Sonntag, 14. Juli 2024

Von Fischhausen nach Boizenburg

Früher waren Bergen-Hattricks sportliche Herausforderungen. Bergen startete alle 6 Stunden. Wollte man drei aufeinander folgende Sonden zeitnah einsammeln, musste man schon eine ganze Menge Aktivität auf einer kurzen Zeitskala zur Aufführung bringen, und Schlafen musste man auch hinten anstellen. Entwertet wurde diese Sportart durch Günther Hirsch, der einmal 10 aufeinander folgende Sonden geborgen hat.

Inzwischen startet Bergen nur alle 12 Stunden. Da ist irgendwie der Witz raus. Aber am Samstag morgen fällt mir auf, dass U3340723, die Mittagssonde vom 11.7.2024, noch nicht geborgen ist. Da ich die beiden Vorgängersonden bereits geborgen hatte und das Landegebiet bei Fischhausen von der Regionalbahnstation Echem leicht mit dem Rad erreichbar ist, beschließe ich eine Tour, um einen Bergen-Hattrick (auch wenn der Witz weg ist) zu erzielen. 

Der (reichlich volle) Regionalzug bringt mich nach Büchen. Dort wird umgestiegen, und so steige ich kurz nach 11:00 in Echem aus. Es geht Richtung Fischhausen über den Elbe-Seitenkanal....

 


 

Und nach wenigen Kilometern bin ich am Ziel. Da ist aber nichts zu wollen. Die Extrapolationslösung liegt direkt neben einem viel befahrenen Rad- und Wanderweg, und mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte mindestens die Schnur auf dem Weg gelegen haben. Auf den benachbarten Wiesen liegt nichts. Westlich schließt eine Weide an - da fehlt auch jede Spur. Die Sonde hat eindeutig andere Liebhaber gefunden. Das dürften Wanderer oder der Landwirt, dem die Rinder auf der Weide gehören, gewesen sein. 

Die darauf folgende Bergen-Sonde ist im bekannten Wald bei Boizenburg herunter gekommen. Das ist nicht weit. In Echem fährt der nächste Zug erst in mehr als 1.5 Stunden. Also wird das Ziel mit dem Rad angesteuert. Über die Elbbrücke in Lauenburg...

geht es über Werners alte "Transitstregge" nach Horst zur nächsten frischen Kaltsonde:

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
U3230974
Produktionsdatum: 2022-08-10
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill:
5h:00m

Startstation:
Bergen
(WMOID:
10238)
Flugdatum: 12.07.2024 (00:00Z)
Track
Wettersonde.net und DB7XO

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.16m/s

Landegeschwindigkeit:
5.9m/s

Landestelle: Horst
LAT, LON:
53.379307,10.648127 Google Maps
Status:
Geborgen am 13.7.2024, 12:21UT
Methode: Extrapolation nach Daten von DB7X0 (danke Axel für die schönen Daten).

Die Sonde hatte Axel von Dahlenburg aus bis in eine GPS-Höhe von 99m getrackt und auf unserer Whatsapp-Gruppe veröffentlicht. Die Prediction sollte daher sehr genau sein. Allerdings hatte der Web-SDR bei Zernien in Lüchow-Dannenberg das Signal noch längere Zeit schwach empfangen, was auf einen Baumlander schließen ließ. Allerdings steht der Empfänger auf einem 200m hohen Turm und hat einen entsprechenden Empfangsradius.

Den Waldweg, der zu der Landestelle führt, kenne ich sehr gut. Direkt dort hatte ich schon einmal einen Baumlander bergen können. Schon damals waren mir die von dem Kolonnenweg der DDR-Grenze bekannten Lochplatten aufgefallen

Ich kette wie üblich das Rad an einen Baum. Ein Waldweg bringt mich direkt zur Landestelle. Nur 6m von der Prediction entfernt baumelt die Sonde 20m hoch in einer Kiefer. 



Wo ist der Fallschirm? Ich habe Glück, er hängt bodennah im Gesträuch fest:


Eine kurze Probe - offenbar ist die Reibung nicht sehr stark. Daher schneide ich den Ballonrest ab. Langsam, dann immer schneller werdend, wird die Schnur nach oben gezogen. Und drüben fällt die Sonde vom Baum! 


