Sonntag, 4. Oktober 2020

Atypisches Beuteschema bei der Apfelernte

Am Sonntag, den 4.10. kam es zu einem unglaublichen Run auf die einschwebenden Bergen-Sonden. Kaum aufgewacht - draußen dämmerte es zaghaft - fand ich schon auf Whatsapp Fundberichte von zwei Sonden vor - mit Bildern. Das schöne Herbstwetter lockte offenbar. Und im Laufe des Tages ging es Schlag auf Schlag in diesem Stil weiter.

Ich hatte einen anderen Plan, als mich an einer SBZ (Spontanen Bergen Zusammenrottung) zu beteiligen, zumal die Sonden auch außerhalb meines normalen Aktionsradius landeten. Am 1./2.10. waren im Südwesten drei Sonden gelandet. Die 12Z-Sonde vom 1.10.2020 (R2330927) hatte ich in Neugraben im Wald sendend angetroffen und geborgen. R2330928 war die 18Z-Sonde; sie landete laut Prediction südöstlich von Buxtehude direkt an einem typischen Wanderweg.  R2330929, die Nachtsonde vom 1/2.10. landete im Apfelanbaugebiet "Altes Land" bei Jork. Da die Apfelernte in vollem Gang war, würde die da wohl nicht lange liegen bleiben. Ich konnte die Sonden in der Woche nicht suchen. Am Samstag, den 3.10.. hoffte ich auf eine Landung in nächster Nähe. Die fand dann auch statt, in Moorfleet auf dem Gelände einer insolventen Teerfabrik. Das Gelände war komplett abgesperrt, mit NATO-Draht und Bretterverschlag. Drinnen war alles meterhoch und dicht mit Brombeeren bewachsen. Die Nachbarn erzählten mir, dass hier seit 8 Jahren kein Besitzer mehr gesehen wurde.  Ärgerlich: Die Schnur habe ich im Fernglas gesichtet, und die Sonde sendete in 70m Entfernung.

Ob man am Sonntag noch eine der Sonden vom 1.10. finden würde. Mein Optimismus war gering, auf der anderen Seite winkte im Bestfall die Komplettierung eines "Bergen-Hattricks".  Auch schrie das phantastische Herbstwetter geradzu nach einer netten Radtour, und das "Alte Land" ist ein schönes Ziel. Also ging es mit S-Bahn und Regionalzug nach Buxtehude, wo die Sonden mit dem Sensorarm senden, oder wie war das noch gleich? Anyway, ick bün all hier! Faltrad ausklappen und los.  

Sondentyp: RS41-SGP
SN: R2330928
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 01.10.2020 18Z
Timerkill: 5:00h
Track  Bremen und Radiosondy
Landestelle Buxtehude, LAT LON: 53.466909,9.733207  Google Maps
Status: geborgen am 04.10.2020, 10:19UT
Methode: Tawhiri-Prediction auf Basis von Radiosondy.Info-Daten

Ich fädel mich aus der Stadt heraus. Marschland. Viele Spaziergänger. Viele Radfahrer. Wenn die Prediction wirklich stimmt, ist die Sonde weg. Ich komm an. Ich sehe mich um. Die Prediction stimmt perfekt, denn da ist die Schnur. Die Sonde liegt direkt am Wegrand seit 3 Tagen unberührt im Gras. Unfassbar.



 


 

 

Ein Paar wandert vorbei, während ich mit der Sonde hantiere und guckt fragend. Erklärbär follows. Sehr interessierte Rückfragen! Sie kommen glatt mit zur Suche nach dem Fallschirm. Und stellen weitere Fragen. Irgendwie kommt es zu einem Gespräch über Amateurastromie. "Das wird jetzt länger", meint er. Er hat sich soeben ein 15cm Newton-Teleskop gekauft. Ich erzähle ihm vom GvA-Anfängerworkshop. Er will wohl hinkommen....

Weiter geht es. Durch Buxtehude ins Alte Land. Man muss strategisch richtig abbiegen, sonst ist man irreversibel auf der falschen Seite der Este. Die Straße schlängelt sich an der Este entlang. Ich bin nicht der einzige, der die Idee einer Radtour durchs Alte Land hat. Hordenweise sind die Leute unterwegs, oft in Pulks. Mit dem Rad kommt man aber besser voran als die motorisierten Zeitgenossen. Apfelerntezeit im Alten Land. 

