Am Sonntag plane ich mal wieder eine Kaltsonden-Suchtour. Startpunkt ist die Station Dahlenburg der Wendlandbahn. Primäres Ziel ist eine Bergener Radiosonde aus der Vorwoche. In der Gegend liegen einige weitere interessante Kaltsonden herum, die man auf dem Weg mitnehmen könnte. Aus Zeitgründen fliegt P0450165 von der Liste, eine Sonde von 2019, deren Prediction an einem Waldrand liegt.
An der Station Dahlenburg wird gegen 9 Uhr das Rad entfaltet. Sie liegt, wie üblich bei der Wendlandbahn, über 3 km von der namensgebenden Ortschaft entfernt. Direkt an der Bahnstation befinden sich Industriehallen und Einzelhäuser und viel Brache mit Bäumen und Gesträuch. In diesem Gebiet ist am 18.5.2021 eine Bergener Manöver-DFM heruntergekommen. Es ist schon etwas her, und die Prediction ist nicht wirklich genau. Vielleicht hängt sie ja noch irgendwo in einem der Bäume. Ich halte mich nicht lange mit der Suche nach diesem ersten Eintrag auf der Liste auf und fahre durch Dahlenburg nach Dahlem. Hier hängt im Wald die Bergener Morgensonde vom 22.5.2021.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: S3131474
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 22.05.2021 06:00Z
Track Radiosondy
Maximale Höhe: 35087m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 4.74 m/s
Landegeschwindigkeit: 8.3 m/s
Landestelle: Marienau bei Dahlenburg, LAT, LON: 53.21025,10.73198, Google Maps
Status: geborgen 11.7.2021, 9:58UT
Methode: Tipp von Arne😉
Arne hatte damals die Sonde hoch im Baum lokalisiert, hatte aber Probleme, die Koordinaten zu ermitteln. Er hatte einen Google-Maps-Screenshot gepostet. Ich habe daraus die ungefähre Position in Locus markiert, muss aber damit rechnen, dass ich den Screenshot falsch interpretiert habe. Die Sonde soll unweit des Randes einer Lichtung sein und wird sicher noch oben hängen. Ich will heute, wo ich sowieso in der Gegend bin, nur kurz vorbeigucken und eine Position ermitteln. Meine 10m-Stange dürfte nach Arnes Beschreibung zu kurz sein.
Über der Lichtung haben Weihen und Kolkraben Spaß mit der Thermik. Unweit der vermuteten Position finde ich nach einiger Suche den Fallschirm etwa 18m hoch im Baum hängen.
Ich verfolge die Schnur über einige Bäume und bin erstaunt, dass sie zerrissen ist. Ich laufe gegen die Flugrichtung, versuche mit dem Fernglas irgendwo die Sonde oder zumindest die Fortsetzung der Schnur zu entdecken - nichts. Bei der Rückkehr zum Fallschirm sehe ich plötzlich die Sonde vor mir am Boden liegen - etwas versteckt in einer kleinen Vertiefung.
An der Sonde hängt viel Schnur. Mit der Stange kann ich das von einem Baum hängende Schnurstück ergreifen und noch mehr Schnur bergen. Leider bekomme ich den Schirm nicht aus dem Baum gezogen.
Die Suche und die Schirmbergungsversuche haben 2 Stunden Zeit verschlungen. Inzwischen ist es richtig schwül-heiß geworden, was das Vorankommen im hügeligen Wendland etwas anstrengend werden lässt. Hinter Harmstorf wird der Feldweg immer sandiger. Ich muss schieben und kette das Rad am Ende an einem Jagdstand am Waldrand an. Im Wald, auf dem Weg zur nächsten Sonde, ist es angenehm schattig.
Sondentyp: RS41-SGP
SN: S3120427
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill: 5 Stunden
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 06.07.2021 00:00Z
Track Radiosondy
Maximale Höhe: 33936m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit: 5.05 m/s
Landegeschwindigkeit: 13.4 m/s
Landestelle: Tostergope bei Dahlenburg, LAT, LON: 53.22250,10.78840, Google Maps
Status: geborgen 11.7.2021, 12:02 UT, Stangenbergung
Methode:Tawhiri-Prediction aus Radiosondy-Daten
Ein auf den Karten nicht verzeichneter guter Weg führt exakt auf die Landestelle zu. Allerdings wird das Vorankommen extrem verlangsamt:
Hier hat man keine Wahl: Die Blaubeeren sind zuckersüß. Dies ist eine Landestelle, zu der man sich buchstäblich durchfressen muss. Und das DAUERT....
