Sonntag, 21. August 2022

Faltrad-Troll verwirrt Mountainbiker

Als ich neulich nach zwei Bergener Sonden im Bereich Hollenstedt fahndete, sah ich unweit meiner Strecke zwei ältere Eintragungen auf meiner Locus-Karte. Beide waren offenkundige Baumlander, denn sie waren von Kurt in Uetersen noch lange nach der Landung empfangen worden, wie man auf wettersonde.net sehen konnte. Die Landestellen in den Harburger Bergen waren also bekannt. Leider lagen sie etwas weit weg von meiner Route, aber sie erforderten einen Kontrollbesuch. DF2HY hatte eine von beiden sogar gleich nach der Landung versucht zu finden: "Die Sonde ist sehr wahrscheinlich im Baum auf 130m ü.NN. Gut zu empfangen, aber wegen Dunkelheit & Höhe nicht zu finden."

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
T3310875
Frequenz: 405.3 MHz
Timerkill: keiner
Startstation: Norderney (WMOID:10113)
Flugdatum: 28.11.2021 12:00Z
Track wettersonde

Maximale Höhe:
32791 m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.05 m/s

Landegeschwindigkeit:
2.0 m/s

Landestelle:
Schwiederstorf  LAT, LON:
53.412261,9.80736, Google Maps

Status:
Baumlander im Wald, von unten sichtbar, 15-18m hoch in Birke

Methode:
GPS-Koordinaten nach der Landung in wettersonde.net verfügbar, danke Kurt für die schönen Daten. Sonde allerdings in anderen Baum gependelt und nur erst durch massive Suche zu entdecken. Letzter Check: 6.8.2022

Naja, da muss man hin. An einem stressfreien Montag fahre ich mit der  S-Bahn nach Neu Wulmstorf. Da wegen der fahrplanmäßigen Verspätung der Bus nach Elstorf schon weg ist, muss ich die ganze Strecke radeln. Das macht aber nichts, denn der Elbhang dort hat eine gleichmäßig-angenehme Steigung. Hinter dem Bassental (seufz) geht es durch eine fast ebene Geest weiter. Hinter Schwiederstorf muss ich auf die links ein paar Meter Kreisstraße abbiegen und bin dann fast am Ziel. Da die Wege in den Wald durch umgestürzte Bäume keine Wege mehr sind, wird das Faltrad wie üblich am Baumstamm abgesichert und weiter geht es zu Fuß. Dann geht es einen richtigen kleinen Berg hoch. Überall haben die Schwarzkittel den Boden durchgewühlt. Da seit der Landung mehrere Orkane den exponierten Hügel heimgesucht haben, ist damit zu rechnen, dass die Sonde heruntergefallen ist und die Wildschweine die Sonde wie üblich als Kaugummi verwendet haben. Aber es liegen an der gut bekannten Landestelle keine Trümmer herum. Ich suche sicher 40-50 Minuten mit dem Glas die Baumwipfel ab - nichts. 

Vielleicht sollte man die Sache von der Fallschirmseite her aufrollen? Ich mach mir von der bekannten Position aus eine Projektion mit Locus, 50m in Flugrichtung. Ich stapfe dort hin - in den Bäumen ist nichts zu sehen. Allerdings ist der Mischwald auch wegen des Laubdachs nicht übersichtlich. Auf halber Strecke zurück zur Landeposition sehe ich plötzlich in einer Birke die Sonde baumeln. Das ist definitiv nicht die ursprüngliche Landestelle - die Sonde muss ein ganzes Stück Richtung Fallschirm gependelt sein. Viel zu hoch für meine 10m-Stange, und wahrscheinlich wird es sportlich für eine 15m-Stange, wenn die denn reicht. Hinzu kommt, dass man wegen des Laubs direkt von unten nichts erkennt, sondern nur aus einiger Distanz. Hier sind weitere Versuche vor dem Laubfall zwecklos.



Zurück geht es nach Schwiederstorf. Der Weg in den Wald zur Landestelle der Schleswiger Sonde S0940926 vom letzten Oktober ist spannend. Weitere 60 Meter Höhenunterschied, aber wieder angenehme Steigung. Erst Asphalt, dann Gravel, dann etwas steilerer und grober Schotter. Aber angenehm zu fahrende Spuren; selbst auf meinen miesen Untergrund wenig tolerierenden 16"-Rädern komme ich bequem durch. Die Landestelle ist gut bekannt, sie muss direkt rechts am Weg liegen.

Auch hier das gleiche Bild: Keine Sondensichtung. Aber dann sehe ich LINKS vom Weg eine RS41 in einer Fichte baumeln. Auch diese Sonde ist beim Orkan offenkundig  in den Nachbarbaum gependelt, wenn auch nicht so weit.




Die Schnur ist längst zerfetzt, aber die Sonde hängt eben an einem längeren Schnurstück noch in den Nadeln fest. Mit meiner 10m Stange werde ich auch hier nichts - da fehlt noch einiges. Ich lege die Stange an einem Ast an, um aus einiger Distanz einen Eindruck über die Höhenverhältnisse zu bekommen, und bin danach sicher, dass sie in ca. 14m Höhe hängt. Das müsste mit der 13.4m langen "Laguna"-Stange und etwas Armeinsatz gehen und sollte nicht den sperrigen DXWire 15m-Masts erfordern.

Angenehm ist natürlich die Heimfahrt: 120m Höhenunterschied - nur bergab. Schnell bin ich wieder in Neuwulmstorf. Erfolglos, aber schlauer. Bei der nächsten Gelegenheit bin ich wieder bei der zweiten Sonde, diesmal mit der auf dem Faltrad angenehm zu transportierenden Laguna-Stange. Denke ich mir so.

