Samstag, 19. September 2020

Auf Drogensuche?

 

Am 15.9.2020 landeten allerlei weiße Boxen im Raum Lüneburg. Ich hatte allerdings jobbedingt keine Zeit zur Sondenjagd. So musste eine Kaltsondensuche am Samstag heute reichen. In aller Frühe habe ich die Predictions noch mal kritisch überprüft und allerlei Best Guess - Koordinaten in Locus auf dem Handy gespeichert. Dazu noch ein paar Koordinaten aus der letzten Flugphase, damit ich mich im Gelände gut orientieren kann. Drei Sonden sind im Pott. Bei einer habe ich nicht viel Hoffnung, bei der anderen ist die Landestelle nach Verfolgung der letzten Flugbahn auch mehr ins Dorf gerückt, und am aussichtsreichsten erscheint immer noch R2330435 im Wald bei Bavendorf. Die Prediction schätze ich auf 20m genau, und die die entlegene Landestelle lässt einen Zufallsfund unwahrscheinlich erscheinen. Also drei Eisen im Feuer, und ein richtig gutes.

Sondentyp: RS41-SGP
SN: R2330435
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 15.9.2020 12Z
Timerkill: 5:00h
Track  Bremen und Radiosondy
Landestelle Bavendorf, LAT LON: 53.18889,10.65199  Google Maps
Status: geborgen am 19.09.2020, 7:35 UT
Methode: Korrigierte Tawhiri Prediction auf Basis von Radiosondy.Info-Daten
 
Also rein in den Regionalzug nach Lüneburg, und von da aus mit dem Bus bis Bavendorf. Faltrad aufklappen, Tasche einhängen, Locus starten und los. Nach 900m führt ein  schmaler Weg in den Wald. 500m teilweise Radeln, teilweise Schieben, schon bin ich in unmittelbarer Nähe der Landestelle. Das Rad wird an einen Baum gekettet. Der Weg endet an einer Lichtung, aber von da aus kommt man schlecht in den Wald. Also ein paar Schritte zurück und dann die wenigen Meter zur Prediction. Ich muss nicht wirklich suchen. Die Sonde hängt gut sichtbar in 20 Zentimetern Höhe an einer Birke. Senkrecht nach oben verschwindet die Schnur in Baumkronen. Schwieriger wird das Sichten von Schirm und Ballonrest in den Laubdächern. Dann sehe ich ihn, gar nicht so hoch. Die Richtung passt nicht zum Verlauf der Schnüre weiter unten. Ich kann die Sachen per Schnurzug lösen, und danach zieht es aber heftig an der Sondenschnur. Ich muss die Sonde festhalten, damit sie nicht nach oben entschwindet! Daher habe ich kein Foto der Sonde in Situ. Ich knappe die Schnur, und auf der anderen Seite sausen Ballonrest und Schirm nach unten. Sie bleiben in 5 Metern Höhe im Geäst hängen und sind dort eine leichte Beute für die Teleskopstange.


 






Sondentyp: RS41-SGP
SN: R2330423
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 15.9.2020 0Z
Timerkill: 5:00h
Track  Bremen und Radiosondy
Landestelle Dumstorf LAT LON: 53.17586,10.68872  Google Maps
Status: Verloren, leere Finderbriefhülle gefunden am 19.09.2020, 9:08 UT
Methode: Korrigierte Tawhiri Prediction auf Basis von Radiosondy.Info-Daten

Weiter geht es nach Dumstorf. Die Tawhiri-Prediction dort sieht die Sonde auf einem Acker. Aber meine Untersuchung der Flugrichtung heute morgen ließ eine Landung im Dorf wahrscheinlicher werden. Dort gibt es hohe Bäume, in denen Teile des Gespanns vielleicht noch aufzufinden sein könnten. Auf dem Acker liegt nichts. Ich untersuche eine kleine Sackgasse, die mitten durch die "heiße" Gegend führt. Das eigentliche Landegebiet ist aber das Gelände eines ziemlich altehrwürdigen riesigen Bauernhofes. Als ich gerade aufgeben will, kommt ein älterer Mann mit dem Auto angefahren und fragt freundlich, was ich hier mache. Schon klar, ein Ortsfremder, dazu noch auf so einem komischen Rad, das ist der Blickfang. Ich erklär ihm die Sache und er bietet mir an, dass ich doch das recht große Hofgelände absuchen könne. 

Da laufen ein Hund, ein paar Schafe und ein Esel herum. Ich gucke vor allem in die Wipfel der Bäume am Eingang, denn sie stehen genau auf der Prediction. Da der Besitzer das Ding noch nicht gefunden hat, kann es - wenn überhaupt - nur dort sein. Wenn es nicht noch ein paar Meter vorher auf der Straße gelandet ist und von jemand anderem weggeräumt wurde. In der fraglichen Richtung ist eine Baustelle, die Bauarbeiter haben aber auch nichts gesehen. Irgendwann verabschiede ich mich von dem freundlichen Hofbesitzer. Und zwei Meter vor dem Ausgang liegt das da auf der Straße....

 

 

Klar, was das ist: Bundeswehr-typischer Umschlag für den Begleitbrief. Ich schick das kommentarlos über Whatsapp an die anderen, und sofort kommt von dem sehr erfahrenen Sondensucher Harry die rhetorische Frage: "Bist Du auf Drogensuche?" Als ob die Sondensucht nicht schon schlimm genug ist...

Na, da ist wohl nichts mehr zu finden. Jemand hat das Ding auf der Straße aufgelesen, alles mitgenommen, den Zettel eingesteckt und die Hülle verloren. Also rasch in die Pedale getreten und zur B216 geradelt. Dort fährt nämlich gleich der Bus nach Lüneburg. Von da aus habe ich noch was vor. 

Am ZOB Lüneburg steige ich in den Bus nach Neu-Häcklingen. Und von dort sind es nur wenige hundert Meter bis zur nächsten Landestelle, die wirklich alle denkbaren Gemeinheiten auf engstem Raum bietet... 

Sondentyp: RS41-SGP
SN: R2330426
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 15.9.2020 6Z
Timerkill: 5:00h
Track  Bremen und Radiosondy
Landestelle Lüneburg-Häcklingen LAT LON: 53.20705,10.41326  Google Maps
Status: unaufklärbar
Methode: Korrigierte Tawhiri Prediction auf Basis von Radiosondy.Info-Daten


Die letzte Position ist grenzwertig knapp über einer Hochspannungsleitung. Da hängt nichts, und die dürfte sie also noch überquert haben. Die Tawhiri-Prediction liegt auf dem abgesperrten  Randbereich einer autobahnartigen Kraftfahrstraße. Meine eigene Version ist eher exakt auf dem Wanderweg. Ist sie nur 5 bzw.15m kürzer geflogen, kann sie mitten auf der Autobahn gelandet sein. Die Fahrbahn kann man nicht einsehen. Bei einer Landung auf dem gut frequentierten Spazierweg ist sie längst weg. Das Gebiet nördlich davon ist von extrem hoher krautiger Ruderalflora bewachsen, in der ein Gespann ohne weiteres komplett versinken kann. So sehr ich mir die Augen aus dem Kopf sehe, da ist nichts zu finden. Der Weg verläuft durch eine sehr niedrige Unterführung auf die andere Seite der Autobahn. Wenn das Ding sehr kurz geflogen sein sollte, kann sie auch dort herunterkommen sein. Das  Gebüsch ist so dicht, dass man die Sonde hier kaum sichten würde. Kurz gesagt, ein extrem nerviger Landeplatz für eine Kaltsuche nach 4 Tagen. 

Mein letzter Versuch ist eine genaue Inspektion des Geländes von Norden mit dem Fernglas. Hier bietet die Brücke über die Ilmenau an der Roten Schleuse einen etwas erhöhten Aussichtspunkt. Aber da liegt kein roter Klecks auf der Wiese. 

Man darf bei einer Kaltsondenjagd niemals von einem Erfolg ausgehen. Oft kann man aber die Sache klären - die Sonde ist nicht mehr da, irgendwo sind noch ein paar Reste, usw. Hier aber würde ich die Chance, dass die Sonde da noch irgendwo rumoxidiert, auf 30-40% beziffern. Die realistische Wahrscheinlichkeit, dass man sie dort noch finden kann, liegt sicher unter 1%.  Beide Sonden kommen auf meine Liste der hoffnungslosen Fälle.                

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