Exakt auf der Prediction wird der Spruch "Früher war mehr Lametta" bei hochsommerlichen Temperaturen eindeutig widerlegt.
Die straff gespannte Schnur geht über zwei hohe Bäume und weist den Weg zur Sonde, die in 6-7m Höhe in guter Reichweite für die 10m Stange hängt.
Vielleicht reicht es schon, mit der Schneidhilfe an der Stange die Schnur auf der Fallschirmseite zu kappen? In jedem Fall dürfte man dann Sonde und Schirm leichter zu Boden bekommen, weil die Last des riesigen Ballonrests nicht mehr dranhängt.
Der Schnitt mit der sehr scharfen Rasierkinge lässt die Schnur nach oben schnellen, aber drüben hört man kein Rascheln. Tatsächlich ist wohl etwas zu viel Reibung in dem System, denn ein paar große Bündel Latex stoppen die Schnur. Dennoch lässt sich die Sonde bequem mit der Schnur-Haken-Technik zu Boden bringen.
Jetzt noch rasch das Latex-Lametta aus dem andereren Baum entfernt....
...erst dann ist der Sondenjäger wirklich zufrieden.
Irgendwie sind die Ballonreste aus Bergen momentan alle riesengroß.
Die Rückkehr zum Fahrrad DAUERT natürlich....
Vor Ort checke ich die alte Landestelle im Buchenwald ab, aber außer einer eindrucksvollen Steinsetzung gibt es da nicht viel zu finden.
Immerhin ist es 4 Jahre her, und die längst vom Baum gefallene Sonde dürfte in dicken Laubschichten einsedimentiert sein. Da braucht man viel Glück. Bis zur Abfahrt des Busses ist ja noch viel Zeit. Aber irgendwann gebe ich auf. Einfach jetzt die 3km nach Walmsburg radeln und dann in Ruhe auf den Bus warten.
Tiefenentspannt nach einem schönen Tag? Dagegen hilft zuverlässig ein genauerer Blick auf die HVV-App:
Laut der HVV-Webseite soll da ein ganz normaler Stadtbus fahren. Rasch mal die Nummer anrufen: "Bis dahin ist ja nicht mal mehr eine Stunde. Da müssen Sie andermal mindestens 2 Stunden vorher anrufen; ich kann nix für Sie tun". Na prima. Bisher bin ich noch nie gestrandet, so fühlt sich das also an. Und das ausgerechnet in den Weiten des Wendlands.
Ruhig Blut. Denken, überlegen, handeln. Was für Optionen gibt es noch? Plan B: In Bleckede fährt der Bus um 18:47. Laut Locus sind das 12km. Sonst Plan C: 35km nach Lüneburg, dort fahren auch noch spät nachts Züge nach Hamburg. Würde zwar meine Kilometerzahl verdoppeln, aber egal. Bleckede müsste, wenn man jetzt beherzt losfährt, noch machbar sein. Zumal es im Elbtal liegt, und es daher über weite Strecken bergab geht. Wenn man es nicht schafft, sollte man aber gleich nach Lüneburg fahren, alles andere ist ein Umweg, und außerdem müsste man dann den Elbhang bergauf strampeln. Ich checke die Rechnung nochmal: Ja, Bleckede wird gehen. Also mit Brouter eine Route planen und sich mit Locus führen lassen. Bummeln darf ich aber nicht. Es geht tatsächlich meistens bergab, und bei jeder Abfahrt kann man sich für den Gegenanstieg gut Schwung holen. An so einer Steigung müht sich ein Pärchen ab, das gerade die frisch erstandenen Discounter-Ebikes ausführt. Aus den Naben-Motoren erschallen ungesunde heulende Geräusche. Die sind total perplex, als sie plötzlich von einem hektischen Typen auf so einem komischen unmotorisierten Klapprad überholt werden. Fazit: Augen auf beim Ebike-Kauf.
In Göddingen führt mich Brouter/Locus sogar noch auf einen guten Abkürzungs-Feldweg. Rechts und links fliegen schon wieder diese gelben Vögel auf. Die hatte ich schon vorhin gesehen. Es sind Schafstelzen. Bleckede erreiche ich mit großer Zeitreserve, ich kann auf der Bank vor dem Rathaus ein wenig entspannen, mein letztes Wasser trinken und gut. Der Bus bringt mich nach Lüneburg, wo ich auch direkt Anschluss nach Hamburg habe.
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier
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