Samstag, 21. Dezember 2019

3 Sonden in 1,5km Umkreis

Am 19.12.2019 landete die Bergener Radiosonde P2310191 direkt im Wald bei dem kleinen Dörfchen Langenlehsten nahe Büchen. Ich schrieb in der Whatsappgruppe: "Auf der anderen Straßenseite muss ich ohnehin mal einen hartnäckigen Baumlander kontrollieren." "Musst Du das wirklich?" kam mahnend als Antwort. Natürlich muss sowas kein Mensch, da hatte Harry durchaus Recht.

Der Baumlander hatte allerdings eine lange Geschichte. Um ihn zu erreichen, muss man 10km Rad fahren und dann einen längeren Marsch durch einen Wald anschließen. Ich hatte ihn am 8.8.2018 erstmals unmittelbar nach der Landung besucht. Damals hatte ich den Zugang von der Straße Büchen-Gudow gewählt - einen langen Waldweg. Die Sonde sendete noch, und ich konnte sie bei Sonnenuntergang hoch im Baum erspähen. Auf dem Rückweg gab es einen mächtigen Adrenalinschub - eine ungemütlich nahe Begegnung mit einer Rotte Wildschweine - direkt am Ausgang des Waldes zur Straße, wo keiner mehr mit so etwas rechnet. Glücklicherweise waren die Tiere ähnlich erschrocken wie ich und stoben davon.

Da immer mal Sonden im Raum Büchen landeten, hatte ich die Landestelle insgesamt dreimal besucht, diesmal über einen einfacheren Weg von Langenlehsten aus. Die Sonde hing immer am Baum und war zum Teil im hohen Geäst der Nadelbäume verhakt. Irgendwie sah das nicht nach einem schnellen Herunterfallen aus.

Da ich eine Menge Energie in diese Sonde gesteckt hatte, fand ich es zumindest interessant, dass nun eine frische Sonde nur 2500m entfernt lag.

Und einen Tag später kam dann das Ereignis, welches das Fass zum Überlaufen brachte: Da landete die Bergener Abendsonde P2310212 noch dichter an der alten Landestelle: Nur 1100m entfernt, direkt am Zugangsweg zu dem Wald, offenbar auf freiem Feld. Jetzt lagen da zwei Sonden in der direkten Umgebung des alten Baumlanders!



Samstag 21.12.: Ein schöner, frühlingshafter Dezembertag mit viel Sonnensschein lädt zu einer Radtour ein. Irgendwann kommen so viele Dinge zusammen, dass man wirklich einen Baumlander kontrollieren muss.

Also Faltrad unter den Arm geklemmt und mit dem Regionalzug auf nach Büchen. Zu meinem Erstaunen spuckt die HVV-App aus, dass ein Bus von Büchen bis Langenlehsten und Besenthal fährt - damit könnte man wesentlich schneller in der Region sein. Um 10:01 soll er abfahren, es ist 9:55. Faulheit siegt. Um 10:01 stehe ich alleine an der Haltestelle. Es wird 10:05, kein Bus, keine Leute. Mal den Haltestellenaushang kontrollieren: AHA, am Samstag ist kein Betrieb auf dieser Strecke. Einen Fehler in der HVV-App kannte ich bisher nicht. Also Rad aufklappen und los.

Die nach dem Motto "es ist doch Winter" eingesteckte Fleece-Unterjacke frisst nur Volumen in der Tasche. Genussradeln bei bestem Wetter, Kraniche in der Luft. Hinter Langenlehsten ein merkwürdiger Anblick: In dem Knick am Straßenrand sitzen mindestens ein Dutzend Kolkraben. Wenn man bedenkt, dass in meiner Kinderzeit in ganz Schleswig Holstein nur 40 Tiere lebten, ist das erfreulich. Die sind überhaupt nicht scheu, machen einen langen Hals und gucken neugierig nach unten. Der ganze Habitus der Tiere erinnerte schon an die Geier in Namibia, denke ich. Und tatsächlich: Ein Reh ist Opfer des Straßenverkehrs geworden, und bei den Raben gibt es heute ein verfrühtes Weihnachts-Festmal. Ich wünsche den schwarzen Gesellen, dass es noch ein Weilchen dauert, bis jemand den Kadaver entfernt.
Geier? Namibia?: In dem Land gab es doch so einen Ausdruck für alles, was den Einsatz von mehr als zwei Neuronen erfordert:  "Wir machen einen Plan". Mir fällt gerade auf, dass ich durchaus noch keinen habe, außer aufs Zielgebiet zuzuradeln. Aber eigentlich ist es ganz einfach:  Die womöglich auffällig auf freiem Feld liegende Sonde ist am dringensten, dann check ich den Baumlander gleich nebenan, und auf dem Rückweg ist die Sonde im Wald dran. Ich fahre also an der Abzweigung, die zu  P2310191 führt, vorbei, durch das kleine Dörfchen Besenthal hindurch und von da aus auf einem Feldfahrweg nach Süden.

 
Sondentyp: RS41-SGP
SN: P2310212
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 20.12.2019 18Z
Timerkill: 5:00h
Track Bremen
Landestelle Besenthal, LAT LON: 53.518352,10.732957 Google Maps
Status: gefunden am 21.12.2019,10:30Z
Methode: Tawhiri-Prediction auf Basis von wetterson.de

Im Landegebiet der gestrigen Sonde bin ich zunächst erfolglos: 11m/s Landegeschwindigkeit, 331m Höhe, da sollte die Prediction auf wenige Meter stimmen. Na? Wo liegt der rote Punkt?  Ich suche die Wiese ab, nichts. Daneben ist ein Streifen Brache, wo sich so ein Gespann schon verstecken kann. Nichts. Das kleine Wäldchen? Ist nicht wirklich in der Flugrichtung und reichlich weit weg von der Prediction. Abgesehen davon ist da nichts zu sehen. Hinter dem Wäldchen ist ein Hügel, von dem sich die ganze Landegegend prima überblicken lässt. Auch das Fernglas hilft nicht. War da einer schneller?

Auch zu weit flugbahnabwärts, aber besser in der Verlängerung der Flugrichtung, befindet sich noch eine Wiese, die ich bisher nur flüchtig gescannt habe. Da liegt kein Fallschirm. Ich bewege mich dennoch in Flugrichtung über die Wiese. Vor mir liegt  im Gras etwas Graues. Nein, das Objekt ist weiß. Joghurtbecher? Styoroporstück? Oder RS41? Kein Irrtum möglich, denn da ist eine Schnur. Sonde Nr. 1 ist gefunden! Uff.

Wo ist der Schirm? Hinter dem kleinen Wall am Rand der Wiese! Er hat sich in den Schnüren am Abroller mit der Spitze verhakt - das führte zu der schnellen Landung.




Irgendwie habe ich der letzten Zeit das Gefühl, dass die Tawhiri-Prediction derzeit nicht mehr so gut funktioniert wie vor einem Jahr. Diese Sonde ist, von der letzten Position aus gesehen, mehr als doppelt so weit geflogen wie vorhergesagt. Ist die GFS-Prognose der Winde in Bodennähe nicht mehr so genau, hat sich was in dem Predictor verändert? Ich muss mir das mal genauer angucken, aber die Fälle schlechter Vorhersagen häufen sich bei mir. Sofern die Sonde noch sendet, ist das verschmerzbar. Aber eine Kaltsondenjagd wird durch eine unerwartet ungenaue Prediction nicht eben einfacher.



Weiter gehts. Der Fahrweg, über den ich die Landestelle erreichte, führt geradewegs in den Wald, in dem sich die Baumlandersonde befindet. Der Zugang von dieser Seite ist viel einfacher als meine bisherigen Anfahrt-Routen.

Sondentyp: RS41-SGP
SN: N2230327
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 08.08.2018 12Z
Timerkill: nein
Track Bremen
Landestelle Langenlehsten, LAT LON: 53.5121575,10.71904188  Google Maps
Status: Baumlander, am Boden aufgesammelt am 21.12.2019
Methode: GPS-Decodierung des Sondensignals

Ich habe Glück: Die Sonde liegt am Boden. Offenbar hat die Rotte Wildschweine, die den Wald umgegraben hat, mit der Sonde viel Spaß gehabt. Der korrodierte Sensorarm und die Tüte mit dem Papier liegen verstreut herum, und die Sonde liegt auch nicht  mehr unter dem fraglichen Baum. Sonde Nr. 2 ist eingesackt. Mehr hier.
 


Sondentyp: RS41-SGP
SN: P2310191
Frequenz: 405.7 MHz
Startstation: Bergen (WMOID:10238)
Flugdatum: 19.12.2019 18Z
Timerkill: 5:00h
Track Bremen
Landestelle Besenthal, LAT LON: 53.512107,10.75737 Google Maps
Status: nicht gefunden
Methode: Tawhiri-Prediction auf Basis von wetterson.de

Mit Sonde Nr. 3 habe ich kein Glück. Ich suche die Gegend der  Prediction relativ intensiv ab, und so ganz unübersichtlich ist der lockere Kiefernwald eigentlich auch nicht. Die Sonde hatte aber einen erheblich besseren Fallschirm, und daher war die letzte Position 1200m von der vorhergesagten Landestelle entfernt, was die Prediction ungenau werden lassen dürfte. Ich gebe auf.
Irgendwann geht ein schöner Tag zuende. Auf dem Rückweg wird deutlich, dass die Raben Verstärkung von zwei Elstern und ein paar Rabenkrähen erhalten haben. Wohl bekomm's. Als ich in Büchen in den Zug steige, bewegt sich gerade ein V aus ca. 45 Kranichen langsam über den Dämmerungshimmel. 


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