 




Nachdem ich wieder auf der B5 bin, fahre ich schnell noch bei S3130190 vorbei. Diese Sonde war 2021 von einem bekannten Internet-Troll in Radiosondy als "geborgen" eingetragen worden. Eine Woche später haben Arne und ich mal nachgeguckt. Und sieh an: Die Sonde hing munter im Wipfel einer Kiefer. Arne und Patrick haben die Landestelle in den letzten Jahren mehrfach besucht und konnten die Sonde weder vom Boden auflesen noch im Baum sichten. Viel Hoffnung mach ich mir da also nicht. Da ich aber wenige Meter von der damaligen Landestelle vorbeiradel, schau ich schnell mal nach und kann die Befunde der beiden Kollegen bestätigen.

Allmählich nähere ich mich Boizenburg. Soll ich von dort nach Hause fahren? Nein, etwas nördlich habe ich noch eine weitere Sonde auf meiner Liste:

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
 
U3230975
Produktionsdatum: 2022-08-10
Frequenz: 405.7 MHz
Timerkill:
5h:00m

Startstation:
Bergen
(WMOID:
10238)
Flugdatum: 17.06.2024 (12:00Z)
Track
Wettersonde.net

Maximale Höhe:
34000m
Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.10m/s

Landegeschwindigkeit:
8.6m/s

Landestelle: Boizenburg
LAT, LON:
53.40018,10.711855 Google Maps
Status:
Geborgen am 13.7.2024, 15:37UT
Methode: Extrapolation nach Daten von wettersonde.net

Die liegt seit längerer Zeit mit mittelguter Prediction auf einem großen Acker. Axel konnte keinen Zugang zu den Treckerspuren auf dem Acker finden und wollte natürlich nicht die Pflanzen zertrampeln. Ich hatte mir die Gegend mal auf Google Maps angesehen und ein paar Notizen über den Verlauf der Treckerspuren gemacht und auch einen möglichen Zugang ausgemacht. 

Also biege ich von der B5 ab und radel nordwestwärts, immer an der Bahnlinie entlang. Weiter geht es auf einen Feldweg am Rande des Waldes Rethwischholt, der direkt an den Acker grenzt. Ich bin zunächst erstaunt, dass es sich nicht wie erwartet um ein Maisfeld, sondern um erntereifen Roggen handelt. Die Treckerspuren sind klar sichtbar, aber ähnlich wie Axel kann ich keinen Zugang finden; der in Google Maps ausgemachte Aufgang ist nicht mehr existent. Aber irgendwie muss doch der Landmann mit seinem Trecker ohne Querfeldeinfahrt auf den Acker kommen. Der Weg wird immer sandiger, und ich muss schieben. Erst ganz am Ende des Ackers entdecke ich den Aufgang zu dem System der Fahrspuren.



Das Fahrrad wird an eine Knickeiche gekettet. Ich muss die Fahrspuren gegenüber meinen Vorüberlegungen von der anderen Seite her angehen. Eine Spur läuft in Nord-Süd-Richtung parallel zum Ackerrand. Davon zweigen alle paar Meter Fahrspuren in Ost-West-Richtung ab.  Sie verlaufen etwa 30° zur Flugrichtung. Nicht optimal, aber aussichtsreich. Eigentlich müsste ich irgendwann über die Schnur stolpern. Aber auf der ersten Spur habe ich kein Glück. Aber bei der zweiten!

 

Ich verfolge die Schnur, sie verläuft ein paar Meter weiter auf die "Gegenspur". Und da ist die Situation noch spannender!

 


  Auf der Fallschirmseite ist es komplizierter:


Nach Abschneiden der Reste lässt sich die Schnur aus den Grannen herausziehen und somit alles bergen. Das alles zerstörungsfrei und rechtzeitig vor der Ernte. 


Was ganz spannend ist: Obwohl die beiden heute geborgenen Sonden in einem zeitlichen Abstand von fast einem Monat flogen, haben sie direkt aufeinander folgende Seriennummern: U3230974 und U3230975.

Nach der Bergung geht es mit dem Faltrad zum Bahnhof Boizenburg, wo auch sehr bald ein Zug nach Hamburg eintrudelt. Der ist gar nicht so voll, wird aber von der Rollenkoffer-Fraktion komplett blockiert.



 

Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier


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