Samstag, 15. Februar 2020

Die schwere Sonde - endlich geborgen.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:  P2221024
Frequenz: 402.5 MHz
Startstation: Schleswig (WMOID:10035)
Flugdatum: 07.01.2019 12Z
Timerkill: Keiner
Track  Bremen
Landestelle Wald bei Westergellersen, LAT LON: 53.25846,10.25481 Google maps
Status:  Baumlander, 20m hoch. Geborgen am 15.2.2020, 14:00
Methode: Tawhiri-Prediction auf Basis von radiosondy.info-Daten

Diese Sonde steht im Ruf, ansonsten erfolgreiche Sondenjäger zum Aufgeben zu zwingen, weil die Landestelle zu unübersichtlich ist. Die Sonde liegt tief in einem sehr dichten Wald, man muss da erst einmal hinkommen. Eine Anreise nur per KFZ ohne längeren Fußmarsch ist unmöglich. Und dennoch war schon kurz nach der Landung am 7.1.2019 ein Sondenjäger vor Ort: Clemibunge, der die Sonde noch sendend antraf. Er war durch das dichte Gestrüpp negativ beeindruckt und konnte sie trotz ernster Versuche nicht lokalisieren. Wahrscheinlich ging ihm bei den kurzen Januartagen auch irgendwann das Tageslicht aus. Sein Fazit in radiosondy: "Sehr dichter Wald, schwer zu finden... zu schwer für mich".

Clemibunges Statement zum Schwierigkeitsgrad hat mich neugierig gemacht, so dass sie auf meine Kaltsondenliste kam. Am Ende erforderte diese Sonde 3 weitere Suchaktionen. Ich war zwei  Male dicht am Aufgeben, aber beide Male kam ich in letzter Minute einen Schritt weiter. Und am Ende konnte ich P2221024 am 15.2.2019, 1 Jahr und 39 Tage nach dem Flug, einfach einsammeln.

Nach dem komplett unrealistischen Motto "Wald wird überbewertet, so kompliziert kann das doch nicht sein" gab ich der Sonde am 15.8.2019 anlässlich einer Suchfahrt nach mehreren Kaltsonden eine Chance. Die Story ist im Detail hier beschrieben. Und ich musste Clemibunge sofort recht geben: Dieses Gelände kann man nicht im üblichen Sinne durchsuchen, erst recht nicht im Sommer: Einzelne hohe Fichten und Kiefern, darunter aber ein extrem dichtes Unterholz aus Laubbäumen, überwiegend Buchen. Ich entdeckte allerdings etwas, was man auf den ersten Blick nicht sah: Mit Reisighaufen zugestellte schmale, nur teilweise zugewachsene Pirschwege, die das Gelände schachbrettartig durchzogen. Allerdings nützten die nur bedingt etwas, weil man von diesen Pfaden nicht weit ins Gelände gucken konnte, und schon gar nicht durch das extrem dichte Laubdach nach oben. Eine GPS-Position der Landestelle hatte ich nicht, wohl aber meine am Tag der Landung auf radiosondy-Datenpunkten basierende Tawhiri-Vorhersage. Obwohl der Fallschirm am Ende nur 20 Meter von der Prediction entfernt in kommoder Pflückhöhe in einer Astgabel hing, brauchte ich zu seiner Auffindung mehr als eine Stunde. Und dieser Fund kurz vor der frustrationsbedingten Aufgabe machte es auch nicht besser: Mangels Blick nach oben konnte ich den Verlauf der Schnüre nicht verfolgen und  nach längerer Erkundung nicht einmal herausfinden, in welchem Baum die Sonde hing. Am Ende habe ich den Schirm abgeschnitten. Zwar schnellte die Schnur nach oben, aber es wurde deutlich, dass die Astgabel nicht der einzige Verankerungspunkt der Sonde war. Es fiel nichts aus den Bäumen. Ich beschloss nach 2 Stunden aber, nach dem Laubfall wieder zu kommen.

Kaisermantel







Meine zweite Tour zu dieser Sonde fand am 24.11.2019 statt. An der Ballonlandestelle finde ich im Schirm-Baum meine Markierung. Jetzt ohne Laub ist es sehr viel einfacher, die Wipfel der Kiefern mit dem Fernglas nach Schnurresten abzusuchen. Ich brauche dennoch eine ganze Weile, bis ich welche erkenne, und noch wesentlich länger, bis ich endlich die Sonde entdecke. Ich bin ein wenig nervös, da irgendwo in der Nähe eine Jagd stattfindet und sich die Schüsse offenbar langsam nähern.   Hoch im Baum, leider zwischen den Nadeln so verhakt, dass sie auch nach den Frühjahrsstürmen nicht unbedingt schnell zu Boden gehen dürfte. Schnell ein paar Fotos gemacht und weg.



