Dienstag, 29. Dezember 2020

Auf der alten Transitstrecke...

Sondentyp: RS41-SGP
SN: R3320144
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 29.12.2020 6Z
Timerkill: 5:00h
Track  Radiosondy
Landestelle Horst, LAT LON: 53.376545,10.6525754  Google Maps
Status: geborgen am 29.12.2020, 15:00 UT
Methode: Tawhiri-Prediction auf Basis von Radiosondy.Info-Daten

Heute morgen landet die Bergener Morgensonde im Wald östlich von Horst bei Lauenburg. Ich habe etwas Zeit, also beschließe ich, mir das mal anzusehen. Auf dem Weg schwirrt mir der Name durch den Kopf. Horst? Den kenn ich, der ist kein Vollhorst! Irgendwo hast Du das schon mal gehört. Dann fällt es mir siedend heiß ein:



Genau: Bis 1981 gab es ja zwischen Hamburg und Berlin keine Autobahn. Die Transitstrecke durch die DDR war damals die B5, die über die Dörfer führte. Man musste aufpassen, dass man nicht falsch abbog, denn das galt als "Verletzung des Transitabkommens" und konnte Ärger bereiten. Tempolimit 100 und Radarfallen alle paar Kilometer. Und man bekam immer diese Stempel in den Pass, bei der Einreise und bei der Ausreise. Wehe dem, der eine Wochenendbeziehung in Berlin pflegte: Der Pass war schnell voll. Der Grenzübergang war Lauenburg-Horst.

Noch eine andere Besonderheit gab es: Die B5 war die einzige Transitstrecke, die man mit dem Rad befahren durfte. Allerdings erforderte die Tour nach Berlin eine extrem gute Kondition: Die 220km mussten nämlich bei Tageslicht zurückgelegt werden. Das ging nur um die Sommersonnenwende. Als die Autobahn nach Berlin fertiggestellt war, war es damit vorbei.

Den abgelaufenen Pass von damals habe ich jetzt zuhause vergessen, ob das Stress gibt? Egal, am Bahnhof von Lauenburg geht es zur B5 und dann auf dem neuen guten Radweg. Von der Grenze ist wenig zu erkennen, und dann passiere ich auch schon Horst. Die alte Grenztruppenkaserne ist jetzt ein Flüchtlingsheim - eigenartiger Humor der Bürokraten. Schon bin ich am Ziel, also rüber über die Straße und rein in den Wald. Der nur in Google Maps eingezeichnete Weg ist  ein Lochplattenweg, so wie die Kolonnenwege an der alten Grenze. Die berüchtigten Löcher sind glücklicherweise mit Erde zusedimentiert - weder das Brompton noch der Fahrer eignen sich für die Grenzstein-Trophy. Direkt an der Prediction geht ein Weg rechts ab. Ich kette das Rad am Baum an und sehe mich um. Nichts erkennbar. Ich durchsuche den Wald. Nichts. Links vom Kolonnenweg ist der Nadelwald sehr dicht. Da kann sich ein Gespann unrettbar verhaken, aber  auch dort ist nichts erkennbar. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie so weit westlich ist. Das Gelände weist kleine Hügel auf, einer steht ziemlich genau auf der verlängerten Flugrichtung. Hier hat man einen guten Überblick, nichts. 

Ganz so unübersichtlich ist das hier doch gar nicht! Vielleicht ist die Sonde weiter geflogen als gedacht?  Immerhin hatte sie einen guten Fallschirm. Also gehe ich den Kolonnenweg weiter. Rechts geht ein Weg an einer Lichtung entlang, auf eine andere Lichtung zu, die ich vorhin schon inspiziert hatte. Rechts geht ein Pfad ab, der sehr genau die Flugrichtung verfolgt. Den werde ich auf dem Rückweg benutzen. Muss ich aber nicht. Denn genau am Beginn des Pfades hängen Fallschirm und Ballonrest unübersehbar vom Baum.


 

Nun muss ich aber rasch die Sonde lokalisieren, denn es wird langsam dunkel. Ich arbeite mich Meter für Meter den Pirschpfad entlang und inspiziere mit dem Fernglas die Wipfel. Viel sieht man wegen der schwachen Beleuchtung nicht, aber ich kann die Schnur immer wieder ein Stück weiter verfolgen. Endlich entdecke ich die Sonde hoch oben, 140m von der Prediction entfernt. 



Ein Test mit der 10m-Stange bestätigt meine Befürchtungen. Die Sonde hängt ca. 12m hoch. Also muss man das Problem von der Fallschirmseite her aufrollen.

Das erweist sich als machbar. Da ist einer dieser kleinen Hügel praktischerweise direkt unter dem Schirm positioniert. Viel Widerstand bietet die Schnur nicht. Das deutet darauf hin, dass die Schnur glatt durchgeht und nicht groß verhakt ist. Der Schirm wird gekappt - und tatsächlich fällt am anderen Ende die Sonde vom Baum.


 


Auf meiner Kaltsondenliste gibt es einen Eintrag 2km weiter östlich direkt an der B5, aber der Sondenflug ist schon lange her und die Prediction ist unsicher. Das Tageslicht ist schon fast weg. Rasch alles einpacken, und zurück geht es nach Lauenburg. Also geht es wieder auf der B5 westwärts. Zeit kann ich mir lassen, denn der nächste sinnvolle Zug fährt lange noch nicht.

Zurück geht es über Büchen. In Bergedorf steigen ungewöhnlich viele Leute ein. Ein Blick auf die Telegram-HVV-Liste verrät den Grund: Stellwerksausfall am Hauptbahnhof, totales S-Bahn-Chaos. Ich überlege mir kreative Ausweichrouten mit U-Bahn und Faltrad und bin am Hauptbahnhof angenehm überrascht. Eine gähnend leere S-Bahn steht bereit, fährt gleich los und bringt mich problemlos nach Hause. Nur an den Displays merkt man, dass hier etwas nicht stimmt.

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier



Keine Kommentare: