eingang zu dem Grundstück, mit Telefonnummer. Ein kurzer Anruf verschafft mir Zutritt. Der sehr zupackende Besitzer und seine Frau sind sehr nett und unterstützen die Aktion nach Kräften. Sie hatten das Gespann noch nicht entdeckt und waren erstaunt. Es ist auch sehr schwer, die Schnur am Himmel, die zu den Bäumen im Wäldchen gespannt war, überhaupt zu erkennen.

Der Plan ist derselbe, der schon bei der letzten Sonde zum Erfolg führte. In der Hoffnung dass nur der knapp 7 Meter hoch in der Eiche hängende Schirm das gesamte Gespann verankert, muss man direkt über dem Abroller die Schnur mit einer an der Stange befestigten Klinge kappen. Das klappt im 3. Anlauf besser als letztes Mal.  Die Schnur flutscht davon. Ich bin sicher, dass die Sonde drüben heruntergkommen ist. Ein kurzer Ausflug zur Eiche im Wäldchen. Da liegt aber nichts. Also zurück zum Schirm. Der ist etwas in der Eiche verhakt, segelt aber nach etwas Gezerre herab. 

Die abgetrennte Schnur baumelt schlaff über einem Carport. Der Besitzer geht mit einer Leiter auf das Flachdach und ergreift die Leine. Nach einiger Diskussion beschließen wir, daran zu ziehen. Oben im Wipfel bewegen sich Blätter. Das war rückblickend keine gute Idee.

Der Besitzer erspäht plötzlich die Sonde. Sie befindet sich nicht mehr im Wipfel der Eiche, sondern auf halber Höhe. Schlagartig wird mir klar: Die Sonde ist nach der Kappung zwar nicht ganz heruntergefallen, aber stark abgesackt. Ich hatte sie bei meinem kurzen Check nur am Boden gesucht und die Sonde daher übersehen. So haben wir sie bei unseren Zugexperimenten wieder 3-4 Meter nach oben gezogen. Wir hatten den guten Grundsatz der Apollo-Flugkontrolleure verletzt:  "If you don't know what to do, don't do anything".

Aber da geht doch was! Die Lage ist doch viel besser als vor der Schnurkappung. Ich schätze die Höhe auf knapp 15 Meter, aber sicher bin ich nicht, ob die Stange wirklich reichen würde. Etwas Stangemikado durch das Unterholz, und der Mast mit der Schnur-Haken-Kombination wandert wieder nach oben.  Sehr hilfreich ist wieder die Unterstützung durch den Grundstücksbesitzer, denn er kann aus einigen Metern Distanz viel besser abschätzen, wie viele Meter mir bis zur Sonde noch fehlen. Irgendwann touchiere ich die RS41. Die Länge reicht locker, um den Haken einen Meter über der Sonde neben der Schnur zu positionieren.  Aber natürlich pendelt die fast völlig ausgezoge Stange gerne mal ein paar Meter hin und her. Und wenn man Schnur oder Sonde berührt, pendelt die auch wild hin und her. Auch ist der Haken nicht ganz optimal gebogen. Ich habe keine Lust, das Ding noch mal einzufahren und den Haken neu zu richten. Es muss auch so gehen. So brauche ich etliche Versuche.

Endlich fasst die Schnur, aber nicht besonders sicher. Beim ersten Versuch bekomme ich die Sonde nur 3 Meter tiefer. In etwas mehr als 10 Metern Höhe ist das erneute Einhaken aber erheblich einfacher. Über mehrere Zwischenstufen gelangt die Sonde endlich zu Boden. Sie blinkt "ok" beim Anschalten und verlischt nach wenigen Sekunden wegen leerer Batterie.


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