Dann passiert die Sache mit dem LKW-Brand an den Elbbrücken. Seither gibt es keinen normalen Schienenverkehr mehr über die Elbe. Nach meinem Perseiden-Urlaub hat sich die Lage keineswegs gebessert. Aber am 20.8. will ich es wissen,  zumal das Wetter endlich mal sonnig und etwas kühler ist als in der zurückliegenden Hitzewelle. Immerhin sind seit neuestem die ICEs und ICs für Zeitkarteninhaber bis Harburg freigegeben, da sollte es selbst am Wochenende entspannter sein. Welch ein Irrtum.

Der Metronom nach Bremen fährt am Gleis 13. Auf dem Weg dahin kommt mir eine Menschenlawine rennend entgehen, dann ist der Bahnsteig leer. Der Zug soll nur nach Harburg fahren. Gut für mich, denn weiter will ich eh nicht. Dann fällt er allerdings komplett aus. Alle Nachfolgezüge fallen auch aus. Also staut sich alles in einem IC nach Koblenz. Die regulären Fahrgäste verstehen die Welt nicht mehr, als urplötzlich indische Verhältnisse ausbrechen und Weg zu den reservierten Sitzplätze durch die schiere Masse Mensch blockiert ist.  Keine erklärenden Lautsprecherdurchsagen, bei den den Zug stürmenden 9-Eurioten verschärftes "erstmals im Leben Bahn-Fahren"-Syndrom. Ich versuche in meinem 5 Meter-Umfeld den Leuten erklären, dass JEDER mitkommt und in Harburg wieder rauskommt. Dass nächste Station 95% der Leute aussteigen werden und man dann zu den Sitzplätzen vordringen kann. Rege an, dass man durchgeht und nicht im Eingangsbereich stehen bleibt. Das ist schwierig- die Leute haben Angst, dass sie in Harburg nicht mehr  rauskommen. Beruhigende Einwirkung: "Jeder kommt hier raus, so wie immer." Der  Stoff, aus dem die Massenpanik ist. Organisiere mit 2 anderen Leuten, dass in einer nicht blockierten Ecke die Koffer gestapelt werden. Das volle Programm. Gelernt: Auch in so einer Lage ist ein Brommy problemlos in einer Ecke zu versenken. Effekt der Kommunikation: Bei UNS schließen sich die Türen im ersten Anlauf. Sonstwo eher nicht. 30 Minuten verspätet rattert der Zug los. Währenddessen noch ein paar durchbrechende "Bah-Ich habe Reserviert"-Rollenkoffertypen beruhigen. In Harburg dafür sorgen, dass alle rauskommen und der arme Rentner  in seinen Zug nach Rotenburg kommt - er ist 80 und will zu Enkels achzehntem - baaaaah.


Erstmal tief durchatmen. Was war DAS gerade eben? Dann rein in die S-Bahn. Die hat 20 Minuten Verspätung und enthält Luft zum Atmen - optimal für mich. In Neu Wulmstorf endlich raus aus dem ÖPNV und rauf aufs Rad.

Wie entspannend das ist! Auf dem bekannten Weg die bequemen Höhenmeter rauf. Auf dem Waldweg prangen alle Naslang Schilder von einem Halbmarathon. Und offenbar ist am Samstag der Weg Ziel für  Dutzende Mountainbiker mit beeindruckenden Geräten, fetten Reifen und coolen Klamotten. Wo außer in den Harburger Bergen kann man sonst im Hamburger Umland einen echten Waldweg mit echtem Schotter usw., sogar mit etwas Höhenunterschied befahren? Da mutiert der harmlose Waldweg offenbar in der Phantasie zu einem ausgewachsenen MTB-Trail. Einige Leute sind sichtlich irritiert, dass ihnen ein 16"-Rad mit Schwalbe-Marathon-Plus-Reifen entgegenkommt - besonders letzteres ist in Zeiten des "Tubeless"-Hypes ein komplettes No-Go und theoretisch unvorstellbar. Die Reaktionen reichen von entsetzten Blicken zu freundlich-grinsendem Gruß.

Sondentyp: RS41-SGP
SN:
S0940926
Frequenz:
402.5 MHz

Timerkill:
keiner

Startstation:
Schleswig (WMOID:10035)
Flugdatum: 7.10.2021 00:00Z
Track
wettersonde.net
Maximale Höhe:
33852m

Durchschnittliche Aufstiegsgeschwindigkeit
: 5.02 m/s

Landegeschwindigkeit:
4.9 m/s

Landestelle: Schwiederstorf,
LAT, LON: 
53.419698,9.853152, Google Maps
Status:
Geborgen am 21.8.2022, 15:01UT

Methode:
Post-Landing GPS aus wettersonde.net; danke Kurt für die schönen Daten. Problemlose Stangenbergung mit 13.4m Stange aus Fichte, Höhe etwa 14.5m.

An der Stelle angekommen, erweist sich die Bergung mit der Laguna-Stange als problemlos. Der Label ist schon etwas verblichen, und die Batterien ganz leer.


 

Ich suche noch nach Resten des Fallschirms, kann aber nichts entdecken. Wahrscheinlich sind sie vom Orkan zerfetzt und verweht. Also wird alles verstaut, und ab geht  zurück. Ab jetzt immer schön bergab. Heraufkeuchende MTB-Fahrer zeigen so herum noch mehr Wirkung.

In Neu-Wulmstorf habe ich keine Meinung zu einem weiteren LKW-Feuro-9-Euro-Abenteuer. Also radel ich weitere 18km nach Finkenwerder, wo mich die Elbfähre heimwärts bringt. 




Übersicht über alle Sondenfunde hier
Karte aller Sondenfunde hier

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