Sondentyp: RS41-SGP
SN: R2330929
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 02.10.2020 00:00UT
Timerkill: 5:00h
Track  Bremen und Radiosondy
Landestelle Buxtehude, LAT LON: 53.5168155,9.6989987  Google Maps
Status: geborgen am 04.10.2020, 11:54 UT
Methode: Tawhiri-Prediction auf Basis von Radiosondy.Info-Daten

 

Ich biege hinter Estebrügge Richtung Jork ab. Ob man an die Sonde rankommt? Zwar zeigt Google-Maps einen Feldweg einen Kilometer weit durch die Apfelplantage laufen, direkt auf die fragliche Stelle zu. Ob man den benutzen kann?  Oft sind die Plantagen nämlich abgezäunt, und man muss fragen. Vor Ort ist alles recht einfach: Die Apfelplantage ist VOLL mit Leuten. Grund: Selbstpflücken ist der neue Trend. Man holt sich Körbe und geht in die Apfelplantage. Auf dem Rückweg wird gewogen und bezahlt. Der junge Mann am Eingang hält mich für gaga, aber harmlos und lässt mich einfach machen. 800-900m radel ich den betonierten Weg herunter, dann bin ich direkt bei der Prediction. So weit weg vom Eingang ist außer mir keiner. Also links in die akkurat gepflegte Plantage und mit offenen Augen die Gegend inspiziert. An der Prediction ist nichts. Wahrscheinlich wird das Gelände in der Erntezeit zu gründlich abgesucht, denn außer den Selbstpflückern sind unter der Woche bestimmt jede Menge Erntearbeiter unterwegs. Da ist drei Tage nach dem Flug nichts mehr zu holen. Nach einiger Suche bin ich geneigt aufzugeben.

 
Ich inspiziere abschließend ein paar der Baumzeilen. Da ist sie doch, die weiße Box! Hin! Nein. Das ist nur ein Schopf-Tintling, ein trotz seines Aussehens schmackhafter Pilz (sofern man ihn rechtzeitig erntet und keinen Alkohol trinkt).


 

 

 Plastikfähnchen und andere Pseudofallschirme gibt es hier reichlich. Also Fernglas raus, um solche Sachen gleich zu erkennen. Schnüre sind auch in großer Zahl vorhanden, meistens aber von der dickeren Sorte, daneben eher Drähte und Gestelle zum Abspannen der Bäume. Aber die Schnur da 100m südlich, die ist etwas dünner. Ich gehe ungläubig in die Richtung. Da ist auch ein weißes Objekt, wo die Schnur endet. Die Schnur wirkt immer überzeugender, je näher man kommt. Aber das weiße Objekt ist ein - weiterer Schopf-Tintling. 

Aber etwas weiter daneben liegt noch was Weißes... eine RS41...



Bergen-Hattrick komplett. Yeah. Damit habe ich nicht wirklich gerechnet. Die Schnur hat sich mehrfach total in den recht hohen Drahtgestellen verfangen. Ich finde etwas weiter den Fallschirm und den Ballonrest.



Die Schnur kann ich aber nicht ganz freikriegen, etwas davon verbleibt in den Drahtgestellen. 

Ich radel zurück, und jetzt strömt eine Selbstpflücker-Horde auch in Richtung Sonde. Dass mein Beuteschema von dem eines Apfelpflückers stark abweicht, ist offenbar mein Glück. Bei dem Typ an er Waage checke ich noch kurz aus und zeige ihm die Sonde, und ab geht es.

Der Tag ist noch nicht so alt, und irgendwie würde ich noch ein wenig radeln. Es geht die Este weiter Richtung Elbe bis Cranz. Dort über das Estesperrwerk nach Finkenwerder. 


Dort geht es auf die Elfbfähre. Die Fähre ist rappelvoll mit Rädern. Der Typ, der da offenbar nach dem Rechten sieht, trägt die Maske unterm Kinn, findet mein Faltrad aber "gefährlich" und will nicht, dass ich es am Mann behalte. Das ist neu. Ich bin aber nicht sicher, ob er da überhaupt eine offizielle Funktion ausübt.  In Teufelsbrück nun noch den steilen Elbhang hoch, und ich bin daheim. Die Bergener Sonde, die unweit meiner Heimat am Beimoorwald niedergeht, muss warten. Meine entschleunigte Methode der Sondenjagd kennt kein Gaspedal.

 


Bei genauerer Inspektion fällt eine Merkwürdigkeit bei den Begleitzetteln auf. Die Startzeiten stimmen, aber die Nummer R2330928 gibt es zweimal.





Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier

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