Immerhin ist die Sonde damit lokalisiert, und man kann, wie bei anderen Baumlandern, gelegentlich vorbeigucken.

Am 15.2.2020 scheint die Sonne. Ruhe vor dem nächsten Sturm, ideal für eine Radtour. Der richtige Zeitpunkt, nach dem Frühjahrssturm "Sabine" die Baumlanderliste durchzugehen. Um die Chance zu erhöhen, ist es immer ratsam, mehrere Kaltsonden abzuklappern und mit den dringlichsten anzufangen.  Dringlich ist einmal die Meppener Sonde P2310341. Die ist erst seit ein paar Tagen oben, aber nach Kappen der Schnur und einem Sturm könnte sie herunterfallen - im Zweifel in den Neetzekanal. Bevor sie wegschwimmt, sollte man dort ein weiteres Mal nach dem Rechten sehen. Und dann natürlich  die schwere Waldsonde P2221024, vielleicht liegt die ja unten. Beide Landestellen sind ja vorerkundet; man kann sie mit etwas Stress mit einer Tour besuchen. Ich purzel mit dem Faltrad in den Metronom nach Lüneburg und quäle unterwegs meine Fahrplan-App. Es wird relativ stressig, beide Sonden bei Tageslicht zu besuchen und stundenlange Wartezeiten auf Regionalbahnhöfen zu vermeiden. Bei der Meppener Sonde gibt es zwar eine Bushaltestelle, aber da fahren die Busse nur alle 2 Stunden. Das verfügbare Zeitfenster wird etwas länger, wenn ich mit Clemibunges Sonde im Wald anfange. Und kaum ist das ermittelt, hält der Zug bereits in Radbruch. Also nichts wie raus aus der Bahn und rein in den Wald.


Forstfahrzeuge und Pferdehufe haben den Weg zerstört, und so komme ich auf dem letzten Kilometer  viel schlechter voran als gedacht. Vor Ort fehlt die Birke, an der ich das Rad angeschlossen hatte, ich muss eine andere suchen. Denn das Rad behindert beim unvermeidlichen Ausflug in das Unterholz.
Dank der Ergebnisse der beiden letzten Aktionen kann ich diesmal wenigstens direkt auf ein Ziel zulaufen. Und wer beschreibt die Freude über diesen Anblick:



Der DWD-Label ist ausgeblichen, der Sensorarm erkennbar beschädigt und verrostet, aber die Sonde lässt sich noch anschalten und blinkt Error. 

Die Aktion läuft schnell über die Bühne. Ich benutze einen anderen Weg durch den Wald und kann dann mit Rückenwind bei Sonnenschein den Bahnhof Radbruch rechtzeitig für den nächsten Zug nach Lüneburg erreichen. Nach einer Station verlasse ich den Zug wieder und radel die 8,8km von Bardowick nach Brietlingen. Die Sonde dort hängt aber noch im Baum. Allerdings ist eine Birke in den Neetzekanal gefallen - an der dürfte sie hängenbleiben, sollte sie eines schönen Tages ins Wasser fallen. 

Die Hoffnung, ich könnte um 17:02 einen dieser raren Busse nach Lüneburg erwischen, ist unrealistisch. Also heftigst in die Pedale getreten, um um 17:38 wieder in Bardowick zu sein. Ich will keine volle Stunde auf dem zugigen Bahnsteig verbringen. So ein Faltrad ist kein Rennrad und ich bin kein Rennfahrer;  ich bin um 17:37 auf dem Bahnsteig. Der Zug ist pünktlich.
Immer wieder gibt es Diskussionen, ob die perfekten Dekodiertechniken und Predictions das ganze Hobby langweilig machen, weil alles so einfach geworden sei. Andersrum hört man die Klage, dass durch die gestiegene Anzahl von Sondenjägern alles so schwer geworden sei.  Es ist schon so, dass man heute viele neue Möglichkeiten hat. Aber Mutter Natur streut Sonden nicht nur auf frisch gemähte Stoppelfelder, sondern auch in entlegene Wälder und andere undurchdringliche oder unübersichtliche Regionen. Und dann steigt der Schwierigkeitsgrad. Ohne eine genaue Prediction hätte man diese Sonde überhaupt nicht lokalisieren können, aber selbst mit habe ich sicher rund drei Stunden im Gelände vor Ort verbracht, um überhaupt die Sonde zu lokalisieren. Aber heute war dann eben Erntezeit. 

Und Clemibunge, falls Du das liest, mail mir mal Deine Anschrift, dann kriegst Du Deine Sonde. 
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier