Samstag, 7. Januar 2023

Ein Hinweis über Whatsapp

Am 6.1. landet die Nachtsonde aus Norderney südlich von Schwarzenbek. Der Flug ist ungewöhnlich. Erst platzt der Ballon schon in 23km Höhe über Bederkesa, und dann erwischt sie einen Super-Fallschirm und fetzige Höhenwinde. Und so segelt sie weit über Hamburg hinaus und geht am Waldrand bei Gülzow nieder. Die Tawhiri-Prediction hat sie auf der Wiese vor dem Wald, aber daran mag ich nicht glauben. Ich würde erst frühestens nach Dunkelwerden dort aufschlagen können. Eigenartigerweise fahren auch die üblichen Verdächtigen nicht los. 


Mein Faltrad hat eine neue Kette und neue Ritzel bekommen und kann wieder benutzt werden. Die Probefahrt nach der Reparatur um den Block reicht mir nicht.  Am Samstag Morgen würde ich gerne losfahren. Nach Hammah - wo eine weitere Norderneysonde heruntergekommen ist. Aber irgendwie dauert der Aufbruch länger als gedacht. Eine Stunde warten bis zur nächsten HVV-Verbindung? Das ist nicht so spannend. Aber nach Schwarzenbek kommt man schneller, warum also nicht umdisponieren auf die Sonde vom Vortag? 

In Schwarzenbek regnet es unerwartet. Ein Blick auf das Regenradar zeigt aber, dass das Regengebiet nur klein ist und gleich weg sein dürfte. Also warte ich 5 Minuten und radel los. Die erste Strecke geht über die B209, dann über Feld- und Waldwege zur Landestelle.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
U1460240
Frequenz:
404.1 MHz

Timerkill:
keiner

Startstation:
Norderney (WMOID:10113)

Flugdatum:
6.1.2023 00:00Z

Track
wettersonde

Maximale Höhe:
23101 m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.51 m/s

Landegeschwindigkeit:
2.7 m/s

Landestelle:
Gülzow  LAT, LON:
53.45927,10.50727, Google Maps
Status:
  Lokalisiert am 7.1.2023: Baumlander, direkt über dem Nordrand des Fahrweges, von unten sichtbar, 30m hoch in Birke
.
Fallschirm 17m, Ballonrest 20m.
Geborgen am 19.2.2023, 9:13UT.
Methode: Aufwändige Suche nach Extrapolations-Vorhersage. Lag am 19.2. am Boden

Mir ist vorher klar, dass die Tawhiri-Prediction nicht stimmen kann. Mehr als einen flüchtige Blick auf den Acker zur Bestätigung braucht es nicht. Ich habe gehofft, dass man den Fallschirm sosort erspäht, denn von dem Fahrweg kann es nicht weit weg sein. Auf den ersten Blick ist da nichts zu sehen. Sehr hohe Buchen und unübersichtliche Fichten machen es nicht einfacher. Ich verfolge die Flugrichtung der Extrapolation. Durchstreife den Wald - nichts. Nach mehr als einer Stunde gehe ich noch mal auf den Acker. Inspiziere die hohen Bäume mit dem Fernglas - nichs. Aber was ist das? Ein Ballonrest, keine Frage. Aus einem anderen Blickwinkel ist auch der Fallschirm erkennbar. Uff! 
 



Die Höhe des Ballonrest ist sicher 20 Meter, die des Schirms vielleicht 16-17m.



Die Suche nach der Sonde gestaltet sich als schwierig. Irgendwann sehe ich sie ganz oben an einer Buche im dünnen Geäst hängen. Vielleicht zieht der Wind sie einmal heraus, dann könnte sie rasch herunterpendeln.



Wenn sie dereinst herunterfällt, kann sie leider auf dem Fahrweg landen und verloren gehen. Die Laguna-Stange ist, auch wenn ich mich lang mache, deutlich zu kurz, um den Schirm zu fassen und nachzuhelfen. Hier kann ich nur aufgeben. Immerhin ist sie lokalisiert. Ich poste die traurige Meldung auf unserer Whatsappgruppe.
Nachtrag am 19.2.2023: Sonde geborgen!

Axel (DB7XO) antwortet sofort: "Moin Hartwig, das ist ja schade,   ich habe gerade gesehen dass in der Nähe eine Bergener Sonde von 2022-11-28 als unbekannt eingetragen ist. Mit dem Klappfix ca. 12 Strampel-km. T3010175 bei Zweedorf bei Dalldorf über den Kanal.
Grüße Axel
"

Hinweisen aus der Bevölkerung sollte man immer nachgehen! Die Sonde habe ich überhaupt nicht auf dem Schirm, und immerhin ist es ja schon mehr als ein Monat her.
 
Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
T3010175
Frequenz:
405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation:
Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 28.11.2022 00:00Z
Track wettersonde.net
Maximale Höhe:
24753m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.01 m/s 
Landegeschwindigkeit: 11.1 m/s
Landestelle: Medingen
,
LAT, LON: 
53.42733,10.622077  Google Maps
Status:
Geborgen am 7.1.2023, 12:05 UT
Methode: Extrapolation nach Wettersonde.net-Daten. 

 
Macht das Sinn? Eine kurze Untersuchung mit Wettersonde.net und Radiosondy zeigt, dass das Gebiet ziemlich wenig bewirtschaftet aussieht - Wiesen, Büsche, Gräben. Wegen der hohen Landegeschwindigkeit und geringen Endhöhe sollte die Tawhiri-Prediction sehr gut stimmen. Die Route ist mir vertraut - also kann man die Radtour ein wenig ausdehnen. Es geht zunächst zurück zur Hauptstraße, dann aber Richtung Schulendorf. Hier brennt es! Rauchschwaden nebeln das ganze Dorf ein. Die Feuerwehr ist auch schon da. Erklärung: Das Verbrennen der Weihnachtsbäume ist Big Party im Dorf.

Ab Witzeetze geht es weiter auf dem wunderbaren Serviceweg des Elbe Lübeck-Kanals, der direkt zu der von Axel erwähnten und mir gut bekannten Kanalbrücke bei Dalldorf führt. Gleich hinter der Stecknitzbrücke soll ein Weg abzweigen. Zwischen zwei Gräben soll er in die unmittelbare Nähe der Tawhiri-Prediction führen. Einen Weg kann man das aber kaum nennen, eher eine gemähte, unebene und recht nasse Wiese, auf der sich eine nur erahnbare Treckerspur verliert. So sie besser sichtbar ist, steht darin Wasser. Mit dem Rad werde ich hier nichts, das wird an ein Verkehrrschild angeschlossen. Ich stapfe los - ein feucht-fröhliches Vergnügen.

An der Tawhiri-Prediction liegt weiträumig nichts. Da ist ein Latexrest im Busch? Nein, ein Wollfetzen - offenbar wurden auf dem Gelände im Sommer Schafe gehalten. 
Anders als normalerweise muss ich mich noch einmal mit der Landesituation vertraut machen. Die letzte Position ist exakt über dem Graben östlich von mir. Auf meiner mit Büschen durchwachsenen Fläche zwischen den Gräben liegt nichts. Vielleicht hat sie es doch über den westlichen Graben geschafft. Ich suche mir eine Stelle ohne Büsche und Gras,  wo man die fragiche Region einsehen kann. Nichts. Ich greife zum Fernglas. Und da schwimmt in einer großen Wasserlache, 50m weit entfernt, etwas Verdächtiges. Nach einem weiteren Blick durch das Fernglas rede ich mir ein, dass das weiße Dingens Ähnlichkeiten mit einer RS41 haben könnte. Erstaunlich - ich hätte nicht gedacht, dass sie so weit geflogen ist.

Da es wirklich feucht ist, sind die Gräben breit, tief und voller Wasser. Rüber kommt man da nicht. Ich poste mal ein Lebenszeichen:

"Bin auf der falschen Seite des Nils. Glaub ich habe sie drüben im Fernglas gesehen."

Also: Alles einpacken und die 750m zurück. An der Straße habe ich auf dem Hinweg einen Übergang auf die andere Seite des "Nils" gesehen. Auf dieser Seite ist zwar kein Weg eingezeichnet, aber es gibt hier eine deutlichere Treckerspur. Dafür ist es noch feuchter. Nach weiteren 750m bin ich wieder dort, bloß auf dem richtigen Ufer. Und der weiße Fleck ist tatsächlich eine RS41.







Weiter Richtung Stecknitz liegt ein Fremdkörper herum. Bestimmt der Fallschirm. Die Theorie erhärtet sich durch Inspektion vor Ort. Offenbar bin ich aber zu spät, um ein Drama zu verhindern. Die Schnur ist zerrissen - da hat sich wohl ein Tier durch Zerfetzen der Schnur befreit. Hoffentlich ist es glimpflich ausgegangen.








Nach dem vierten 750-Meter-Trip durch den Sumpf bin ich wieder am Fahrrad. Auf der Stecknitzbrücke bemerke ich im Augenwinkel, dass da ein biberartiges Wesen in Wasser steigt. Ziemlich fett das Vieh - ist das tatsächlich ein Biber? Es schwimmt relativ schnell aus der Sichtweite, bevor ich das Fernglas herauskramen kann. Ich warte 20 Minuten auf der Brücke. Da ist es wieder, und da ist ein zweites Tier. Und ein drittes! Sie grasen nach Meerschweinchenart auf der Uferwiese. Nein, das sind keine Biber. Zwar wohlgenährt, aber doch zu klein. Und der Blick auf den Schwanz der Tiere zerstreut alle Zweifel. Nutrias. Allerdings die fettesten Exemplare, die ich je gesehen habe.

In der Gegend kenn ich noch einen weiteren Baumlander, der kontrolliert werden könnte. Allerdings habe ich die Koordinaten seit einem Handy-Crash nicht mehr zur Hand, und außerdem wird es langsam dunkel. Ich radel auf dem schönen Serviceweg des Elbe-Lübeck-Kanals nach Büchen. Es war ein schöner Tag. Dank noch mal an Axel für den Hinweis zu der alten Bergen-Sonde - you made my day!''

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier