Letzte Woche schaffe ich es zeitbedingt nicht, alle Bergen-Flüge, die südwestlich von Hamburg niedergehen, zeitnah mit Tawhiri-Predictions zu versehen. Ich gehe davon aus, dass die Szene vor Ort schon losfahren will. Am Freitag guck ich mal in Radiosondy nach, welche Sonden denn nun eingesammelt sind und stelle erstaunt fest, dass drei aufeinander folgende Sonden im Raum Zeven noch nicht als geborgen eingetragen wurden. Die Landestellen sind alle relativ entlegen, so dass eine gute Chance besteht, dass sie noch da sind.
Da ich so lange nach den Flügen keine Tawhiri-Prediction machen kann, rechne ich einfach eine Extrapolation auf Basis der letzten Positionen, Geschwindigkeiten, Flugrichtung, Geländehöhe, Geodidhöhe usw. Kurts Daten zeigen die Sonden grundsätzlich bis knapp über dem Boden. In solchen Situationen sind Extrapolationen oft genauer als wettermodellbasierte Predictions, so dass ich recht optimistisch bin, dass die Orte sehr genau stimmen.
Am Samstag ist das Wetter prima, und ich habe unbändige Lust auf eine längere Radtour. Ich plane eine Tour, die alle drei Landestellen und ein paar ältere Positionen umfasst. Leider ist das Gebiet ein schwarzes Loch des öffentlichen Nahverkehrs. Starten müsste man in Lauenbrück, und die ganze Tour bis zum Bahnhof Apensen ist 55km, nicht gerechnet ein paar Umwege, die man auch noch fahren muss.
Mir fehlen noch ein paar Dinge, die ich in der Stadtwohnung habe, und ich muss auch noch meine kaputten Wanderschuhe vom örtlichen Schuhmachermeister abholen. So bin ich erst recht spät in Lauenbrück. Knapp 60km muss man, selbst wenn man pro Sonde 30 Minuten rechnet, locker bis zum Zug um 21:10 ab Apensen abbacken können, und zur Not fährt auch noch einer um 23:10. Ich weiß natürlich, dass diese Rechnungen immer zu optmistsch sind.
Es geht zunächst nach Stemmen. Hier leiste ich mir einen kleinen Umweg. Nicht weit weg sehe ich auf Locus eine Landestelle einer Sonde von 2019 (P3330258). Die Prediction ist schlecht und der Bereich ist teilweise beackert, es gibt aber einen bewaldeten Rand eines Kieskuhlengeländes direkt an der Straße, wo so eine Sonde vielleicht überdauert haben könnte. Ich fahre hin. Für eine richtige Suche habe ich keine Zeit, und auffällig liegen da nur ein paar weiße Joghurtbecher herum. Zurück in Stemmen geht es weiter auf der ursprünglich geplanten Route.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: S3120714
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 23.6.2021 00:00Z
Track Wettersonde.net und Radiosondy
Maximale Höhe: 35006m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.16 m/s
Landegeschwindigkeit: 10.3 m/s
Landestelle: Tister Moor, LAT, LON: 53.257332,9.549593, Google Maps
Status: Stangenbergung, 26.6.2021, 13:54UT
Methode: Extrapolation aus Radiosondy-Daten
Das erste Ziel ist das Tister Moor. Der Ostteil dieses Moores ist renaturiert und Naturschutzgebiet. Meine Landestelle liegt im Westen. Hier ist das entwässerte ehemalige Moor aufgeforstet und von Gräben und Pfaden durchzogen. Vom Hauptweg zweigt ein passender Querpfad ab, und von dem führt ein auf den Karten nicht eingezeichneter schmalerer Weg nach Norden. Hier kette ich mein Rad an einen Baum und sehe ein paar Meter vor mir eine Schnur herunterhängen. Was hängt dran? Fallschirm und Ballonrest.
Wo ist die Sonde? Ich gehe in Flugrichtung und sehe sie
nach einiger Suche am Baum hängen. Entlastung der Schnur auf der
Fallschirmseite hat keinen Effekt, also nehme ich Maß mit der 10m
Teleskopstange. Sie ist um ca. 1.5 Meter zu kurz. Zudem bin ich von
einer Wolke blutrünstiger Mücken umgeben und habe leider kein Autan
dabei. Dies ist eben ein ehemaliges Moor mit vielen Torfstichtümpeln.
Im weiten Umkreis liegen überall abgestorbene Lärchenzweige herum. Die sind superleicht, und da ich prima exakt unter der Sonde stehen kann, versuche ich, mit etwas Isolierband einen solchen an der Spitze der Stange anzubringen
Der erste Zweig reicht, um den Boden der Sonde anzutippen. Also wird er gegen einen längeren, dieses mal das Modell mit ausladenden Seitenzweigen, ausgetaucht. Die könnten als Hakenersatz taugen. Und tatsächlich gelingt es, im 4. Versuch die Schnur zu fassen und Stück für Stück nach unten zu ziehen
Das Einpacken der Sachen und das Verschwinden von der Landestelle kann wegen der Mückenwolke nicht schnell genug gehen. Auf dem Hauptweg sind weniger Mücken, und ich möchte noch ein paar Fotos für die Whatsappgruppe posten und auf Radiosondy das Ding als geborgen melden. Jetzt aber greifen die großen Bremsen an, so muss ich das abbrechen. Der Fahrtwind bläst die Viecher weg, aber bei jedem Anhalten beginnt das Spiel von Neuem: Je nach Umgebung Bremsen, Mückenwolken oder beides.
Weiter geht es über Sittensen nach Groß-Meckelsen. Hier hängt dicht an der Oste eine DFM17 aus Pinneberg 20m hoch in einem Baum. Alex hatte D20039190 nach dem Flug lokalisiert. Da es kein große Umweg ist, schaue ich kurz vorbei. Unter dem Baum liegt keine Sonde, und oben kann ich nichts sehen. Als ich ein paar Meter auf das im Ostetal liegende Maisfeld trete, kann ich eine straff gespannte Schnur im Wipfel erkennen. Die Sonde selbst sehe ich nicht. Der Sache weiter nachzugehen, hat keinen Zweck. Die komplizierte Sondenbergung im Tister Moor hat viel Zeit verschlungen, und bis Brest-Aspe ist es noch weit. Am Abend danach entdecke ich auf Radiosondy, dass die Sonde schon am Tag nach dem Flug von Layork mit einer 20m-Stange geborgen wurde. Diesen Umweg hätte ich mir schenken können.
In Kuhmühlen sitzen die Leute vor einem sehr hübschen Restaurant an einem kleinen See. Für eine kleine Pause dort ist aber auch keine Zeit. Weiter gehts. Nördlich von Marschhorst liegt die nächste Bergener Sonde.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: S3210767
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 23.6.2021 06:00Z
Track Wettersonde.net und Radiosondy
Maximale Höhe: 36553m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.99 m/s
Landegeschwindigkeit: 7.4 m/s
Landestelle: Groß-Ippensen, LAT, LON: 53.330856,9.444224, Google Maps
Status: Stangenbergung, 26.6.2021, 17:53UT
Methode: Extrapolation aus Radiosondy-Daten
Die Landestelle liegt direkt am Waldrand. Ein Feldweg führt in die korrekte Richtung, und dann muss ich zwischen zwei Feldern auf einer sehr breiten Treckerspur auf den Wald zulaufen. Und da hängt, von Weitem sichtbar, hoch im Baum ein Ballonrest und der rote Schirm.
Zur eigentlichen Landestelle geht es über eine Wiese. Die Sonde hängt allerdings im Knick, und zwischen Wiese und Knick befindet sich ein breiter Graben.
Hier hilft wieder die Stange. An den Schirm komm ich allerdings mit meinen Mitteln nicht heran. Die Schnur ist weiter oben verhakt und lässt sich nicht aushaken, Schnurzug endet mit Schnurriss.
Zurück am Rad kann ich wieder nichts posten. Nach einem Schauer sind Mückenwolken und einige Bremsen unterwegs. Also schnell zusammenpacken und fluchtartig weiterfahren.
Das wird auch Zeit, will ich den letzten Zug nach Hause noch erreichen und etwas Zeit bei der dritten Sonde zur Verfügung haben. Hinter Klein-Wohnste geht es direkt an einem alten Baumlander vorbei. Dessen Landestelle hatte Rainer identifiziert, sie liegt nur 30m von der Straße entfernt im Wald. Irgendwann sah man ihn nicht mehr im Baum, und unten lag er auch nicht. Ich hatte die Stelle vor einem Jahr schon einmal erfolglos gecheckt und die Bäume mit dem Fernglas inspiziert. Heute reicht die Zeit nur für eine kurze Überprüfung, ob sie damals nicht doch unbemerkt oben hing und inzwischen heruntergefallen ist. Nach zwei Minuten sitze ich wieder auf dem Rad. 500m weiter starte ich die dritte und letzte Sondenjagd. Ich schließe das Rad an ein Verkehrsschild an der Kreuzung an und orientiere mich.
Sondentyp: RS41-SGP
SN:
S3210759
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 23.6.2021 12:00Z
Track Wettersonde.net und Radiosondy
Maximale Höhe: 33270m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.25m/s
Landegeschwindigkeit: 6.7 m/s
Landestelle: Bockhorst, LAT, LON: 53.353256,9.579760, Google Maps
Status: Geborgen auf Maisfeld, 26.6.2021, 19:40UT
Methode: Extrapolation aus Radiosondy-Daten
Ein Feldrand bietet einen bequemen Zugang zur 500m entfernten Landestelle. Wenn sie wieder auf ein paar Meter genau sein sollte, ist die Sonde auf meiner Seite des Grabens herunter gekommen, wenn nicht, habe ich mir im Vorwege einen Übergang ausgeguckt. Tatsächlich liegt die Sonde präzise auf der extrapolierten Position zwischen den noch kleinen Maispflanzen.
Schirm und Ballonrest befinden sich auf der anderen Seite des Grabens, aber hier hilft ein beherzter Schnurzug.
Der Beipackzettel fehlt dieses Mal. Obwohl es einen von Gänsen bevölkerten Tümpel gibt, sind hier wenig Mücken, und den Bremsen ist es offenbar zu kühl.
Zurück am Fahrrad packe ich meine Sachen ein. Ein Velomobil kommt um die Ecke, der Fahrer stoppt und fragt nach, ob ich Probleme hätte. Er erzählt, dass er bei einem Velomobiltreffen war und jetzt in Richtung Heimat unterwegs sei.
In Sauensiek hätte man mit mehr Zeit noch einen Baumlander checken können. Drei Sonden - ein kompletter Bergen-Hattrick übrigens - sind ja auch genug. Da sage einer, dass es keine Kaltsonden mehr gibt. 25 Minuten vor Abfahrt des Zuges entspanne ich mich auf dem Bahnhof von Apensen. In Buxtehude geht es in den Regionalzug nach Hamburg, der aber baustellenbedingt in Harburg endet. Am Hauptbahnhof stelle ich fest, dass ein direkter Zug nach Ahrensburg fährt, und von da aus bin ich nach einer kurzen Radfahrt gegen 1 Uhr wieder in Schmalenbeck
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
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