Mittwoch, 5. März 2025

Ein Besuch in Pinneberg

Am 22.10.2024 landete die 3. Sonde aus Meppen an einem ungewöhnlichen Platz: Exakt AUF dem Sondenstartplatz Pinneberg! Andreas alias DL1LAJ fuhr dort vorbei, klingelte am Tor und wurde reingelassen. Man hatte die Landung noch gar nicht bemerkt. Eine Mitarbeiterin konnte kaum fassen, dass sie direkte Luftpost von einem anderen Startplatz bekommen hatte. Sie zog sich Gummistiefel an und konnte sogar auch den Fallschirm holen. Man kam ins Gespräch, und über verschiedene Kanäle wurde ein Besichtigungstermin vereinbart. Am 4.3.2025 war es dann soweit.

Es gab Kaffee zur Begrüßung und dann eine extrem informative Führung durch eine Mitarbeiterin und 3 Mitarbeiter. Die Leute waren supernett und wussten viele Details zu ihrem spannenden Job zu berichten. Pinneberg übernimmt einen großen Teil des Seefunks der Bundesrepublik, insbesondere der Verbreitung von Wetterinformationen für Seeschiffe. Natürlich muss man dazu ausreichend Sendeleistung zur Verfügung haben. Antennenkabel sind dann etwas dicker als gewohnt, der Stromverbrauch ist beträchtlich und die Sender werden entweder durch Luft- oder durch Wasserkühlung auf Temperatur gehalten. Vor allem für die Funkamateur-Fraktion war der Besuch natürlich von großem Interesse - denn das Equipment ist doch etwas heftiger als was man zu Hause stehen hat. 





Die Leitungsquerschnitte der Kabel sind auch etwas größer:


Unsere Gastgeber hatten sich für unsere Gruppe einen besonderen Höhepunkt ausgedacht: Start eines Wetterballons! Was für ein Fest für uns Sondensucher! Unsere AFU-Fraktion war auch hier vorbereitet - zwei umprogrammierte RS41 durften mitfliegen. 

Der Mitarbeiter war natürlich eine wunderbare Quelle für alle Fragen, die wir zum Thema Radiosonden auf Lager hatten. Er hatte ganz am Beginn seiner Tätigkeit bereits mit Radiosonden zu tun gehabt. Damals war die RS92 eine NEUE Radiosonde. Dann hatte er andere Aufgaben beim Dienst. Als er dann in Pinneberg anfing, holte ihn die Vergangenheit ein. Ihm wurde das Gebiet der Seeschifffahrts-Radiosonden übertragen. 

Wichtig für einen Start auf See ist, dass der technische und zeitliche Aufwand in Grenzen hält.   Die Leute fahren ja nicht zu Forschungszwecken zur See, sondern sind Besatzungsmitglieder eines Handelsschiffs. Ergo muss die Sonde schnell startklar gemacht werden können. 

In Pinneberg ist dazu Equipment vorhanden, welches exakt genauso auf See verwendet wird. Grund für die Starts sind meistens Fehlermeldungen von den Besatzungen. Wenn z.B. eine Sonde, Software oder Gerätschaften von der Besatzung als defekt eingestuft werden, wird das in Pinneberg untersucht, eventuell sogar inclusive Testflug. 

Allein schon der Container, in dem die Sonden vorbereitet werden und in dem sich die Vorräte befinden, lässt das Sondenjägerherz höher schlagen: 




Wieder was gelernt: Vaisala hat die Vertriebsrechte für Totex-Ballons für Europa

Viel Zeit bleibt nicht, die Blicke schweifen zu lassen. Denn das Startfenster naht, und es wird höchste Zeit, die Sonden in die Luft zu bringen. Das war natürlich superspannend für uns. Denn wir kennen die Sache ja vorzugsweise vom anderen Ende der Flugbahn. 

Sondentyp: DFM17
SN:
22050372
Frequenz:
404.41 MHz
Timerkill: keiner
Startstation:
Pinneberg (WMOID:-)
Produktionsdatum: 17.10.2022
Flugdatum: 4.3.2025 12:00Z
Track wettersonde.net und Tower sowie APRS von Bernds RS41
Maximale Höhe: 25818m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit:
3.67 m/s 
Landegeschwindigkeit: 3.01 m/s
Landestelle: Sandau/Elbe, LAT, LON: 
52.79115,12.07999, Google Maps
Status: Geborgen am  4.3.2024, kurz nach Landung, von
Ronald Otto alias PCC
Methode: -

 

- DFM17 initialisieren


- Raus an die frische Luft, Ballon mit Helium befüllen:


     

-Abroller und Sonde befestigen - dazu bitte den wunderschönen Totex-Schirm sowie den Befestigungskit für die Pinneberg-typischen Kabelbinder parat haben :-)

 



 




-Geeigneten Startplatz aufsuchen - ohne Bäume und ohne Sendemasten in Flugrichtung. Schnell noch die AFU-Sonden zusätzlich dranknoten, und los geht's.

 




 
 
Nach dem Trubel des Starts gab es eine Zeit, dem Radiosonden-Operator des DWD Pinneberg ein paar Fragen zu stellen. Viele Antworten stimmten gut mit dem, was wir als interessierte Beobachter der Radiosonden in Erfahrung gebracht hatten, überein. 
 
Wozu dienen die Starts aus Pinneberg? Es handelt sich in Wesentlichen um technische Tests des Einsatzes von Radiosonden von Schiffen aus.

Dazu gehören neben den Forschungsschiffen Meteor, Maria S Merian und dem norwegischen Forschungsschiff Kronprins Haakon die 5 Handelsschiffe der Atlantic S*-Serie. Andere europäische Wetterdienste betreuen 8 weitere Schiffe im Rahmen des E-ASAP-Programms. Die Daten an sich stehen nicht im Vordergrund, sondern es dreht sich um das technische Funktionieren der Sonden und der Empfangs- und Startgerätschaften an Bord. Dabei entspricht die in Pinneberg verwendete Ausrüstung der auf den Schiffen. Diese muss robust, platzsparend, zuverlässig und schnell nebenher bedienbar sein. 

Man arbeitet in Pinneberg kontinuierlich daran, den Ablauf für die Besatzungen zu vereinfachen und arbeitet dann auch Fehlerberichte der Besatzungen ab. Neue Softwareversionen der Sondenhersteller müssen beispielsweise sehr gründlich geprüft werden, weil Patches auf hoher See nicht so ohne weiteres eingespielt werden könnten. Und dazu sind gelegentliche Testflüge nötig.

Warum wurden Sonden gefunden, auf denen "No GPS" mit Edding vermerkt war?: Die Vermerke stammen von Schiffsbesatzungen, denn bei den Starts der Sonden waren Probleme aufgetreten. In Pinneberg wurden die Sonden getestet. Wenn sie für ok befunden waren, konnten sie auch gestartet werden.

Kommen in Zukunft  noch weitere RS92 aus Pinneberg?
Leider nein, denn die Vorräte sind alle. Er hat tatsächlich noch 2 Exemplare, aber die werden nicht mehr verflogen. Auf See startet auch keiner mehr RS92.

Früher war weniger Lametta! Pinneberg war berühmt für seine schirmlosen Sonden. Warum haben die Pinneberger Sonden jetzt einen wunderschönen Totex-Schirm?

"Als ich den Job übernommen habe, habe ich erst einmal Schirme gekauft". So einfach ist das: Neuer Verantwortlicher setzt neue Akzente! Und wir hatten schon alle möglichen Theorien ausgebrütet!

Was haben die Handelsschiffe davon, dass sie Ballons starten?
Es gibt eine  Prämie pro Start.

Was passiert, wenn auf hoher See die Technik streikt?
Normalerweise ist das per Ferndiagnose und Express-Service zu lösen. Bei schlimmeren technischen Problemen gab es aber schon Fälle, wo Leute aus Pinneberg mit dem Flieger zum Troubleshooting zu einem ausländischen Hafen anreisten.

Wir beobachten eine verminderte Startfrequenz aus Pinneberg in letzter Zeit
Das stimmt, die Startfrequenz wird aus Kostengründen reduziert.

Man hört immer, der DWD wolle auf Wasserstoff als Traggas umstellen?
Der DWD und auch die Bundeswehr wollen tatsächlich auf Wasserstoff umstellen.  Aber das hat keine Auswirkungen auf die Schiffe und auf den Betrieb in Pinneberg. Denn auf hoher See ist das kaum praktikabel, weil es dann schwerer wird, Schiffsbetreiber zu überreden überhaupt freiwillige Ballonstarts durchzuführen. Die Starts müssen einfach, unkompliziert und sicher sein. Neue Zusatzprozeduren zur Vermeidung neuer  Gefahrenquellen sind da einfach nicht praktikabel, selbst wenn es Kosten sparen würde.

Kürzlich startete eine DFM17 (D24010506, 3.2.2025) an Bord der Atlantic Sun, kam aber nur wenige Meter hoch.
"Ja, das war ich, hab da eine Sonde an Bord kurzfristig angeschaltet". Die Sonde wurde aber nicht an einer Schnur aufgelassen und wieder eingeholt, wie wir vermutet hatten.

Der nette Radiosonden-Profi überließ uns dann ein paar defekte DFM-Sonden - sowas kommt bei dem Durchsatz gelegentlich vor. Einige können die DFMs zum Elektronikbasteln und Prozessoren-Hacken gut gebrauchen. 
 
Ich danke den sehr netten Mitarbeitern des DWD Pinnebergs für einen sehr schönen und informativen Vormittag und den Organisatoren aus unserer Sondenjägergruppe für die Initiative zu diesem phantastischen Event. Und den Radiosondenleuten aus Meppen, ohne deren Sonde das Ganze nie stattgefunden hätte.

Wir wurden übrigens noch auf ein weiteres Event des DWD aufmerksam gemacht: Am 14.6.2025 findet beim DWD in Sasel ein Tag der offenen Tür statt - auch dies ist ein Sondenstartort.
 
 
Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier

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