Dienstag, 1. Dezember 2020

Stangenbergung im Dunkeln - zu zweit geht es besser!

 ... und eigentlich hat noch ein dritter Sondenjäger wesentlich zum Gelingen der Aktion beigetragen, aber der Reihe nach.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
S0541236
Frequenz: 404.1 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 30.11.2020 12:00Z
Track wetterson.de (danke Kurt!)
Landestelle:Hamburg- Rissen, LAT, LON: 53.59121,9.76545, Google Maps
Status: Stangenbergung aus 11-12m Höhe am 30.11.2020 um 17:54 UT von Alex und mir
Methode:GPS-Decodierung mit TTGO, Internetdaten aus wetterson.de nach der Landung

Am 30.11. ist das Sondengeschehen im Hamburger Raum recht komplex. Pinneberg startet eine DFM17, aber eine Suche würde eine 25km-Radtour pro Richtung ab Büchen erfordern. Als ich die Idee verworfen habe, erhalte ich von Hein eine Anfrage über die Whatsapp-Gruppe:

@Hartwig Bist du startklar?

Was ist da denn los? Ah ja, die Norderneysonde hat einen superguten Fallschirm abgekriegt, und jetzt würde sie es über die Elbe schaffen. Offenbar hatte es für einen Moment so ausgesehen, als würde sie direkt in Hamburg-Altona landen. Als ich mich beginne mit dem Problem zu befassen, liegt die vorhergesagte Landestelle in der Moorwegsiedlung in Wedel. Hein hat auch schon bemerkt, was los ist. Wedel ist nicht weit weg von seinem Wohnort, und so schreibt er:
 

Bin unterwegs

Ich schicke ihm ein paar Infos in der Landephase. Wegen des guten Fallschirms verschiebt sich die vorhergesagte Landestelle bis nach Rissen. Kurz nach der Landung ist Hein zur Stelle. Ich bin erstaunt, dass meine Vorhersage 40m daneben liegt. Die Sonde liegt nicht im Vordergarten des Hauses Nr. 15, sondern ist hoch  in einer Eiche bei Haus Nr. 10 hängen geblieben. Kurt in Uetersen kann zeitgleich von seinem Turm aus die gelandete Sonde empfangen. 

Hein schleicht um den Baum herum, kann aber die Schnur und die Sonde in der beginnenden Dämmerung nicht ausmachen. Er nimmt Kontakt zu den supernetten Grundstücksbesitzern auf, aber auch von der anderen Seite kann er die Sonde nicht sehen. Als er aufgeben will, schicke ich ihm eine Abschätzung der Fallschirmposition auf Basis von Schnurlänge und Flugrichtung. Hein kann aber dort nichts Auffälliges erkennen. Ich frage an, ob ich mit einer starken Lampe und einer 15m-Stange helfen kommen soll. Aber Hein ist schon auf dem Weg heimwärts und berichtet, dass er mit seinem Handfunkgerät noch aus weiter Distanz die Sonde hört - ein typischer Baumhänger eben. Er schreibt noch, dass er mich bei den Besitzern angekündigt hat.

Was tun? Ich könnte tatsächlich mit der S-Bahn eben mal schnell hinfahren. Aber würde ich da in der Dunkelheit mehr ausrichten können? Stangenbergung im Dunkeln ist nicht ganz einfach, vor allem, wenn man die Sonde nicht sieht. Vielleicht wäre eine Suche nach Sonnenaufgang angebrachter? Nein. Wenn der Fallschirm da liegt, wo ich ihn vermute, wird ihn jemand finden und daran ziehen. Noch kann man die Sonde vielleicht mit der Stange bergen, aber wenn jemand ihn mit Macht in den Baumwipfel zerrt, wird es schwerer. Also lieber hinfahren. Die 15m-Stange kommt mit. Zumindest eine gewisse Voraufklärung und Sicherung der Situation durch Fallschirmbergung könnte helfen. 

Vom Bahnhof Rissen sind es etwas mehr als 1km zu Fuß. Da ist auch schon direkt an der Straße besagte Eiche. Alle ihre Blätter hängen noch dran. Das ist der Grund dafür, dass man die Sonde nicht von unten sieht. Also nach der Schnur fahnden. Ich sehe sie im Schein der Lampe hoch über mir aufleuchten - der erste Hinweis.  Bevor ich weiter um die Häuser herumfunzel, sag ich besser bescheid. Erst einmal klingel ich bei Haus Nr. 10. Die Leute sind wirklich sehr nett und super hilfsbereit. Es sind die gleichen, mit denen schon Hein geredet hat.

Die Schnur verläuft direkt zu den  Häusern Nr. 13 und Nr. 15. Die Schnur endet auf dem Dach eines Schuppens, der auf der Grundstücksgrenze steht. Der Fallschirm ist nicht zu sehen, kein Wunder, dass Hein ihn nicht entdecken konnte. Ich klopfe bei Nr. 15. Eine junge Dame macht auf und erlaubt mir die Suche. Ich kann die Schnur mit der Stange greifen und den Fallschirm und minimalen Ballonrest vom Schuppendach bekommen. Leider hängt die Schnur in einem Baum fest. Ich schneide die Schnur durch und eile zurück zur Landestelle.


 

Da hat sich auf den ersten Blick leider nichts getan, außer dass die Sondenschnur jetzt locker im Wind baumelt. Ich versuche die Schnur mit der Stange zu greifen, aber die Stange ist zu kurz. Wieder bewährt sich offensive Kommunikation: Ich erzähle einem Anwohner, der aus einem Auto steigt, sofort und von mir aus, worum es sich handelt. "Ach, ich dachte schon, Sie wollten hier einsteigen, dann ist ja alles ok, viel Erfolg". Nach dem Gespräch drehe ich mich Richtung Sondenbaum um und leuchte hinein - und da sehe ich die Sonde hoch oben baumeln.


 

Die Hausbesitzerin kommt und fragt freundlich nach der Lage. Ich darf sie in den Garten begleiten. Da bin ich direkt unter der Sonde, ideal für eine Stangenbergung. Aber ich kann sie nur gerade so eben durch ein kleines Astloch sehen. Die Hausbesitzerin bietet sich sogar an, die Lampe zu halten, was eine enorme Hilfe ist. Die Stange ist eindeutig lang genug, aber ich kann die Sonde nicht greifen. Da man über der Sonde die Schnur nicht sieht, ist das ziemliches Blindflug-Mikado. Auch wird meiner netten Helferin langsam kalt. Vielleicht sollte man die Sonde morgen bei Tageslicht bergen. Das eigentliche Ziel, die Erkundung der Situation, ist ja erreicht, und sie meint auch, dass ich morgen auf jeden Fall weitermachen könnte. Ich will mich gerade verabschieden, als ein junger Mann auftaucht und mich anspricht.
 

"Du bist der Hartwig? Ich bin der Alex."

Das ist der Wendepunkt: Alex ist seit einiger Zeit in unserer Whatsappgruppe, ich kenne ihn nur digital. "Falls Ihr weitermachen wollt, viel Spaß", meint die Grundstücksbesitzerin und geht ins Warme. 

Sie hatte unsere unausgesprochenen Gedanken genau erfasst. Zusätzliche Brainpower mischt die Karten komplett neu, und zu zweit kann man viel sinnvoller agieren. Ich zeige Alex von der Straße aus die Sonde. Sie ist von da aus besser sichtbar. Er kommt auf den guten Gedanken, dass er ja von außen leuchten und mich dirigieren könnte. Allein ein Hinweis "Du bist jetzt noch 30cm unter der Sonde" ist sehr hilfreich. Ein paarmal kann ich die Sonde berühren, auch mal kurz die Schnur erfassen, aber nicht richtig. Auch bewegt sich die Sonde bei jedem Stoß von unten etwas nach oben. Auch kommt erst etwas Wind, dann auch Regen auf. 

Inzwischen entwickeln wir beide ein besseres Gefühl für die Geometrie und die Höhe, und so kommt Alex irgendwann auch auf das Grundstück, weil er das Gefühl hat, dass jetzt bessere Beleuchtung direkt von unten mehr hilft und ich das Dirigieren nicht mehr brauche. In kritischen Phasen geht er einfach ein paar Schritte zurück. Wir können dann nach etlichen Fehlversuchen die Schnur kurz einhaken und daran ziehen. Ich verliere sie gleich wieder, aber das reicht, um die Sonde zu lösen. Sie segelt im hohen Bogen, von uns bejubelt, nach unten. Wir zeigen sie  natürlich der Grundstücksbesitzerin. Die meint, wir könnten bei der nächsten Sonde gerne wiederkommen. Wir meinen, dass so eine Sondenlandung im Leben eines Grundstücksbesitzers in der Regel eher selten zweimal vorkommt.

Für Alex ist es die erste S-Sonde, und auch die erste Sonde aus Norderney. Dafür hat er schon eine Sonde aus DeBilt gefunden.

Alex macht noch rasch ein Selfie von zwei glücklichen Sondenjägern und nimmt mich noch mit Richtung Stadt, was ich angesichts der Wetterlage - es beginnt sich einzuregnen - sehr zu schätzen weiß. Unterwegs chatten wir noch mit Lauritz, der mit Alex öfter auf Radiosondenjagd geht und der auch in der Whatsappgruppe ist. Eine richtiger Sondenjägerworkshop auf dem Heimweg.

Auf dem Bahnhof Flottbek bin ich extrem erstaunt, Gratualtionen von Hein und Kurt auf dem Handy vorzufinden. Dabei hatten wir noch keine Zeit gefunden, irgendwelche Erfolgsmeldung abzugeben. Der letzte Stand auf Whatsapp war die Sichtung der Sonde hoch im Baum, mit einem wenig ermutigenden Foto. Aber Kurt hing die ganze Zeit am Empfänger und konnte die Sonde decodieren. Dann änderte sich die GPS-Höhe ein wenig (bin nicht sicher, ob das mit uns zu tun hatte), und kurz darauf war das Signal ganz plötzlich weg - das genügte ihm als Erfolgsbeweis 😀

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier

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